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Dresden ist im Schwanenfieber

Am Wochenende endet der Schlüpf-Marathon am Neuen Teich. Drei Jungschwäne müssen noch ihre Eierschale sprengen.

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© Steffen Unger

Von Tobias Wolf

Unsicher tapsen die vier kleinen grauen Vögel auf dem Nest umher. Der Reihe nach plumpsen die flauschigen Schwanenküken ins Wasser des Kanals am Neuen Teich im Großen Garten. Die Kleinen drehen ihre ersten Runden, vornweg Papa Schwan, während die Mutter ermattet im Nest zurückbleibt. Es ist ein großer Auftritt für die junge Vogelfamilie. Denn etwa 40 Augenpaare verfolgen die Küken. Längst ist der Brutplatz zur Attraktion für viele Dresdner geworden.

Dicht gedrängt stehen die Zuschauer am Freitag auf der Brücke über dem Teichzufluss, recken Kameras und Mobiltelefone in die Luft, um ein Bild von den kleinen Schwänen zu ergattern. Raf Wittig aus Strehlen hat sogar seine große Spiegelreflexkamera dabei. „Die schleppe ich jeden Tag mit, seit die Schwäne hier brüten“, sagt der 52-Jährige. „Ich finde es erstaunlich, dass den Tieren der krasse Verkehrslärm auf der Stübelallee nichts ausmacht.“ Zweimal am Tag ist der Strehlener am Nest. Immer wenn er morgens zur Arbeit radelt und auf dem Heimweg. Er ist nicht der Einzige. Die Schwanenfamilie hat inzwischen eine riesige Fangemeinde quer durch alle Altersklassen. Schulklassen und Kindergartengruppen pilgern an den Neuen Teich, um das Naturerlebnis mitten in der Stadt zu erleben.

Nicole Wiedmann ist regelmäßig mit ihrer sechsjährigen Tochter Fenja vor Ort. „Wir haben das Nest das erste Mal von der Straßenbahn aus gesehen“, sagt die 43-Jährige. „Seitdem kommen wir mit dem Rad, um zu gucken, wie weit sie sind.“ Ihre Tochter frage immer, woran denn Weibchen und Männchen zu erkennen sein. Das hat Schwanenbetreuer Thomas Eißer der kleinen Fenja inzwischen erklärt. Der 47-Jährige Krankenkassenmitarbeiter ist ehrenamtlich für die Deutsche Beringungszentrale Hiddensee tätig und betreut insgesamt 30 Brutpaare in und um Dresden. Fenja scheint dem Fachmann gern zuzuhören. „Ich finde es total cool, dass so viele Schwäne zur Welt kommen“, sagt das aufgeweckte Mädchen.

Inzwischen hat sich eine Entenfamilie dem Nest genähert. Unbekümmert suchen die ebenfalls frisch geschlüpften Küken neben der Schwanenresidenz nach Futter. Aber nicht lange. Mit hektischen Halsbewegungen verteidigt die Schwanendame ihr Revier. Gebannt verfolgt das Publikum die Szene. Vater Schwan beginnt derweil, Äste und Laub aus dem Wasser zu fischen. Jetzt wo sein Nachwuchs geschlüpft ist, muss ein Anbau für das Nest her. Rentnerin Karin Bräuer ist auch angesteckt vom Treiben auf dem Kanal. Fast jeden Tag kommt die 73-Jährige mit ihrem Enkel Johann vorbei, wenn sie ihn von der Kita abgeholt hat. Extra wegen des Schauspiels im Großen Garten habe die Gruppe des Sechsjährigen Bilder von den stolzen Vögeln gemalt. Weil der Kleine so begeistert ist, hat ihm die Oma Fotos mit in die Kita genommen. Diese zeigte Johann stolz seiner Erzieherin, die die Bilder prompt für alle an die Wand pinnte. Als die Seniorin Freunden von den Schwänen erzählte, seien diese auch dem Schwanenfieber verfallen. „Jetzt sind sie im Urlaub und ich muss ihnen immer aktuelle Fotos schicken“, sagt Bräuer und lacht.

Läuft alles gut, können sie nach ihrer Rückkehr schon die ganze Familie sehen. Denn drei von sieben Eiern liegen noch unversehrt im Nest. Mit sanften Bewegungen hebt das Schwanenweibchen immer wieder die Flügel, damit es die Eier mit dem Schnabel umdrehen kann. Ihre Jungen sind inzwischen auch wieder unters Gefieder geschlüpft, um sich zu wärmen. Vielleicht war das erste Bad im Kanal doch noch ein bisschen zu kalt. Erst am Sonntag ist klar, ob es alle sieben geschafft haben, sagt Beringer Thomas Eißer. Denn manchmal seien auch sogenannte taube Eier dabei, aus denen kein neues Lebens entsteht.