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Dresdens Handwerker profitieren vom Bauboom

Die Auftragsbücher sind so voll wie lange nicht. Aber des einen Freud ist des anderen Leid.

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© Sven Ellger

Von Juliane Richter

Kräne und Baugerüste gehören seit Monaten fest zu Dresdens Stadtbild. Rund um den Neumarkt werden die letzten Baulücken geschlossen, der Postplatz weiter stark verdichtet. Und auch in den Wohnvierteln wie Striesen oder Pieschen wachsen neue Häuser empor.

Der gefühlte Bauboom manifestiert sich auch in Zahlen. So hat die Handwerkskammer Dresden in ihrer Herbstkonjunkturanalyse 2017 festgestellt, dass 21 Prozent der befragten Baubetriebe im vergangenen Jahr überdurchschnittliche Auftragsbestände verzeichnet haben. „Der Auftragsbestand reicht für über elf Wochen. Die Umsätze liegen auf Rekordniveau“, sagt Sprecherin Carolin Schneider.

Besondere Motoren sind ihr zufolge der Wohnungsbau und der gewerbliche Bau in der Stadt. Insgesamt hat das Bauhauptgewerbe mit 72 Punkten auf dem Geschäftsklima-Index einen Sprung um 23 Punkte innerhalb eines Jahres verzeichnet. Kay Wagner, Geschäftsführer der Dresdner Dachdeckerfirma Wagner, bestätigt die positive Entwicklung für 2017. „Der Boom zeigt sich bei den eingegangenen Aufträgen. Das waren bei uns etwa zehn bis 15 Prozent mehr zum Vorjahr. Das schlägt sich auch im Umsatz nieder“, sagt er. Um die Vielzahl an Aufträgen abarbeiten zu können, hat er drei neue Mitarbeiter einstellen müssen und beschäftigt nun mehr als 20. Als Grund für den Boom vermutet er die niedrigen Zinsen und die damit verbundene Kreditfreudigkeit. Auch das stetige Bevölkerungswachstum Dresdens und die Stadtverdichtung spielen eine Rolle.

Als Innungsobermeister weiß Wagner auch, dass 2017 nahezu alle Dachdecker vom Boom profitiert haben. In den Vorjahren war das trotz wachsender Bautätigkeit nicht immer so. Mit dem neuen Jahr stehe für viele dennoch eine „Saure-Gurken-Zeit“ ins Haus. „Viele Auftraggeber warten bis März wegen des Wetters“, sagt er. Selbige Entwicklung erwartet Frank Nieder von der Gerüstbau Nieder GmbH. Mit dem vergangenen Jahr ist er dennoch zufrieden. Fünf Prozent Umsatzsteigerung zum Vorjahr verzeichnete er 2017. „Im Frühsommer wurden mehr Aufträge angefragt, als wir schaffen konnten.“ In der Regel würde er sich dann für die Stammkunden entscheiden. Einen kritischen Punkt, den auch die Handwerkskammer erwähnt, ist die Mitarbeiterfrage. Mitarbeiter in flauen Zeiten zu entlassen, könne sich Nieder nicht leisten. „Es ist sehr schwierig, adäquaten Ersatz zu finden. Die Handwerker können sich aussuchen, zu welcher Firma sie gehen.“ Sowohl das Bauhauptgewerbe als auch der Ausbau können laut Handwerkskammer Dresden nur einen geringen Anteil an Neueinstellungen aufweisen.

Ähnlich wie den Handwerkern ergeht es derzeit den Architekten. Alf Furkert, Präsident der Architektenkammer Sachsen, sieht auch in der Planungssparte eine sehr hohe Auslastung, Statiker und Haustechniker mit inbegriffen. Während der Boom zwar auf die großen Städte fokussiert ist, gebe es dennoch eine Sogwirkung bis weit in die ländlichen Gebiete. Zwei bis drei Jahre gibt er dem Hoch noch. „Irgendwann ist der Wohnungsbau gesättigt, und auch bei Schulen und Kitas werden wir die Spitze überwinden. Allerdings hat der Freistaat ein dauerhaft hohes Investitionsvolumen“, sagt Furkert.

So positiv sich der Bauboom derzeit auf Architekten und Handwerker auswirkt, hat er doch Schattenseiten für jene, die einen Auftrag vergeben wollen. Gerüstbauer Frank Nieder ist als Privatmann selbst auf Kollegen angewiesen. „Versuchen Sie mal, Handwerker zu kriegen, das ist wirklich nicht einfach.“ Das wurde zuletzt auch bei mehreren öffentlichen Projekten deutlich. So mussten bei dem Anbau einer Sauna an das Georg-Arnhold-Bad Ausschreibungen wiederholt werden, weil die Angebote den marktüblichen Preis deutlich überstiegen haben. Ein vorübergehender Bauverzug entstand, wurde durch die engagierte Firma aber letztendlich wieder wettgemacht.

Ähnliche Probleme gab es beim Dresdner Zoo mit seinem acht Millionen Euro teuren Afrikahaus, das eigentlich schon längst eröffnet sein sollte – nun allerdings erst im Mai übergeben wird. Ein Handwerker erklärt, warum er bei der derzeitigen Auftragslage oft gar nicht mehr auf öffentliche Ausschreibungen reagiert: „Wir investieren einen halben oder ganzen Tag dafür. Wenn die Ausschreibung dann zurückgezogen wird, haben wir Arbeit geleistet, die nicht vergütet wird.“