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Mit Kufen über den Dynamo-Rasen

Eiszeit im Stadion: Schlittschuhläufer gaben auf dem Spielfeld am Sonntag den Ton an.

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© Sven Ellger

Von Sandro Rahrisch

Eine neun Zentimeter dicke Eisschicht lastet auf dem Rasen im Dynamostadion. Grashalme sind dort, wo die Dresdner Fußballer noch kurz vor Weihnachten gekickt haben, nicht mehr zu sehen. Über schwarze Gummimatten stakst André Kolmschlag am Sonntagvormittag auf die Rutschbahn. Dicht an dicht drehen da schon etwa 100 Schlittschuhläufer ihre Runden, eher im Schritttempo als mit der Geschwindigkeit eines Hockeyspielers. Dass er 150 000 Liter gefrorenes Wasser unter den Füßen haben würde, wenn er selbst einmal den Rasen betreten darf, hatte sich der Fußball-Fan so auch nicht vorgestellt.

Eislaufen im Stadion

Zahlreiche Dresdner nutzten am Sonntag die Gelegenheit, einmal im Stadion auf Kufen unterwegs zu sein.
Zahlreiche Dresdner nutzten am Sonntag die Gelegenheit, einmal im Stadion auf Kufen unterwegs zu sein.

Eismeister Gottfried Strauss prüft kritisch die 1500 Quadratmeter große Oberfläche, bevor die ersten Gäste des „Drewag On Ice“-Tags ins Stadion gelassen werden. In den letzten Stunden ist die Eisschicht mit heißem Wasser wieder auf die richtige Höhe gebracht und plangehobelt worden. Zu groß ist der Abrieb gewesen, nachdem die Dresdner Eislöwen am Samstagabend unter freiem Himmel gegen die Lausitzer Füchse gespielt haben, sagt er. Über dicke Schläuche wird ein Glycol-Wasser-Gemisch erst durch zwei Kältemaschinen und dann unter die Eisbahn gepumpt. So wird das Wasser auf minus zehn Grad heruntergekühlt. „Der Frost in der Nacht war trotzdem ganz hilfreich, da wir so weniger Energie verbrauchen.“ Das Eis ist seit Silvester Schicht für Schicht aufgetragen worden, vier Tage hat das gedauert.

Vor der Schlittschuh-Ausleihstation hat sich in der Zwischenzeit eine gut 50 Meter lange Schlange gebildet. „Aus der Energieverbund Arena haben wir 160 Paar Schlittschuhe mitgebracht“, sagt Drewag-Organisatorin Heike Menzer. Wie auch in Bowlingbahnen bekommen die Mitarbeiter dort einen ziemlich genauen Eindruck, welche Durchschnittsschuhgröße der Dresdner hat. Die meisten Männer leihen sich die 42 aus, bei den Frauen ist die 38 am gefragtesten. Menzer und ihr Team sind seit dem Morgen im Stress, um den Eislauf-Tag vorzubereiten. „Nach dem Spiel konnten wir erst am Morgen ins Stadion“, sagt sie. Über Nacht hatte sich an den Plexiglasscheiben an der Eisbahn-Bande eine dicke Frostschicht gebildet. Eifrig kratzten und wischten die Helfer, während vor den Stadion-Toren schon die Besucher warteten. Auch das Rote Kreuz ist mit Sanitätern vor Ort. „Kleine Blessuren gibt es beim Eislaufen immer mal“, sagt Menzer.

André Kolmschlag hat sich mit Frau und Kind als einer der Ersten aufs Eis getraut. „Das ist schon einzigartig, vor den Tribünen Schlittschuh zu laufen“, sagt er.Auf den Seen rund um Dresden habe es dieses Jahr noch keine Möglichkeit gegeben, auf Kufen über das Wasser zu gleiten, sagt André Kolmschlag. Ohnehin mache es auf künstlichen Eisbahnen mehr Spaß, da das Eis auf Teichen und Seen meistens nicht glatt genug ist. Auch für Eis-Profi Gottfried Strauss ist die Stadion-Bahn etwas ganz Besonderes. „Ich habe schon Eisflächen am Goldenen Reiter, im Kempinski-Hotel und auf dem Altmarkt aufgebaut“, sagt der Österreicher. „Das hier mache ich jedoch auch nicht alle Tage.“

Nach fünf Stunden ist das Wintersport-Intermezzo auf dem Fußballrasen schon vorbei. „Jetzt läuft alles umgekehrt ab“, sagt Strauss. Die Flüssigkeit in den Rohren und Schläuchen wird nicht mehr gekühlt, sondern erhitzt, damit die Eisbahn abtaut. Das Wasser saugen die Tiroler Spezialisten ab. Zehn Sattelzüge sind nötig, um das Hockey-Spielfeld wieder aus dem Stadion zu bekommen. Immerhin sind Rohre auf einer Länge von 90 Kilometern verlegt worden, unter dem Eis liegen 300 Kubikmeter Sand. „Die Technik transportieren wir jetzt nach Österreich, reinigen und pflegen sie, um sie gleich im Anschluss zu den Junioren-Eiskunftlaufmeisterschaften nach Budapest zu bringen.“ André Kolmschlag ist demnächst wieder im Dynamostadion zu Gast, dann als Zuschauer, mit Blick auf einen Rasen und einen Fußball.