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Dresdens heimliches Uni-Imperium

Hinter der Tudag stecken Millionen-Umsätze, Hunderte Jobs und zahllose Ideen. Manche Töchter sind dabei, die Welt zu verändern. Und das ist nicht übertrieben.

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© Ansgar Pudenz/Deutscher Zukunftspreis

Von Michael Rothe

Für die Liste der 100 größten Unternehmen Ostdeutschlands reicht es noch nicht. Aber die Wenigsten wissen, dass hinter der Technischen Universität (TU) Dresden auch ein kleines Wirtschaftsimperium steckt mit zuletzt immerhin 57 Millionen Euro Jahresumsatz und 610 Mitarbeitern.

TU Dresden AG, kurz Tudag, nennt sich die Firmengruppe mit 20 Beteiligungen. So eingängig das Konzernkürzel, so geheimnisvoll Namen von Töchtern wie Tudias, Diu, Tudatex oder Riboxx. Andere GmbHs lassen den Laien erahnen, worum es geht: Leichtbau-Zentrum Sachsen etwa oder Verkehrsunfallforschung an der TU Dresden. Und Handy-affine Zeitgenossen werden bei 5G Lab hellhörig, aufmerksame Zeitungsleser auch bei Heliatek und Carbocon.

Beide hatten in der vergangenen Woche für Schlagzeilen gesorgt: Heliatek, das mit finanzieller Hilfe des Energieriesen RWE in großem Stil organische, halbtransparente Solarfolien herstellen will, die auf Glasscheiben und Fassaden Licht einfangen und in Strom umwandeln. Und die Carbonbetonforscher Manfred Curbach, Chokri Cherif und Peter Offermann wurden für den Deutschen Zukunftspreis 2016 nominiert. Dem Trio ist es gelungen, eine korrosionsbeständige und langlebigere Alternative zum Stahlbeton zu entwickeln – als Beginn einer neuen Bau-Ära.

„Wir initiieren und betreuen Wissenstransfer primär von der TU Dresden in die Privatwirtschaft über Projekte, Studien, Studiengänge, Zertifikatskurse und Start-ups“, beschreibt die Tudag auf der Homepage ihre Mission. Und „Wir transportieren die Anforderungen der Wirtschaft in die Wissenschaft.“ Die Größe der 20 Beteiligungen reicht von unter einem Prozent bei Heliatek bis zu 100 Prozent bei sieben Unternehmen – wie der Dresden International University. Die Diu ist eine private praxisnahe Hochschule mit 38 Studiengängen und über 2 600 Studenten, fast ein Drittel davon Ausländer aus rund 30 Staaten.

Umsatz in zehn Jahren verdoppelt

Ein anderes Aushängeschild ist die Gesellschaft für Wissens- und Technologietransfer (GWT). Der Dienstleister für Forschung und Entwicklung steht mit fast 25 Millionen Euro Jahresumsatz allein für gut 40 Prozent des Tudag-Geschäfts. Seine Kernkompetenz liegt in der Medizin, speziell in der klinischen Forschung und der industriellen Auftragsforschung.

„Einzelne herauszuheben wäre unfair“, sagt Prokuristin Ute Lange und denkt auch an das Leichtbauzentrum mit seinen Innovationen für Luftfahrt, Fahrzeugbau, Maschinen- und Anlagenbau und regenerative Energien. Die Tudag als Ganzes sei ein Erfolgsprojekt. Seit 2006 wurde der Konzernumsatz weit mehr als verdoppelt. Nur eine Beteiligung floppte und musste Insolvenz anmelden. Eine andere, Signalion, wurde vom texanischen Global Player National Instruments übernommen. Wer heute die Erfolge des Technologietransfer-Konzerns feiert, erinnert sich an Alfred Post. Ohne den 2005 verstorbenen, langjährigen Kanzler der TU Dresden gäbe es das kleine Imperium nicht, heißt es allenthalben.

„Unsere Firmengruppe ist am Standort Dresden zu einer wesentlichen Größe im Technologietransfer und als Weiterbildungseinrichtung der TU geworden“, sagt Tudag-Vorstand Ulrich Assmann. Sie werde auch im Rahmen der neuen Antragsphase der TU zum Exzellenzstatus eine wichtige Rolle spielen.

In dieser Woche macht ein weiteres Tudag-Kind von sich Reden: das 5G Lab. Die jüngste Konzerntochter ist hierzulande nicht das Forschungszentrum für die nächste Mobilfunkgeneration, sondern auch Mitausrichter eines Branchengipfels am morgigen Donnerstag in Dresden. Rico Radeke, Projektkoordinator im Forschungsverbund 5G Lab Germany, rechnet mit 500 Teilnehmern aus aller Welt.

Es sei ein Erfahrungsaustausch zu einer Schlüsseltechnologie, die nach seiner Auffassung die gesamte Gesellschaft revolutionieren wird: „von Internetsicherheit über Mobilfunk und Steuerung von Industrieanlagen in Echtzeit, Virtualisierung von Hardware bis hin zu autonomen vernetztem Fahren“. Sachsens Mittelstand sei eingeladen (https://www.5gsummit.org/dresden).

Um unter die 100 größten Ost-Unternehmen zu kommen, braucht es gut 200 Millionen Euro Umsatz. Die Tudag hat laut ihrer Website ein anderes Ziel: „Platz 1 beim Technologietransfer in Deutschland.“