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Dresdner Orgelbauer sind weltweit gefragt

In Gedanken ist Ralf Jehmlich derzeit oft auf einem Schiff. Auf keinem dieser riesigen Clubschiffe mit Animationsprogramm, die jeden Tag in einem anderen Hafen der Welt vor Anker gehen. Er denkt an einen Frachter mit zerbrechlichem Transportgut.

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Von Jana Mundus

In Gedanken ist Ralf Jehmlich derzeit oft auf einem Schiff. Auf keinem dieser riesigen Clubschiffe mit Animationsprogramm, die jeden Tag in einem anderen Hafen der Welt vor Anker gehen. Er denkt an einen Frachter mit zerbrechlichem Transportgut. Der ist gerade auf dem Weg nach Taiwan und wird dort vermutlich einen Porzellanhändler in Taipeh glücklich machen. Für ihn hat die Firma Jehmlich Orgelbau aus Dresden etwas ganz Besonderes gebaut.

Bald wird auch Ralf Jehmlich die Koffer packen und nach Taiwan reisen. Allerdings nicht per Schiff, sondern mit dem Flugzeug. „Wir bauen die Orgel vor Ort auf, dann wird sie gestimmt“, erklärt der Geschäftsführer der Firma, die er bereits in sechster Generation leitet. In Zusammenarbeit mit der Meißner Porzellanmanufaktur hat seine Firma die Orgel mit Pfeifen aus Porzellan ausgestattet. Die will der Händler aus Taipeh künftig für Veranstaltungen und Konzerte in seinem Laden nutzen. „Eigentlich kann er aber gar nicht Orgel spielen“, verrät Jehmlich. Doch für die Dresdner ist auch das kein Problem. Bei einem Werkstattkonzert mit Frauenkirchenkantor Matthias Grünert wurden Stücke eingespielt. Jetzt muss der Porzellanhändler nur noch auf einen Knopf drücken – und die Orgel spielt quasi allein.

Rolf schläft bei der Arbeit

Das Taiwan-Projekt ist nur eins von vielen, an dem die Dresdner derzeit arbeiten. Erfreulicherweise sei die Auftragslage momentan gut, so Jehmlich. Einen Großteil der Arbeiten machen Restaurierungen aus. Ganz in der Nähe, wie die der Jehmlich-Orgeln in der Peter-und-Paul-Kirche in Coswig oder in der Johanniskirche Zittau, oder auch im Ausland. Da sind die männlichen Mitarbeiter auch mal an Orten eingesetzt, die für Männer eher untypisch sind. „Während der Arbeiten an einer großen Jehmlich-Schuster-Orgel im polnischen Kloster von Bardo sind wir dort auch untergebracht – obwohl da sonst nur Nonnen leben.“

Ein Großteil der Arbeiten findet aber im Firmensitz auf der Großenhainer Straße in Dresden statt. Hier werden bei Restaurierungen Orgelpfeifen gereinigt, lackiert, bei Bedarf verlängert und vorgestimmt. Auch die Spieltische, an denen später der Organist die Tasten spielt, können die Dresdner bauen oder restaurieren. Denn das Können eines Orgelbauers beschränkt sich nicht nur auf das Wissen um die Orgelpfeifen. Handwerkliches Geschick in Sachen Holzbearbeitung oder technisches Verständnis sind ebenso gefragt. „Letztlich findet aber jeder Mitarbeiter genau den Bereich, in dem seine Stärken liegen“, so der Chef. Einer passt beim abwechslungsreichen Treiben in der Werkstatt ganz genau auf: Rolf. Der Werkstattkater lebt schon seit vielen Jahren zwischen großen und kleinen Pfeifen. „Wenn die Kollegen irgendwo im Sitzen arbeiten, kommt es schon mal vor, dass Rolf sich auf ihrem Schoß zusammenrollt.“

Keine Nachwuchssorgen

Für die Orgelbauer besonders schön ist es, wenn sie ein neues Instrument bauen können. Insgesamt 1 165 Jehmlich-Orgeln gibt es derzeit weltweit, und es sollen noch mehr werden. Ab Herbst dieses Jahres wartet eine ganz besondere Aufgabe auf die Dresdner. Sie dürfen die neue Orgel für die Leipziger Paulinerkirche bauen. Der Originalbau der Universitätskirche am Augustusplatz war im Jahr 1968 gesprengt worden, der Neubau entsteht nun seit einigen Jahren. Bevor die Orgel aber in Leipzig eingebaut wird, entsteht sie einmal komplett in der großen Montagehalle der Firma in Dresden. „Wir hoffen, dass wir sie 2014 in der Paulinerkirche aufstellen können.“

Solche Projekte motivieren auch die 23 Mitarbeiter Jehmlichs immer wieder. Die Belegschaft ist altersmäßig gut durchmischt, Nachwuchssorgen haben die Orgelbauer nicht. Jedes Jahr beginnt ein neuer Lehrling seine dreieinhalbjährige Ausbildung. Wer für Jehmlichs arbeitet, muss aber auch flexibel sein. Denn viele Aufträge führen die Mitarbeiter ins Ausland. „In Norwegen gibt es beispielsweise allein 50 Orgeln von uns“, erklärt der Chef. Die müssen spätestens alle zwei Jahre gestimmt werden. „Dann sind wir mehrere Wochen lang im Land auf Stimmreise.“ Denn während sich Kirchgänger über beheizte Gotteshäuser freuen, ist die Luft für Orgeln ein Graus.