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Dresdner Tafel wegen Untreue angezeigt

Die Staatsanwaltschaft prüft ein Ermittlungsverfahren. Die Bundes-Tafel untersucht einen Ausschluss des Vereins.

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© André Wirsig

Von Sandro Rahrisch

Ein tiefer Riss geht durch die Dresdner Tafel. Diesen Eindruck konnte man am Mittwochabend gewinnen, als sich vorm Vereinshaus an der Zwickauer Straße etwa 40 Menschen brüllend gegenüberstanden.

Auf der einen Seite Mitglieder, die sich hinter ihren Vorsitzenden Andreas Schönherr stellen. Die ihm die Chance geben wollen, zu erklären, warum Vereinsdarlehen an ihn gezahlt wurden, warum er Lebensmittel an nicht bedürftige Dresdner verteilt und warum er laute Partys veranstaltet, zu denen die Polizei gerufen wird. Ihnen stehen Mitglieder wie Franz Decka gegenüber, die den Ruf der Tafel schon jetzt beschädigt sehen und befürchten, das Finanzamt könnte die Gemeinnützigkeit des Vereins aberkennen. Das hätte gravierende Folgen, denn Spender könnten ihre Hilfen dann nicht mehr steuerlich geltend machen. Sie könnten ganz abspringen. „Wir brauchen einen unabhängigen Sachverständigen, einen Wirtschaftsprüfer, der die Vorwürfe bewertet“, so Decka. „Wir können das nicht leisten.“

Es ist ein Streit, der nicht mehr nur die Mitglieder beschäftigt. Die Dresdner Staatsanwaltschaft ist inzwischen auch involviert. Ihr liegt eine Anzeige gegen den Vorstand vor. Wegen Unterschlagung und Untreue, so Oberstaatsanwalt Claus Bogner zur SZ. Derzeit werde geprüft, ob ein Anfangstatverdacht bestehe. Wäre dem so, würden Ermittlungen eingeleitet.

Polizei und Finanzamt eingeschaltet

Der Bundesverband der Tafeln ist ebenfalls aktiv geworden. „Wir prüfen, ob die Tätigkeiten der Dresdner Tafel unseren Grundsätzen widersprechen“, sagt Sprecherin Marion Jüstel. Dazu gehören die Gemeinnützigkeit und die Abgabe von Lebensmitteln an Bedürftige. Bei der Polizei und dem Finanzamt seien Unterlagen bestellt worden, um den Fall zu bewerten. Am Ende könnte der Entzug des Tafelnamens drohen. Dieser ist als eingetragenes Markenzeichen geschützt und kann aberkannt werden. „Das ist das härteste Mittel, das wir nicht einsetzen möchten, denn letztlich trifft es die Hilfebedürftigen am meisten“, so Jüstel. Bislang sei die Prüfung nicht abgeschlossen. „Wir nehmen das alles ernst, wollen aber auch Vorwürfe von Tatsachen unterscheiden.“ Zumindest habe sich noch kein Großpartner wie Rewe von Spenden für die Dresdner Tafel zurückgezogen.

Das Finanzamt, das als einzige Behörde entscheidet, ob ein Verein steuerlich als gemeinnützig eingestuft wird, verweist auf das Steuergeheimnis und möchte zur Tafel nichts sagen. Allerdings würden Vorwürfe, die an das Finanzamt herangetragen werden – persönlich oder über die Medien – ernst genommen, sagt Leiter Reinhard Göllner. Die Dresdner CDU war am Dienstag bereits zu dem Schluss gekommen, dass die Gemeinnützigkeit des Vereins akut gefährdet wäre. Die Stadtratsfraktion hatte ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Vor allem die Darlehen an Schönherr selbst und die fehlenden Bilanzen wurden darin kritisiert. Die CDU hat den Tafel-Mitgliedern deshalb geraten, auf das Prüfergebnis der Bundes-Tafel zu warten, bevor sie dem Vorstand für seine finanzielle Arbeit das Vertrauen aussprechen.

Schönherr selbst hatte zuletzt nicht bestritten, dass Vereinsdarlehen an ihn gezahlt wurden. Es geht um insgesamt fast 15 000 Euro. Er bestreitet jedoch, sich persönlich bereichert zu haben. So sei das Geld unter anderem einer Familie mit autistischen Kindern zugutegekommen, die durch einen Hauskauf in finanzielle Schwierigkeiten geraten war. Ein weiteres Darlehen hätte geholfen, eine Familie vor dem Ruin zu bewahren, nachdem sie von der Jobagentur sanktioniert worden war. Zwei Vorstandsmitglieder hätten der Geldausgabe zugestimmt, daher wären die Darlehen rechtlich zulässig, so die Sicht des Vorsitzenden. Allerdings, so halten es ihm Mitglieder vor, dürfen Mitglieder keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins erhalten. So steht es in der Satzung.

Ob dem Vorstand am Mittwoch das Vertrauen für die Finanzarbeit ausgesprochen wird, ist fraglich. „Entlasten wir ihn einfach so, begibt sich aber jedes einzelne Mitglied in Haftung, wenn etwas nicht stimmt“, so Decka. Unklar ist auch, ob die Versammlung mit dem Vorsitzenden stattfinden wird. Er hatte die Sitzung, die für letzten Mittwoch angesetzt war, aus gesundheitlichen Gründen abgesagt.