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Luftschutzkeller ausgegraben

Vor der Altmarktgalerie ändert sich an der Wallstraße das Stadtbild. Archäologen haben vorher reichlich Funde gemacht.

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© Sven Ellger

Von Lars Kühl

Westfälische Cervelat ist im Angebot, genau wie Schabefleisch, Delikateß-Blut- oder I.a Braunschweiger Streichmettwurst, dazu Salat und Schnittlauch. Der Stapel mit den Schildchen ist groß, für jeden Geschmack sollte etwas dabei sein. Einige tragen Pfennigbeträge, andere verweisen darauf, dass es die Lebensmittel ohne Marke gibt. Es sind Überreste aus der Zeit, als am Antonsplatz gegenüber der Westseite der Altmarktgalerie die erste Markthalle der Stadt stand. Von 1891 bis 1893 im Neobarockstil erbaut, wurde in dem lang gestreckten Zweigeschosser zwischen Wall- und Marienstraße verkauft, was der Dresdner so alles benötigte. Vor allem Fleischprodukte und Frischware. Der Handel florierte, wie die zahlreichen Angebots- und Preisschilder aus Kunststoff zeigen.

Neben Geschirr und Besteck wurden auch Eierbecher ausgegraben. Einige Funde waren 1945 zusammengeschmolzen.
Neben Geschirr und Besteck wurden auch Eierbecher ausgegraben. Einige Funde waren 1945 zusammengeschmolzen. © Sven Ellger
Viele Preisschilder aus Kunststoff haben die Archäologen geborgen. Beworben wurden vor allem Lebensmittel.
Viele Preisschilder aus Kunststoff haben die Archäologen geborgen. Beworben wurden vor allem Lebensmittel. © Sven Ellger
In der Halle herrschte reges Markttreiben, wie diese Postkarte um 1910 zeigt. Fotos: ,
In der Halle herrschte reges Markttreiben, wie diese Postkarte um 1910 zeigt. Fotos: , © Sammlung Holger Naumann
Grabungsleiterin Nicole Eichhorn zeigt einen der drei Köpfe, die gefunden wurden. Die Sandsteinfassade von Antons Markthalle war reich mit Figuren und Ornamentik verziert.
Grabungsleiterin Nicole Eichhorn zeigt einen der drei Köpfe, die gefunden wurden. Die Sandsteinfassade von Antons Markthalle war reich mit Figuren und Ornamentik verziert. © Sammlung Holger Naumann

Seit Oktober hat ein dreiköpfiges Team unter der Leitung von Nicole Eichhorn im Auftrag des sächsischen Landesamtes für Archäologie eine rund 2 200 Quadratmeter große Fläche an der Wallstraße umgegraben. Am Freitag beendete es seine Arbeit. Unter den Funden waren auch drei Sandstein-Köpfe. Sie gehörten zur üppigen Fassade, die Antons Markthalle schmückte.

Geht es nach Berndt Dietze, wird einer der Köpfe im künftigen Neubau zu sehen sein. Der Geschäftsführer der Baywobau Dresden, die unter anderem gerade am Neumarkt an der Schloßstraße hinter dem Kulturpalast zu bauen beginnt, will ihn als Zeitzeugnis und „Kunst am Bau“ integrieren. Versehen mit der Erklärung könnte eine Tafel auch auf die Festungsmauer aus dem 16. Jahrhundert verweisen, die die Archäologen erwartungsgemäß unter der Markthalle freigelegt haben. „Wir werden die Mauer nicht zerstören“, sagt Dietze. Aber eben auch nicht zugänglich machen.

Neuer Stadtteil soll entstehen

Nachdem die Grube wieder zum Teil zugeschüttet ist, lässt die Baywobau ab Frühjahr kommenden Jahres für 37 Millionen Euro zusammen mit der Tochter des tschechischen Unternehmens CTR, das gerade die „Residenz“ gegenüber vom Zwinger fertiggestellt hat, ein Haus mit 17 Wohnungen und Läden im Erdgeschoss errichten. Einen endgültigen Namen dafür gibt es noch nicht.

Fest steht aber, dass das Gebäude modern aussehen wird. In einem weiteren Schritt wird dann die Lücke zum bereits vollendeten Objekt Merkur I an der Nordseite geschlossen. Dort sollen 157 Wohnungen gebaut werden. Zusammen mit dem „Haus am Postplatz“, das der Investor Fay Projects als südlichen Abschluss demnächst hochzieht, wird sich das Erscheinungsbild zwischen Marien- und Wallstraße komplett wandeln. Dietze spricht sogar davon, dass ein neuer Stadtteil entsteht, „als Pendant zur Prager Straße“.

Vorher wird als eine der letzten größeren Ausgrabungen in der Innenstadt das Baufeld neben Merkur I, das noch ein Parkplatz ist, von Archäologen untersucht. Die werden dort ein weiteres Stück des früheren Festungsringes finden. Und die andere Seite von Antons Markthalle. Zumindest, was noch davon übrig ist. Aktuell sind es vor allem Kellerwände. Dazu neben den Preisschildern etwas Geschirr, wie jede Menge Besteck, oder Geldstücke. Ansonsten kamen „allerhand Kriegsschutt“, zusammengeschmolzene Flaschen und Waagengewichte zum Vorschein, sagt Grabungsleiterin Nicole Eichhorn. Denn auch die Markthalle wurde 1945 bombardiert. Zwar blieb die Nordfassade gut erhalten. Doch 1951 wurde beschlossen, die Ruine abzureißen. Auf der freien Fläche fanden später Märkte im Freien statt.

Unter der Erde entdeckten die Archäologen an der Ostseite des Baufeldes einen der größten Luftschutzkeller Dresdens. Freigelegt wurden 50 bis 60 Meter, wie lang er wirklich ist, können sie nur ahnen. Sprecher Christoph Heiermann geht davon aus, dass der Bunker öffentlich war. Die alten Lagerräume der Markthalle wurden dafür umgebaut. Es gab sogar ein Belüftungssystem. Die Verhaltensanweisungen hingen zum Teil bis jetzt an den freigelegten Wandresten. Noch heute lassen sie einen beim Lesen erschauern.