SZ +
Merken

Dresden passt

Niklas Kreuzer hat ein Problem: Der Dynamo-Profi wird an seinem berühmten Vater gemessen. Das will er nun ändern.

Teilen
Folgen
NEU!
© Mike Worbs

Von Sven Geisler

Ein Gespräch im Hause Kreuzer: „Du, Papa, das könnte etwas werden“, meint Niklas. Der Junge hat nach seinem Probetraining beim Hamburger SV im Frühjahr 2013 ein gutes Gefühl. Es würde nicht sofort für die Profi-Mannschaft reichen, aber er könnte an der Bundesliga schnuppern. Doch überraschenderweise klopft ihm Vater Oliver nicht begeistert auf die Schulter, sondern meint trocken: „Nee, das machen wir nicht. Ich bin nächste Woche dort.“

Niklas Kreuzer steht zwar fürs Foto am Dresdner Mozartbrunnen, musikalisch bevorzugt er aber R&B und Black Hip-Hop.
Niklas Kreuzer steht zwar fürs Foto am Dresdner Mozartbrunnen, musikalisch bevorzugt er aber R&B und Black Hip-Hop. © Robert Michael

Während Oliver Kreuzer wenig später seinen neuen Job als Sportdirektor beim HSV antritt, den er inzwischen schon wieder los ist, muss sich der Sohn einen anderen Verein suchen. Die beiden haben zwar persönlich einen engen Draht, telefonieren täglich, aber sportlich gehen sie getrennte Wege. „Das war für uns immer klar“, sagt Niklas, der den Vergleichen mit seinem Vater am liebsten ausweichen würde. Oliver Kreuzer spielte für den Karlsruher SC und Bayern München knapp 300-mal in der Bundesliga, bevor er 1997 zum FC Basel in die Schweiz wechselte.

„Privat hat es nur Vorteile, weil er alles schon erlebt hat, mir seine Erfahrungen weitergeben kann, wie man gewisse Situationen löst“, meint Niklas Kreuzer. Aber was die öffentliche Wahrnehmung betrifft, wünscht sich der 21-Jährige, „einfach zu sagen: Ich bin ich!“ Er hat gespürt, dass die Erwartungen an ihn wegen seines bekannten Namens größer sind. „Hier zum Glück nicht“, fügt er sofort hinzu.

Aufgewachsen mit Schwizerdütsch

In Dresden ist für Kreuzer junior sowieso alles anders, und der Dialekt dabei die kleinste Hürde. „Ich bin mit vier Jahren in die Schweiz gegangen, also mit dem Schwizerdütsch aufgewachsen. Aber zu Hause wurde schon noch Hochdeutsch gesprochen.“ Wenn Bayerisch als solches durchgeht. Beim FC Ettingen begann der kleine Niklas mit dem Kicken. „Mein erstes Paar Schuhe waren sicher keine Fußballschuhe“, erzählt er lachend. „Na klar bin ich im Stadion gewesen, habe als kleiner Junge dem Papa beim Training zugeguckt und hatte dort auch mal einen Ball am Fuß. Das hat mir großen Spaß gemacht.“

Deshalb wollte er noch ein bisschen bei seinem Dorfverein bleiben, wechselte erst mit 13 zum Spitzenklub FC Basel. „Wir hatten fußballerisch eine gute Ausbildung“, erzählt Kreuzer, „aber mental, physisch und kämpferisch ist das in Deutschland noch mal eine andere Nummer.“ Er schmunzelt in sich hinein, bevor er den Niveauunterschied beschreibt. „Wenn ich in der zweiten Mannschaft gespielt habe, kam es vor, dass der Innenverteidiger beim Gegner einen Bierbauch hatte und du eben mal 8:0 gewinnst. “

Nachdem er zugunsten seines Vaters auf den HSV verzichtet hatte, ging Niklas Kreuzer nach Erfurt und zum ersten Mal von zu Hause und Mutter Sibylle weg. Er freut sich auf die sturmfreie Bude, merkt aber schnell, dass in der neuen Freiheit einige Annehmlichkeiten fehlen. „Mit dem Kochen habe ich keine große Mühe“, erklärt er, „aber wenn du heimkommst, und da liegt immer noch die dreckige Wäsche, denkst du: Das mache ich morgen. Und dann übermorgen …“ Der Berg wächst.

„Inzwischen“, und das sagt er stolz, „bin ich der perfekte Hausmann.“ Seine Freundin wird’s freuen, aber weil er die Richtige bisher nicht gefunden hat, wohnt er allein in Stadionnähe. Einsam ist er trotzdem nicht. Gemeinsam mit anderen Dynamo-Spielern erkundet er die Stadt, auch wenn sie selbstredend „nicht zur Kategorie gehören, die jeden Abend feiern gehen“, wie Niklas Kreuzer betont. „Die Neustadt haben wir uns auch angeschaut, was ein bisschen ein abgefahreneres Viertel ist mit den vielen Kneipen. Dresden hat viele schöne Seiten. Das passt schon.“

Vor allem sportlich. Nach einem Jahr in Erfurt stellte er sich die Frage: Was hast du eigentlich gelernt? Der Rechtsverteidiger hatte sich zwar einen Stammplatz erarbeitet, aber nicht das Gefühl, fußballerisch vorangekommen zu sein. Die Anfrage von Dynamos Sportdirektor Ralf Minge kam ihm deshalb gerade recht; die Tatsache, dass mit Stefan Böger sein früherer Coach in der deutschen Jugendauswahl Trainer wird, war ein weiteres Argument. Kreuzers erster Eindruck hat sich verfestigt: „Es herrscht ein Riesenhype um den Verein.“

In den ersten sechs Spielen wurde er nur dreimal eingewechselt, aber zuletzt stand er dreimal volle 90 Minuten auf dem Platz. In Großaspach schaute Papa zu und meint danach: Wenn Dynamo so weitermache, sei der Aufstieg in die zweite Liga drin. Der Sohn kommentiert die überschwängliche Prognose gelassen. „Er hat uns vorher nur gegen Schalke live gesehen, was ein überragendes Spiel war. Bei so einer Leistung fragt sich der neutrale Zuschauer: Was machen die in der 3. Liga?“

Aber so gut es bisher auch laufe, vom Aufstieg zu reden, sei übertrieben. „Es wird sich erst auf Dauer zeigen, ob die Qualität reicht“, erklärt Niklas Kreuzer. Das gilt auch für ihn. Er sei nicht nach Dresden gekommen, um sich der Mannschaft anzuschließen und zu schauen, wie es sich entwickelt. „Mein Ziel ist es, in der ersten Elf zu stehen.“ Wenn das klappt, wäre das ein entscheidender Schritt, um aus den großen Fußstapfen seines Vaters zu treten. Wie das geht, verrät ihm Benjamin Kirsten, Sohn von Dynamo-Legende Ulf Kirsten. „Benny sagt mir: Wenn du dein Ding machst, wird es sich immer mehr um dich drehen.“