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Dresden und Görlitz noch weit entfernt von Vollbeschäftigung

Die CDU zieht mit einem Versprechen in den Wahlkampf. Radeberg kann es erfüllen.

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© kostas koufogiorgos/tooonpool.co

Von Georg Moeritz

Dresden. Vollbeschäftigung in acht Jahren – ist das zu schaffen? Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagt es so: „Wir glauben, dass wir das können.“ Die Union hat sich mit ihrem Wahlprogramm das Ziel gesetzt, im Jahr 2025 Vollbeschäftigung zu haben. Derzeit sind in Sachsen 135 729 Menschen offiziell arbeitslos, außerdem rund 54 000 in „Maßnahmen“ wie Ein-Euro-Job oder Umschulung. Nicht alle werden Arbeit bekommen, doch das ist mit dem Begriff Vollbeschäftigung auch nicht gemeint.

Was gilt überhaupt als Vollbeschäftigung?

Es wird immer Menschen geben, die gerade keine Arbeit haben – und sei es nur für einige Monate, weil sie gerade die Stelle wechseln oder sich etwas Zeit zum Suchen lassen wollen. Daher ist eine Arbeitslosenquote von null Prozent wohl nicht zu erreichen. Ökonomen sprechen daher schon von Vollbeschäftigung, wenn etwa drei Prozent der Menschen im arbeitsfähigen Alter keine Arbeit haben. In Sachsen sind es mit Stand vom Juni 6,4 Prozent, der Anteil ist also mehr als doppelt so hoch.

Ist diese Vollbeschäftigung in Deutschland zu erreichen?

Ja, jedenfalls im Durchschnitt. Bis 2025 ist das allerdings „sicherlich ambitioniert“, sagt Enzo Weber, Ökonom am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit. Er hat ausgerechnet: Wenn jeden Monat ein Rückgang der Arbeitslosigkeit um 10 000 Personen gelänge, wäre Vollbeschäftigung um 2030 herum erreicht. Derzeit sind in Deutschland 2,473 Millionen Menschen offiziell arbeitslos – eine Quote von 5,5 Prozent.

Wo lässt sich das Versprechen am schnellsten erreichen?

Zum Beispiel rund um die Audi-Zentrale: In der bayerischen Großstadt Ingolstadt liegt die Arbeitslosenquote bei zwei Prozent, im nahen Landkreis Eichstätt bei 1,3 Prozent. Doch auch in Sachsen gibt es Gebiete, in denen Vollbeschäftigung rein rechnerisch nicht weit entfernt ist. Die Radeberger Geschäftsstelle der Arbeitsagentur meldet für Juni 3,8 Prozent Arbeitslosenquote. Kaum schlechter steht Dippoldiswalde mit vier Prozent da. Klingenthal im Vogtland meldet 4,1 Prozent, Radebeul 4,5. Der Ökonom Joachim Ragnitz vom Ifo-Institut in Dresden hat schon einmal Vollbeschäftigung für 2020 vorausgesagt. Voriges Jahr wollte er diese Prognose nicht wiederholen, weil er für Flüchtlinge wenige Arbeitsplätze sah. Doch viele verließen Sachsen wieder.

Und wo wird es besonders schwierig?

Zum Beispiel in Görlitz und in vielen Großstädten. 12,1 Prozent, das ist die Arbeitslosenquote in Görlitz. Die Zahl steht für 4 037 Menschen, die dort arbeitslos gemeldet sind. Dort gab es auch die geringste Besserung im Vergleich zum vorigen Jahr: Während die Zahl der Arbeitslosen im Raum Kamenz innerhalb eines Jahres um fast 15 Prozent gesunken ist, lag der Rückgang in Görlitz nur bei 2,6 Prozent. Künftig droht Stellenabbau im Waggonbauwerk. Über acht Prozent liegt die Arbeitslosenquote auch in Weißwasser, Hoyerswerda und Zittau. Leipzig ist mit 7,7 Prozent ebenfalls weit entfernt von Vollbeschäftigung. Dresden liegt mit 6,5 Prozent im sächsischen Durchschnitt – doch in der Landeshauptstadt sind fast 19 000 Menschen arbeitslos gemeldet, in Leipzig 23 000. Für langzeitarbeitslose oder schwerbehinderte Menschen ist Arbeit weiter schwer zu finden.

Weshalb sind die Unterschiede noch immer so groß?

Wer im Dresdner Umland wohnt, profitiert entweder als Pendler vom Arbeitsangebot der Landeshauptstadt oder arbeitet in einem eher kleinen Unternehmen, das seine Beschäftigten möglichst halten möchte – und vielleicht auch ihre Verwandten unterbringt. In größeren Städten ist die Arbeitslosigkeit häufig etwas höher, weil Jugendliche und Universitätsabsolventen nicht gleich jeden Job annehmen. Manche Orte bleiben jahrelang geprägt vom Niedergang einer Branche. In Gelsenkirchen im Ruhrgebiet beträgt die Arbeitslosenquote jetzt 14 Prozent. (mit dpa)