Merken

Dresdens Hang zur Hitze

Beton, Asphalt und Pflaster: Viele Stadtteile heizen sich im Sommer schnell auf. In Gorbitz suchen Forscher jetzt nach Abkühlung.

Teilen
Folgen
© Sächsische Zeitung/Veit Hengst

Von Sandro Rahrisch

Ist das noch normal? Vier Sommertage hat Dresden dieses Jahr schon hinter sich. Das heißt: Viermal zeigte das Thermometer bereits 25 Grad und mehr im Schatten. Und das im April. Noch sorgen kühle Nächte für einen angenehmen Schlaf. Doch bald wird die Luft in vielen Stadtteilen auch nach Sonnenuntergang stehen.

Deshalb wollen Wissenschaftler jetzt in Gorbitz herausfinden, wie man sich trotz Hitze wohlfühlen kann. Im Sommer ist es in dem Stadtteil oft bis zu fünf Grad wärmer als in weniger bebauten Gebieten, wie Messungen des Umweltamts zeigen. Das Problem, dass viele Menschen plagt: Tropische Nächte belasten den Kreislauf. Betroffene schaffen es nicht mehr, sich nachts richtig zu erholen. Sie fühlen sich am nächsten Tag schlapp und sind kaum leistungsfähig. Kindern und älteren Menschen droht der Kollaps.

Zu den größten Wärmeinseln gehört die Innere Altstadt beidseits der Wilsdruffer Straße. Auch rund um den Neustädter Bahnhof, den Elbepark sowie in der Friedrichstadt wird geschwitzt. Und in Gorbitz: Mitarbeiter des Umweltweltamts werden in den nächsten Tagen zwischen mehreren unsanierten Hochhäusern an der Höhenpromenade Messgeräte anbringen. Diese zeichnen von Mai bis September sowohl Temperatur als auch Luftfeuchte auf. Mit den Daten wollen sich die Forscher des Leibnitz-Instituts für ökologische Raumentwicklung anschließend ein Bild davon machen, wie stark überwärmt der Stadtteil im Sommer ist. Gemessen wird auch in den Häusern. „Die Effekte von hohen Temperaturen wollen wir quantifizieren, bis in den Wohnraum hinein“, sagt Stadtökologin Janneke Westermann vom Leibnitz-Institut. Sie koordiniert das Projekt „Hitzeresiliente Stadt“, an dem auch die Technische Universität Dresden und die Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden beteiligt sind.

Außerdem befragen die Wissenschaftler die Bewohner, wie sie sich fühlen. Denn wie sich diese durch Hitze betroffen fühlen und das Thema als Problem wahrnehmen, sei bisher kaum bekannt. Zwar war der letzte Sommer wieder überdurchschnittlich warm. Allerdings trägt der Klimawandel nicht allein die Schuld daran, dass sich die Stadt scheinbar immer stärker aufheizt.

So werden freie Flächen bebaut, vor allem im Zentrum. Häuser speichern nicht nur Wärme und geben sie nachts lediglich nach und nach ab. Sie stehen auch Kaltluftbahnen im Weg, die von den Hängen ins Tal führen. Die Folge: Je weiter man in Richtung Innenstadt kommt, desto wärmer wird es. In Gorbitz kommt hinzu, dass einige WBS-70-Blöcke immer noch nicht saniert wurden. Sie sind schlecht gedämmt. Nach wenigen heißen Tagen macht es keinen Unterschied mehr, ob man das Fenster geschlossen hält.

Ab 2019 wird die Eisenbahner Wohnungsbaugenossenschaft damit beginnen, die Häuser an der Höhenpromenade zu sanieren. Im Rahmen des Forschungsprojekts wird sie verschiedene Techniken einbauen, die den Sommer in den Wohnungen erträglich gestalten sollen. Dreifach verglaste Fenster und Außenjalousien sind im Gespräch. Auch Balkone, die herausragen und den Nachbarn eine Etage tiefer Schatten spenden, wären eine Möglichkeit. Experimentiert werden könnte ebenfalls mit mehrschichtigen, belüfteten Fassaden. Derzeit werde geprüft, was alles gemacht wird, so EWG-Vorstand Jürgen Hesse. Sind die Blöcke fertig saniert, wird noch einmal gemessen und befragt.

„Maßnahmen, welche die Hitzebelastung mindern und von den Anwohnern positiv bewertet werden, könnten dann bei zukünftigen Umbauten umgesetzt werden“, sagt Janneke Westermann. In zwei Jahren könnten die Forscher, denen für das Projekt 2,5 Millionen Euro zur Verfügung stehen, dann konkrete Vorschläge machen, wie die Häuser in Innenstädten gebaut werden müssten, damit sich die Mieter darin im Sommer wohlfühlen. „Es geht uns auch darum, zu erkunden, ob Bewohner die einzelnen Maßnahmen überhaupt akzeptieren“, so Westermann. Manche wollen möglicherweise nicht auf Sonne auf ihrem Balkon verzichten.

Die EWG ist gespannt auf die Ergebnisse. „Wir schauen, ob und in welchem Umfang wir die Techniken bei zukünftigen Sanierungen einsetzen können“, sagt Jürgen Hesse.