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Dresden testet moderne Rattenfallen

Die Kanalbetriebsarbeiter der Stadtentwässerung kämpfen unermüdlich gegen die intelligenten Nager. Den ersten Erfolg gibt es im Kanal am Kulturpalast. Doch noch funktioniert die Technik nicht perfekt.

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© Sven Ellger

Von Peter Hilbert

Micha Gubisch und Konstantin Tschulik stehen auf dem Barbarossaplatz, wuchten mit ihrem stählernen Haken eine Holzbohle nach der anderen empor. Die Kanalbetriebsarbeiter der Stadtentwässerung machen den Weg frei für Sebastian Härtel, der sogleich über Treppen in die Striesener Unterwelt hinabsteigt. Der 27-jährige Vorarbeiter ist wieder auf der Spur der Ratten. Bei der Jagd nach den intelligenten Nagern geht die Stadtentwässerung einen ganz neuen Weg und setzt moderne Technik ein. Getestet werden drei Schutzboxen mit Ködern zur Rattenjagd. Die sind in Kanälen an der Bienert- und der Schloßstraße sowie am Barbarossaplatz installiert.

Probleme gibt es aber mit dem Mobilteil
Probleme gibt es aber mit dem Mobilteil © Sven Ellger

Härtel hat sein Ziel im fast mannshohen Kanal erreicht. Im Schein der Taschenlampe schraubt er mit einer kurzen Drehung den Deckel von der Box und begutachtet den Giftköder. „Hier ist noch nichts passiert“, sagt er. Die Ratten haben nicht so richtig angebissen. In zehn Tagen kommt der Vorarbeiter wieder vorbei.

Diese Jagd ist dringend nötig. Zwischen eineinhalb und zwei Millionen Ratten leben in Dresden, schätzt Kanalnetzmeister Frank Lieber. Das sind statistisch gesehen drei bis vier pro Bürger. Eine Rattenplage ist das aber noch nicht. Wird jedoch nichts zur Bekämpfung der Nager getan, könne deren Zahl schnell das Zehnfache der Bevölkerung erreichen.

Bis 2015 waren jährlich Tausende giftige Rattenriegel an Drähten in den Kanalschächten befestigt worden. So konnten viele Ratten getötet werden. Deren Kadaver spült das Abwasser bis zum Klärwerk, wo sie an den Rechen am Zufluss hängenbleiben. Doch bei starkem Regen oder vollen Kanälen kommen Giftköder ins Abwasser. Eine neue EU-Verordnung will diese Praxis jedoch einschränken. Denn das Rattengift soll nicht mehr ins Abwasser gelangen.

Deshalb testet die Stadtentwässerung seit November vergangenen Jahres die modernen, flutsicheren Köderboxen der Nürnberger Firma ball-b. Von unten gelangen die Ratten gut in die Box und an den Köder. „Steigt der Wasserspiegel im Kanal, wird die Öffnung aber automatisch verschlossen“, nennt Lieber den Vorteil.

Die Box funktioniert wie folgt. Zum Auftakt wird ein ungiftiger Anlockköder eingesetzt. Entdeckt eine Ratte das Futter, benachrichtigt sie ihre Artgenossen. Ein Sensor in der Box registriert elektronisch die Bewegungen. „Bei 200 bis 250 Bewegungen gibt es etwa 100 Ratten“, berichtet der Abwassermeister aus Erfahrung. Dann wird der Giftköder eingesetzt. Erfasst der Sensor später fast keine Bewegung mehr, war die Jagd erfolgreich, sind viele Ratten im Radius von 500 Metern getötet. Mit der Box an der Schloßstraße ist das gelungen.

Eigentlich sollen diese Daten mit einem Mobilteil per Fernübertragung ausgelesen werden, sodass Vorarbeiter Härtel oder seine Kollegen nicht in den Kanal steigen müssen. Aber genau dort liegt die Tücke der neuen Technik. Anfangs funktionierte das noch. Die Batterien in der Box sollen ein halbes Jahr halten. „Nach wenigen Wochen waren die Akkus jedoch leer“, erzählt Lieber. Außerdem sollte sich die Elektronik nachts automatisch abschalten. Auch das ging nicht. So ist für die Rattenjäger wieder deutlich mehr Arbeit angesagt. Denn ohne funktionierende Elektronik müssen sie wie Vorarbeiter Härtel jedes Mal in den Kanal hinabsteigen und die Köder prüfen.

Dennoch will die Stadtentwässerung den Test fortsetzen. „Das System gefällt uns gut“, sagt Lieber. So könnten erhebliche Kosten für herkömmliche Rattenköder eingespart werden. Bisher musste das Unternehmen dafür jährlich rund 60 000 Euro ausgeben. Würden die Boxen funktionieren, wären für viel weniger alte Giftköder nur noch etwa 10 000 Euro im Jahr nötig. Außerdem könnten durch den geringeren Aufwand erhebliche Personalkosten gespart werden.

„Wir haben großes Interesse, dass unsere Technik zu 100 Prozent funktioniert“, sagt der Nürnberger Geschäftsführer Jürgen Buchstaller, dessen Firma die Box herstellt. „Es war ein Problem, dass zu viel Energie verbraucht wurde“, räumt er ein. Außerdem musste an der Software der Box etwas verändert werden. Schließlich vertreibe er diese Technik auch weltweit bis hin in die USA und Australien. Da muss alles stimmen. „Wir sind aber sehr zuversichtlich, dass wir alles hinbekommen.“

Das hofft auch Abwassermeister Lieber. Bis Juni werden die Köderboxen noch getestet. Funktioniert alles, könnte er sich vorstellen, in Dresden etwa zehn Stück einzusetzen. Das würde dann vor allem in Dresdner Stadtteilen geschehen, wo es viele Ratten gibt. Entweder rufen viele Dresdner Bürger an und weisen darauf hin oder bei einer Kanal-Inspektion mit der Kamera werden zahlreiche Nager entdeckt. An anderen Stellen sollen nach wie vor herkömmliche Giftköder ausgelegt werden. Sonst müssten fürs Dresdner Kanalnetz 1 000 Boxen angeschafft werden. „Das werden wir aber nicht tun“, sagt Lieber.