Merken

„Dresden ist ein bisschen zu selbstverliebt“

Architekt Peter Kulka ist mit seiner Heimatstadt unzufrieden. Mit eigenen Projekten will er deren Bild verändern.

Teilen
Folgen
© Eric Münch

Das Landtagsschloss in Potsdam war sein letztes Großprojekt. Auch bei der Gestaltung eines Zugangs zum Leipziger Citytunnel war Peter Kulka beteiligt. Nun widmet sich der 77-jährige Architekt neuen Aufgaben – denn vom Ruhestand will der Dresdner noch nichts wissen. Wie gewohnt beinhalten seine Ideen Zündstoff.

Herr Kulka, zurück in Dresden können Sie sich ja nun wieder dem Umbau der Centrum-Galerie widmen. Wie läuft das Projekt?

Die Umbauten schreiten gut voran. Wir haben Treppen umgesetzt und dadurch die Wege verändert und auch die Fastfoodmeile auf die obere Galerieebene verlegt. Wir stehen zu diesem Konzept. Nun muss die Vermietung ran und einen spannungsvollen Mix an Mietern finden. Wichtig ist dabei, dass das Raumkonzept nicht kaputt gemacht wird – das Interessanteste ist für mich der hallenartige Innenraum. Der kommt als Typus sonst nicht so häufig vor.

Aber gerade die neuen, langen Laufwege sorgen bei den Kunden teilweise für Kritik.

Hier mussten wir uns entscheiden – im kommerziellen Interesse der Galerie. Zuvor haben die Leute auf dem Parkdeck ihre Autos abgestellt, sind zum Ausgang runtergefahren und waren dann auf der restlichen Prager Straße einkaufen.

Welche neuen Projekte verfolgen Sie jetzt, möglicherweise auch in Dresden?

Wir hoffen auf die Fortsetzung unserer Arbeit im Schloss, die Pläne hierfür sind bereits vorhanden.

Für welchen Bereich des Schlosses?

Es geht weiter um die Rüstkammer. Zunächst um den Saal unter dem Riesensaal. Wir sind guter Dinge.

Fern der eigenen Arbeit, wie bewerten Sie gerade die Architektur in Dresden?

Dresden muss nachdenken und sich an manchen Stellen auch ändern. Ich komme ja in Deutschland viel rum, und oft sind kleinere Städte urbaner und lebendiger als Dresden. Die Stadt muss mehr nach vorn schauen.

Was meinen Sie damit?

Die Stadt versteht sich als so vollendet und ist dabei ein bisschen zu selbstverliebt und auch ein bisschen zu schön. Das bekommt kreativen Menschen nicht so sehr, und junge Leute haben damit auch wenig am Hut. Eine lebendige Stadt braucht auch das Ungestaltete, braucht die Auseinandersetzung zwischen schön und hässlich und zwischen fertig und unfertig.

Was sind denn reizvolle hässliche Ecken für Sie?

Die, wo ich jetzt hinziehen werde. Meine Kollegin Katrin Krüger und ich bauen in der Friedrichstadt unser eigenes Wohnhaus. Es ist ein schwieriges Grundstück. Bei der Flut 2002 stand darauf das Wasser einen Meter hoch. Außerdem ist es laut durch die Straßenbahn und den Bahnhof Mitte. Aber wir mögen die Auseinandersetzung mit dem Ort und die Herausforderung. Erwarten Sie nichts Verrücktes, es ist sehr bescheiden. Es wird kein Haus mit einem barocken Walmdach sein, wie es viele Dresdner gern hätten. Eher streng, sehr einfach und ohne Schnörkel. Meine Wohnräume werden total in Sichtbeton gegossen. Aber das müssen die Dresdner ja nicht ertragen. Das wird von außen nicht sichtbar sein. Man sollte es uns nicht verübeln, dass wir in einem Haus wohnen wollen, wie es uns gefällt.

Das klingt, als hätten Sie sich schon auf Kritik eingestellt?

Oh ja, über das Internet gibt es ja schon Fragen und Kommentare. Aber wir wollen nicht mit den Dresdnern über unser unfertiges Haus diskutieren. Ohnehin wird in dieser Stadt um jedes kleine Ding zu viel Spektakel gemacht.

Die Grünen setzen sich schon länger für eine Gestaltungskommission ein. Das wäre dann wohl auch eine Sache, die Ihnen missfällt?

Nein, das ist doch eine Hilfe, wenn eine solche Kommission gut besetzt ist. Da gehören unbequeme Leute rein, die den Politikern mit Fachverstand sagen, was ist. Und die schwierige öffentliche Projekte und den Stadtrat begleiten. Das funktioniert in anderen Städten auch. Ich selbst saß schon in solchen Gremien. Ich würde das sehr begrüßen, aber auch da ist Dresden ja nicht gerade vorne dran.

Würden Sie selbst mitwirken?

Eher nicht. Ich bin hier so besetzt und voreingenommen.

Was muss sich in den nächsten Jahren in Dresden ändern?

Die alte Innenstadt ist noch immer nicht wieder das, was sie früher war und isoliert sich von ihren umgebenden, eigentlich vitalen Stadtteilen. Die Vernetzung der Stadt und die Überbrückung der sie ringförmig umgebenden Straßen müsste ein Thema sein. Außerdem muss die Stadt darauf achten, dass sie nicht die wichtigsten Grundstücke an Investoren verkauft. Es kann nicht immer nur darum gehen, den Meistbietenden zu berücksichtigen. Vor allem sollten nicht mehr nur Investoren in der Innenstadt Häuser bauen, sondern die Bürger selbst. Aber das gibt es bisher kaum. Da sehen wir uns fast ein bisschen als Pioniere.

Welche Grundstücke eignen sich für neue Konzepte?

Ich frage mich, wie die Stadt ein Grundstück – wie das am alten Leipziger Bahnhof – von so großer Bedeutung für die Stadtentwicklung, an einen Globusmarkt verkaufen konnte. Und ich frage mich auch, ob dieses Grundstück nicht viel mehr ein Ort für ein künftiges Verkehrsmuseum, welches in absehbarer Zeit aus dem Johanneum raus muss, geeignet wäre. Aber egal ob Kultur, Wohnungsbau oder eine wichtige gewerbliche Ansiedlung – Globus- und Baumärkte stehen uns doch bis unter die Nasenlöcher.

Das Gespräch führte Juliane Richter.