Merken

Forscher finden Mindestlohn zu hoch

Professoren aus Dresden empfehlen einen vorsichtigen Start mit 4,60 Euro für Ostdeutschland. Das würde nicht viele Berufe treffen.

Teilen
Folgen
© dpa

Von Georg Moeritz

Dresden. Fünf Monate vor dem Start des Mindestlohns von 8,50 Euro melden sich erneut Kritiker und fordern Ausnahmen. Der Dresdner Wirtschaftsprofessor Marcel Thum vom Ifo-Institut veröffentlichte gestern mit zwei Kollegen eine Empfehlung von 4,60 Euro Mindestlohn für Ostdeutschland. Damit würden nur fünf Prozent der Arbeitnehmer eine Erhöhung bekommen – das wäre laut Thum „ähnlich vorsichtig“ wie bei der Einführung des Mindestlohns in Großbritannien vor 15 Jahren.

Thum griff Äußerungen von Politikern und Gewerkschaftern an, nach denen der Mindestlohn in anderen Staaten keine Arbeitsplätze gefährdet habe. Solche Vergleiche seien „naiv“, schrieb der Professor. In jedem Land gebe es andere Bedingungen. Großbritannien hat 1999 mit einem Mindestlohn von 3,60 Pfund begonnen und schrittweise auf nun 6,31 Pfund erhöht, umgerechnet 7,91 Euro für Beschäftigte ab 21 Jahren. In Frankreich gelten 9,53 Euro.

In Deutschland ist vorgesehen, nächstes Jahr mit 8,50 Euro Mindestlohn zu beginnen. Nach zwei Jahren wird die Untergrenze neu festgelegt – von sechs Fachleuten, die je zur Hälfte von Gewerkschaften und Arbeitgebern benannt werden sollen. Bis dahin gelten in einigen Branchen Ausnahmen, zum Beispiel acht Euro für Pflegekräfte und 8,20 Euro für Leiharbeiter in Ostdeutschland. Die Verbände der Bäcker und Taxifahrer wollen in den kommenden Wochen über Tarifverträge verhandeln und ebenfalls Übergangslöhne unter 8,50 Euro festlegen. Die Landwirte haben sich mit der Gewerkschaft IG Bau auf 7,20 Euro Mindestlohn für das nächste Jahr geeinigt und bei der Bundesregierung beantragt, auch diese Ausnahme zu akzeptieren.

Nach Thums Berechnung liegt der durchschnittliche Stundenlohn in Ostdeutschland nächstes Jahr bei 14,10 Euro brutto. Jeder zweite Beschäftigte bekommt mehr als 12,40 Euro. Ein Mindestlohn von 8,50 Euro würde für mehr als 20 Prozent der Ostdeutschen eine Lohnerhöhung bedeuten, im Westen für 12,5 Prozent.

Der Dresdner Ökonom Thum hatte mit seinen Kollegen Andreas Knabe aus Magdeburg und Ronnie Schöb aus Berlin bereits in einem längeren Aufsatz den Mindestlohn als „Experiment“ mit vielen Risiken bezeichnet. Rein rechnerisch seien dadurch in Ostdeutschland bis zu 293.000 Arbeitsplätze gefährdet, davon etwa die Hälfte Minijobs. Dagegen schätzen die gewerkschaftsnahen Forscher der Hans-Böckler-Stiftung, dass der Mindestlohn die Summe aller Löhne in Deutschland um ein Prozent erhöht, sodass der Konsum steigt und mehr Arbeitsplätze schafft.

www.cesifo-group.de/dresdenberichtet

www.der-mindestlohn-kommt.de