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Dresdens Vorzeige-Heim

Die Neustädter haben ihre neuen Nachbarn mit einem großen Fest begrüßt. So viel Begeisterung wird es in den nächsten Wochen nicht überall geben.

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© Sven Ellger

Von Sandro Rahrisch

Blecheweise tragen die Gäste selbst gebackenen Kuchen in die Alte Feuerwache. Auch Gummibärchen, Brotlaibe und Sitzkissen gehören zu den Geschenken für die 44 Flüchtlinge, die in das Übergangswohnheim an der Katharinenstraße gezogen sind. An diesem Sonnabend ist es schwer, überhaupt noch einen Platz zum Stehen zu finden. Mehr als 300 Menschen drängen auf den Hinterhof, um mit den neuen Nachbarn zu plaudern und zu feiern.

Mehr als 300 Menschen drängten sich auf dem Hinterhof, um mit den neuen Nachbarn zu feiern.
Mehr als 300 Menschen drängten sich auf dem Hinterhof, um mit den neuen Nachbarn zu feiern. © Sven Ellger
Die Zimmer sind mit dem Nötigsten eingerichtet.
Die Zimmer sind mit dem Nötigsten eingerichtet. © Sven Ellger

Osama Tamim hat sich im Vorderhaus der Wache eingelebt. „Wir sind noch eine relativ kleine Gruppe, sprechen dieselbe Sprache, teilen uns Wasch- und Schlafräume“, sagt der Syrer, der mit den anderen Asylsuchenden am Montag eingezogen ist. Die Zimmer sind mit dem Nötigsten eingerichtet – Etagenbetten, zwei bis sechs pro Raum, Schränke, Steckdosen. Die alte Feuerwache sollte ursprünglich für die Kreativwirtschaft ausgebaut werden. Jetzt ist darin ein einzigartiges Heim in Dresden entstanden, sagt Pfarrer Christoph Stolte von der Diakonie, welche die Unterkunft betreibt. „Weil das Haus mitten in der Stadt liegt und die Anwohner überlegt haben, wie dieses Heim gelingen kann, anstatt nach Wegen zu suchen, es zu verhindern.“ So entstand das Netzwerk K9, das nun Integrationsarbeit mit den Flüchtlingen leistet.

Die Bewohner kommen aus sieben Ländern, Afghanistan, Irak, Libanon, Tunesien und Syrien zum Beispiel. Osama Tamim war Englischlehrer und Übersetzer an der Universität von Damaskus, bevor er die Flucht angetreten hat. Die Anti-Asyl-Proteste bekomme er natürlich mit. „Einige denken, wir wollen nur Geld holen und sind nutzlos“, sagt der 29-Jährige. „Aber die meisten möchten Schutz und ihr Geld selbst erarbeiten.“

Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) nennt das Heim und das Willkommensfest einen Prototyp für gelungenen Erstkontakt. Bis zum Jahresende soll die Stadt fast 3 000 weitere Flüchtlinge unterbringen. Deshalb wird das Hinterhaus in der Katharinenstraße nun für 20 zusätzliche Asylsuchende bezugsfertig gemacht. „Wir sind dabei, kleine und große Gebäude zu scannen“, sagt Kaufmann. „Nicht überall wird das Begeisterung hervorrufen.“ Einen Medienbericht, wonach sie Privatwohnungen für Asylbewerber öffnen will, wies sie entscheiden zurück. „Ich kann nichts ausschließen, außer dass bewohnte Wohnungen geräumt werden.“ Zwangseinquartierungen erteilt auch die CDU eine Absage. „Von der Sozialbürgermeisterin erwarte ich konkrete Lösungsvorschläge“, sagt der Kreisvorsitzende Christian Hartmann.