Merken

Dreimal umgezogen und zweimal neu gebaut

Einblicke in die 60-jährige, wenig bodenständige Geschichte des Löbauer Busbahnhofs.

Teilen
Folgen
© Stadtarchiv/Herbert Heinze

Von Bernd Dressler

Parken auf dem Löbauer Nicolaiplatz, mitten im Zentrum, ist begehrt. Mitunter muss man einige Runden drehen, um eine Lücke zu ergattern. Vor knapp 60 Jahren drehten hier nur Busse ihre Runden. Der Nicolaiplatz war Omnibushalteplatz geworden. Bis dahin war der Bahnhof zentraler Busanlaufpunkt in Löbau.

Wenige Monate zuvor lag die Fläche noch brach.
Wenige Monate zuvor lag die Fläche noch brach. © Siegmund Thätner / Stadtarchiv Löbau
Im August 1986 wurde dort, wo heute die Wohn- und Geschäftsbauten an der Sachsenstraße stehen, die Verkehrsführung am Busbahnhof geändert. Links ist die Standkasse zu erkennen.
Im August 1986 wurde dort, wo heute die Wohn- und Geschäftsbauten an der Sachsenstraße stehen, die Verkehrsführung am Busbahnhof geändert. Links ist die Standkasse zu erkennen. © SZ-Archiv/P. Stache
Der jüngste Busbahnhof wurde mit einer modernen Anzeigetafel ausgestattet.
Der jüngste Busbahnhof wurde mit einer modernen Anzeigetafel ausgestattet. © Thomas Eichler

Doch in den 1950er Jahren verkehrten immer mehr Linien in die damalige Kreisstadt, von Neugersdorf, Oppach, Bautzen, Cunewalde, Niesky, Zittau, Bernstadt, Görlitz. Der Rat der Stadt stellte im September 1957 fest: „Der Zustand am Bahnhof ist nicht mehr tragbar.“ Zeitweise stehe der ganze Vorplatz voller Busse, die Sicherheit für den Durchgangsverkehr sei nicht mehr vollständig gewährleistet.

Drei Umzüge

Erster Umzug: Vom Bahnhof zum Nicolaiplatz

Abhilfe konnte eigentlich nur der Bau eines Busbahnhofes schaffen. An der Straße der Jungen Pioniere (heute Sachsenstraße) gab es dafür eine ideale Stelle. Doch dort lagerte noch das Baumaterial für die neue Weißenberger Brücke. Eine Übergangslösung musste her. Die wurde mit dem Nicolaiplatz gefunden. Seine zentrale Lage sprach für ihn. Da ihn die Busse über den Theaterplatz und die Johannisstraße im Einbahnstraßenverkehr ansteuern sollten, waren wenige Verkehrsstockungen zu erwarten. Am 8. Oktober 1957 gab es grünes Licht für den neuen Omnibushalteplatz. Das Wort Busbahnhof verkniff man sich wegen des Provisoriums. Bussteige gab es nicht. Nur die Abfahrtsschilder gaben die Orientierung vor, wo man sich auf dem holprigen Basaltpflaster einzureihen hatte. Zwei Glaswartehallen an der Seite zur Brunnenstraße boten Wetterschutz. Hier war auch ein Busanhänger abgestellt, in dem Fahrscheine gekauft werden konnten. An der nahen Johannisstraße wurde ein beheizbarer Aufenthaltsraum für die Kollegen des VEB Kraftverkehr eingerichtet.

Der Nicolaiplatz als provisorischer Löbauer Busknotenpunkt stieß jedoch bald an seine Grenzen. Wie aus einer Erhebung der Stadt hervorgeht, kamen schon 1959 im Berufsverkehr täglich 4500 sogenannte Einpendler in die Kreisstadt, viele davon mit Bussen. Außerdem fuhren die Busse nach Bernstadt, Zittau, Görlitz und Bautzen nach wie vor am Bahnhof ab.

Zweiter Umzug: Vom Nicolaiplatz zur Straße der Jungen Pioniere

Folglich verabschiedeten sich die Busse wieder vom Nicolaiplatz. Das lange geplante Projekt auf dem Platz an der Straße der Jungen Pioniere/Ecke Poststraße nahm 1974 Gestalt an. Dort, wo die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Eisengießerei und Maschinenfabrik Behrisch gestanden hatte, wo danach ein Holzplatz sein Domizil hatte, wurde nun Löbaus neuer Busbahnhof eingerichtet. Mit dem Nicolaiplatz war er schon von der Fläche her nicht zu vergleichen. Die Bussteiglängen waren sogar überdimensioniert. Es gab Richtung Bahnhofstraße massive Bauten für Wartehalle, Standkasse, Fahrplanauskunft, Kraftverkehrspersonal. Dafür wurde auch eine frühere Selbstbedienungswäscherei genutzt. Auf der gegenüberliegenden Seite Richtung Poststraße war zusätzlich eine große Wellblechwartehalle aufgestellt, die in den Verkehrsspitzenzeiten bei schlechtem Wetter voll ausgelastet war. 1986 bekam der Busbahnhof noch mal eine Aufwertung. Durch eine Ampelanlage konnte er direkt von der Poststraße (damals noch F 178) angesteuert werden. Damit führte zugleich der gesamte Durchgangsverkehr am Busbahnhof vorbei, wodurch die Bahnhofstraße verkehrsfrei wurde.

Dritter Umzug: Von der Sachsenstraße zum Bahnhof

Mittlerweile waren die 1990er Jahre angebrochen. Die DDR war Geschichte. Investoren suchten Flächen für stadtbelebende Bauprojekte. Dem konnte auch Löbau nicht widerstehen. Der Busbahnhof musste einem sogenannten multifunktionalen Zentrum an der Sachsenstraße (so hieß die Straße der Jungen Pioniere jetzt) mit Einkaufsmöglichkeiten, Dienstleistungseinrichtungen und Wohnungen weichen. 1995/96 wurde es ernst. Wieder musste der wichtigste Löbauer Nahverkehrspunkt verlegt werden. Einzige Alternative: der Vorplatz des Löbauer Bahnhofs mit seiner angrenzenden Grünanlage. Womit man eigentlich wieder beim Stand von 1957 angekommen war.

Es dauerte bis Herbst 1998, als der Stadtrat den Beschluss zum Bau eines neuen Busbahnhofs am Bahnhof fasste. Schon am 1. Dezember war das Papier wegen Rechen- und Formfehlern wieder nichtig. Ein rechtssicherer Beschluss wurde im Januar 1999 gefasst. Immer wieder lieferten sich Befürworter und Gegner im Rat erbitterte und mitunter kleinkarierte Gefechte. Den Gegnern war vor allem das unumgängliche Fällen von Bäumen ein Dorn im Auge, sie plädierten zudem für eine Mitnutzung des Bahnhofsgebäudes. Bei der Vergabe der Bauleistungen im April 2000 gab es erneut Versuche, das Projekt zu kippen. Erst am 18. Dezember 2000 konnte erstmals durchgeatmet werden: Der erste Bauabschnitt wurde übergeben. Ende September 2001 folgte Bauabschnitt zwei. Verbaut wurden 1,45 Millionen Mark. Darin enthalten waren neben Tief- und Staßenbauarbeiten Überdachungen für wartende Reisende, ein Fahrgastinfosystem und ein Funktionsgebäude mit Aufenthaltsraum für die Busfahrer, Kiosk und öffentlicher Toilettenanlage. In 60 Jahren ist also der Löbauer Busbahnhof dreimal umgezogen und zweimal neu gebaut worden. Sagt nicht der Volksmund, dass dreimal umgezogen einmal abgebrannt ist?

1 / 3