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„Dresden kann sich Schulden leisten“

Für den Linksfraktionschef ist das Streichen von Großprojekten gefährlicher als vernünftige Kredite.

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Obwohl Dresden 282 Millionen Euro fehlen, will der Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann (CDU) Kredite als Ausweg verhindern. Er warnte im SZ-Interview vor einem Dammbruch beim Verschuldungsverbot und nannte Kredite zulasten der nächsten Generation „pervers“. Dresdens Linksfraktionschef im Stadtrat, André Schollbach, sieht in diesem „Dogma“ die größere Gefahr für Dresden.

Herr Schollbach, der Finanzbürgermeister fordert vom Stadtrat Vorschläge, welche Großprojekte verschoben oder gestrichen werden sollen, damit das Geld reicht. Was schlagen Sie ihm vor?Wir werden ihm nichts vorschlagen. Dresden muss keines der beschlossenen Projekte verschieben oder gar streichen.

Wo nehmen Sie die 282 Millionen Euro her, die bis 2017 fehlen?Dafür schlage ich vier Finanzierungssäulen vor. Zuerst gilt für mich das Verursacherprinzip. Die CDU-Landesregierung hat die Kommunen zum Schließen von Schulen gezwungen und sich gleichzeitig aus ihrer Verantwortung für Sanierung verabschiedet. 20 Jahre verfehlte Bildungspolitik haben die unzumutbaren Zustände in vielen Schulen verursacht. Das Land muss hier von den Kommunen in die Pflicht genommen werden.

Ihr Einfluss auf die Landespolitik ist eher begrenzt...Hier bin ich mir mit dem Finanzbürgermeister komplett einig: Die CDU auf Landesebene muss sich fragen lassen, ob sie überhaupt noch wählbar ist, wenn sie die Verantwortung für die Schulmisere weiter ablehnt.

Trotzdem: Mit diesem Geld können Sie nun wahrlich nicht rechnen. Aber sie sprachen ja auch von vier Säulen.Richtig. Die zweite Säule ist die Beteiligung der städtischen Unternehmen an der Finanzierung. Die Technischen Werke Dresden (TWD), zu denen die Drewag und die Verkehrsbetriebe gehören, haben inzwischen über 170 Millionen Euro in die Rücklage gepackt. Und zwar, nachdem Sie 40 Millionen aus den Gewinnen zum Ausgleich der DVB-Verluste bereitgestellt und auch die Kreditraten zum Rückkauf der Drewag bedient haben. Das ist städtisches Geld, was zu einem ordentlichen Teil, beispielsweise für das Kulturkraftwerk, verwendet werden kann. Die TWD soll nicht überfordert werden, aber sie muss auch kein Geld auf Konten horten.

Das reicht auch noch nicht. Was ist Vorschlag Nummer drei?Als Drittes geht es darum, dass endlich mit der Verschwendung Schluss gemacht wird. Wir leisten uns hier die teuerste Elbbrücke Deutschlands, die jedes Jahr einen Millionenbetrag im Unterhalt verschlingen wird und für deren Mehrkosten allein schon etliche Schulen hätten gebaut werden können. Wir sanieren nach wenigen Jahren eine nagelneue Eishalle für einen Millionenbetrag wegen Baupfuschs. Diese Verschwendungspolitik können wir an anderer Stelle noch verhindern. So müssen Königsbrücker und Bautzner Straße nicht vierspurig gebaut werden, hier können wir sparen. Auch die Millionen-Mehrkosten, die die FDP der Stadt mit der Sperrung der Albertbrücke für Straßenbahnen während der Sanierung bescheren will, können wir noch abwenden.

Wenn ich all das so überschlage, reicht das Geld aber noch immer bei Weitem nicht.Das Wichtigste für uns in der Linkspartei ist, dass wir endlich zu einem vernünftigen Wirtschaften übergehen. Jeder private Häuslebauer und jedes Unternehmen finanzieren Großprojekte, die sich nachhaltig auszahlen und lange Wirkung entfalten, mit Krediten. Geld gibt es am Kapitalmarkt derzeit so günstig wie lange nicht mehr. Deshalb muss das Dresdner Dogma des Verschuldungsverbots ein Ende haben.

Sie wollen also wieder Schulden machen. Aber Dresden hat ja Geld für Investitionen. Nur nicht für alle auf einmal. Was ist so unvernünftig daran, nur das Geld auszugeben, was man hat und die restlichen Wünsche zu verschieben, bis man sie bezahlen kann? Jeder gute Häuslebauer verzichtet auf den Pool im Garten und baut ihn erst, wenn Geld da ist.Das ist die kurzsichtige Argumentation des Finanzbürgermeisters. Aber es geht hier nicht um verschiebbare Wünsche. Es geht um elementare Pflichtaufgaben der Stadt. Ich halte es für verantwortungslos, Schüler in unzumutbaren Gebäuden und in überfüllten Klassen mit zu wenigen Lehrern oder immer öfter gar nicht zu unterrichten. Ich erinnere an die CDU-Argumentation beim Woba-Verkauf. Da hieß es, die Wohnungen müssten verkauft werden, weil man dann die Schulen sanieren, die Kulturprojekte bauen und die Sportstätten retten kann. Heute ist die Situation der Schulgebäude noch genauso schlimm, die Kulturprojekte werden mal wieder infrage gestellt und Sportstätten wie die marode Schwimmhalle an der Freiberger Straße will Herr Vorjohann auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben. Wer jetzt das Kulturkraftwerk zur Disposition stellt, stellt damit die Zukunft von Operette und Theater Junge Generation infrage. Im Übrigen: Schuldenfreiheit ist kein Wert an sich. Rumänien ist unter Ceaucescu Ende der 80er Jahre auch schuldenfrei geworden, indem man alles verscherbelt und nichts investiert hat. Die Ergebnisse sind bekannt.

Herr Vorjohann befürchtet, dass Politiker eben nicht verantwortungsvoll mit Krediten umgehen. Warum sollte das ausgerechnet jetzt anders laufen?Um das klarzustellen: Wir wollen keine Kredite aufnehmen, um das Geld zu verfrühstücken und laufende Kosten daraus finanzieren. Es geht darum, Schulen, Sport- und Kulturbauten zu bauen. Das sind Investitionen, die sich für Dresden langfristig auszahlen. Die fehlenden 282 Millionen Euro verteilen sich über mindestens fünf Jahre. Angesichts der Wirtschaftskraft der Stadt geht es also um überschaubare Kredite. Die ist sehr gut. Dresden kann sich Schulden leisten.

Aber refinanzieren werden die Schulen und Kulturbauten die Kredite nicht.Doch. Es fehlen heute schon Fachkräfte. Bildung und Kultur sind unsere stärksten Standortvorteile. Dresden ist eine Stadt der Wissenschaft und der Kultur. Die Fachkräftesicherung fängt in der Kita an und Lebensqualität gehört dazu, um Arbeitskräfte hier zu halten und so Firmen anzulocken. Das steigert Steuereinnahmen. Gegen die Angst des unverantwortlichen Umgangs mit Krediten, könnte man diese auf eine Wahlperiode beschränken. Am Anfang der fünf Jahre verständigt der Stadtrat sich auf die Höhe und die Projekte, die finanziert werden sollen und bis zum Ende müssen sie abbezahlt sein.

Gespräch: Denni Klein