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Dresden baut und baut

Die Zahl der Baugenehmigungen für neue Wohnungen ist so hoch wie seit zwölf Jahren nicht mehr. In einigen Vierteln ist trotzdem nichts mehr frei.

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© André Wirsig

Von Tobias Winzer

Großer Balkon, ein Fahrstuhl, den Supermarkt nebenan und die Bushaltestelle vor der Tür – Rosemarie und Kurt-Heinz Jenke fühlen sich wohl in ihrer neuen Wohnung. Nachdem sie 50 Jahre lang in der Nähe des Hauptbahnhofs gelebt haben, sind sie im vergangenen Jahr in einen Neubau in der Kohlenstraße im Dresdner Süden gezogen. „In der alten Wohnung hatten wir keinen Fahrstuhl“, sagt die 80-jährige Rosemarie Jenke. „Wir wollten aber so lange, wie es geht, in der eigenen Wohnung bleiben.“ Die Nachfrage nach den insgesamt 47 Wohnungen in dem Haus war riesig. Der Eigentümer und Bauherr, die Wohnungsgenossenschaft Glückauf Süd (WGS), konnte sich die Mieter aus 400 Bewerbern aussuchen.

Das ist kein Einzelfall. Eine hohe Nachfrage und wenig Wohnungsleerstand machen das Investieren in Dresden nicht nur für Genossenschaften attraktiv. Vor allem private Immobilienunternehmen bauen neue Wohnungen. Das ist auch dringend nötig. Das Rathaus schätzt, dass bis 2025 rund 13.000 Wohnungen entstehen müssen, um dem Bedarf gerecht zu werden. Allein bis 2015 werden jährlich 800 neue Wohnungen in Ein- und Mehrfamilienhäusern gebraucht. Wie aus einer aktuellen Statistik der Stadt hervorgeht, nimmt der Wohnungsbau in Dresden Fahrt auf.

Erkenntnis 1: Die Stadt vergibt so viele Baugenehmigungen wie lange nicht

Mit insgesamt 804 fertiggestellten Neubauwohnungen erhielt der Bauboom 2013 einen leichten Dämpfer. Der Umbau des alten Fotopapierwerks an der Hepkestraße im Dresdner Osten war im vergangenen Jahr eines der wenigen großen Neubauprojekte. 180 Wohnungen wurden dort an die Mieter übergeben. 2011 und 2012 waren jeweils 1.199 und 955 Neubauwohnungen fertig geworden.

Ein Trend setzt sich aber fort: In den vergangenen drei Jahren entstanden jeweils mehr Wohnungen in Mehrfamilienhäusern als in Eigenheimen. Das war davor zuletzt im Jahr 2000 der Fall. Es ist ein Zeichen dafür, dass wieder mehr Mietwohnungen gebaut werden. Hoffnung macht auch die Zahl der Wohnungen im Bau und die Zahl der im vergangenen Jahr erteilten Baugenehmigungen.

Wie aus der Statistik hervorgeht, wurde zum Jahresende an etwas mehr als tausend neuen Wohnungen noch gebaut. Außerdem hat die Stadtverwaltung im vergangenen Jahr Baugenehmigungen für rund 1.900 Wohnungen erteilt – das ist der höchste Wert seit 1999. Die Mehrzahl der Wohnungen soll in Mehrfamilienhäusern entstehen, nur ein Fünftel davon in Eigenheimen.

Ein Ende des Baubooms ist außerdem nicht in Sicht, denn für viele geplante Millionen-Projekte gab es im vergangenen Jahr noch keine Baugenehmigung. So stehen das Wohnhaus am Herzogin Garten oder das Prager Carrée am Wiener Platz noch in der Warteschlange. Vom Wohnungsbaurekord im Jahr 1997, als rund 15.500 neue Wohnungen entstanden, ist Dresden aber noch weit entfernt.

Erkenntnis 2: In neue Wohnungen werden Millionen investiert

Dass Dresden für die Wohnungsgenossenschaften und Immobilienunternehmen immer attraktiver wird, lässt sich auch an den prognostizierten Investitionskosten ablesen. Mit den erteilten Baugenehmigungen hat die Stadtverwaltung im vergangenen Jahr den Weg für Ausgaben von 585 Millionen Euro freigemacht – das ist der höchste Wert seit dem Jahr 2000. Etwas weniger als die Hälfte davon soll in den Wohnungsneubau fließen. Der Rest ist für Sanierungen und Umbauten von bestehenden Wohnungen vorgesehen.

Erkenntnis 3: Großflächiger Wohnungsabriss ist beendet

Seit der Wiedervereinigung wurden rund 11.000 Wohnungen in Dresden abgerissen, allein seit 2001 waren es fast 9.000. Diese künstliche Verknappung des Wohnungsbestandes ist nun zu einem Großteil Geschichte. Das sogenannte Rückbauprogramm Ost wurde 2012 beendet. Ebenfalls 2012 hat der Stadtrat auch eine Abrissvereinbarung mit dem Großvermieter Gagfah rückgängig gemacht. 2013 verschwanden gerade einmal 246 Wohnungen vom Markt – der niedrigste Wert seit 2001. Allein 172 davon befanden sich in dem Plattenbau an der Gerokstraße, der im Sommer und Herbst 2013 abgerissen wurde.

Erkenntnis 4: In beliebten Vierteln gibt es kaum noch freie Wohnungen

Da die Zahl der Haushalte in Dresden nur etwas stärker gestiegen ist als die Zahl der verfügbaren Wohnungen, bleibt die Leerstandsquote mit 7,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gleich. Demnach wären bei insgesamt 293.845 Wohnungen noch 22.255 Wohnungen frei. Die Statistik täuscht aber: Zieht man alle ruinösen Gebäude ab, sinkt die Leerstandsquote auf rund sechs Prozent. Ein weiteres Minus von 2,5 bis drei Prozent ergibt sich auch aus der sogenannten Fluktuationsreserve. Darin befinden sich Wohnungen, die zwar durch Auszüge statistisch gesehen frei sind, aber schon wieder weitervermietet wurden. Dadurch dürfte die reale Leerstandsquote zwischen drei und vier Prozent liegen. Das sind etwa 10.000 Wohnungen.

Am wenigsten freie Wohnungen gibt es in Striesen-Süd, in der Seevorstadt-Ost, in der Südvorstadt-West und in Räcknitz-Zschertnitz. Dort liegt die schöngerechnete Leerstandsquote bei 3,2 bis 3,9 Prozent. Das heißt, dass dort nur mit Glück eine neue Wohnung zu finden ist. Die meisten freien Wohnungen gibt es dort, wo es auch am teuersten ist: in der Inneren Altstadt und in Loschwitz/Wachwitz.