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Dreiklang für Vier

Mit einem schlichten T-Shirt will ein Quartett einen alten Markennamen und eine sächsische Fabrik beleben.

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© Fabian Thueroff

Von Lars Radau

Die Geschichte klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Ein kleines Modelabel, das auf „Regionalität“, „Fairness“ und „Transparenz“ setzt. Geführt von vier Mittzwanzigern, die ihr Bestes geben wollen, damit erstens ausnahmslos alle Beteiligten fair bezahlt werden können. Damit zweitens ein alter Markenname neuen Glanz bekommt. Und damit drittens eine kleine Textilmanufaktur im erzgebirgischen Thum wieder in Schwung kommt. Das Mittel der Wahl: ein schlicht-schickes T-Shirt, erhältlich in Schwarz oder Weiß.

Doch genau mit diesem Anspruch und diesen Versprechen haben Lisa Schwalbe, Martin Jähnert, Mark Teucher und Florian Eidner ganz offenkundig einen Nerv getroffen. Nicht nur, weil sich ihre Geschichte auch in einem knapp dreieinhalbminütigen Videofilm in ästhetischen Bildern erzählen lässt. Den hatten die vier im Sommer für das Crowdfunding-Portal Startnext gedreht. Es dauerte nicht ganz eine Woche, bis das Quartett dort das nötige Startkapital eingesammelt hatte, um loslegen zu können. Am Ende der vierwöchigen Laufzeit war sogar fast doppelt so viel Geld zusammengekommen wie ursprünglich veranschlagt. 232 Unterstützer stellten kleinere Beträge zur Verfügung. „Das ist Ansporn – und macht zugleich ziemlichen Druck“, sagt Martin Jähnert, der in Leipzig Wirtschaftsingenieurwesen studiert.

Dabei geht es gar nicht so sehr um das Geld. Die knapp 11 000 Euro, die zusammengekommen sind, nennt Jähnert selbst eine „überschaubare Summe“. Schwerer wiegt, dass der Geschäftsbetrieb ins Laufen kommen soll – und die Unterstützer irgendwann Ergebnisse sehen wollen. Doch diese beiden Etappenziele sind mittlerweile geschafft. Die erste Kollektion von T-Shirts ist produziert. Und bis Weihnachten, sagt Mark Teucher, der als Geschäftsführer der eigens gegründeten Firma „Ernst aber Lässig“ fungiert, sollen sie auch bei den Unterstützern angekommen sein.

Kunst am Stoff kommt

Die fördern im Idealfall eine Entwicklung, die „auf mehreren Ebenen nachhaltig“ wirkt, erzählt Teucher. Denn mit den T-Shirts soll auch der Markenname „Dreiklang“ wiederbelebt werden. Der, sagt Lisa Schwalbe, war in der DDR quasi Synonym für Nachtwäsche. Und die Fabrik in Thum, in der unter dem Dach des Kombinats Vereinigte Wäschefabriken Auerbach vor allem Kinderschlafanzüge hergestellt wurden, gehört heute der Tante der gelernten Schneiderin.

Die Wege sind also kurz – nicht nur im übertragenen Sinn. Im leer stehenden Obergeschoss der Fabrik konnte Lisa das Design der T-Shirts entwickeln. Das Material soll sich durch „nachhaltige und ökologische Produktion“ auszeichnen, sagt Mark Teucher. Momentan komme der Stoff für die T-Shirts zwar noch aus Marokko, trage aber immerhin ein Zertifikat, das ihm umweltverträgliche und sozial verantwortliche Herstellung bescheinigt. Mittelfristig, heißt es auf der Dreiklang-Webseite, sollen auch Reststoffe und recycelte Materialien genutzt werden.

Im Erdgeschoss wird noch immer genäht – wenn auch in deutlich kleinerem Umfang als vorher. Von den nach der Wende noch 45 Mitarbeitern sind heute zwei übrig. Die Dreiklang-Shirts füllen jetzt die Nischen zwischen anderen Produktionsaufträgen. Das, hofft das Quartett, soll sich ändern. Die nächsten Kollektionen sind schon in Planung: Für Nummer zwei entwirft die Künstlerin Anne Becker ein Frauen- und ein Unisex-Design, für die dritte Kollektion ist der Chemnitzer Künstler Jan Kummer, Vater des Kraftklub-Frontmanns Felix Kummer, angefragt. Mehr als jeweils 300 Stück soll es von den Künstler-T-Shirts nicht geben, betont Martin Jähnert.

Betriebswirtschaftlich lasse sich die zweite Kollektion aus dem Verkauf der schwarzen und weißen Standard-Shirts, darstellen, sagt Mark Teucher. Sie sind seit Kurzem auch in einer Online-„Kaufhalle“ bestellbar. Wie es danach weitergeht, ist indes noch offen. Denn prinzipiell ist sich das Dreiklang-Team einig, dass es möglichst keine Kredite aufnehmen oder Fremdkapitalgebern Anteile abtreten möchte.

Auf der anderen Seite, wissen die Vier, werden sie um diese Schwellen bei einer weiteren Ausdehnung und Professionalisierung des Geschäftsmodells nicht herumkommen. Umso hilfreicher ist es, dass ihre Geschichte und ihr Anspruch auch die Jury des Leipziger Social Impact Lab überzeugte. Das „Gründerzentrum für soziale Innovation“, das im Plagwitzer Industriedenkmal Stelzenhaus angesiedelt ist, gewährte den „Dreiklang“-Machern im November ein achtmonatiges Stipendium. Das beinhaltet nicht nur Arbeitsplätze im dortigen Co-Working-Space, sondern auch Coaching, Training und Beratung bei der Weiterentwicklung des Geschäftsmodells und den ersten Schritten auf dem Markt.

Dass der mitunter seine ganz eigenen Anforderungen hat, stellt das Dreiklang-Team immer wieder fest. Mark Teucher ist gelernter Einzelhandelskaufmann und hat eine Vertriebsausbildung. Weniger als die 40 Euro, die in der „Kaufhalle“ für ein aufwendig in wiederverwendbarem Karton verpacktes Shirt aufgerufen werden, soll das Teil im Laden nicht kosten. Viel mehr aber möglichst auch nicht – und trotzdem sollen auch die Händler fair behandelt werden und mit ihrer Marge zufrieden sein. Auch das, sagt Teucher, ist ein „Spagat“. Die Geschichte, die fast zu gut klingt, um wahr zu sein, ist also noch ziemlich am Anfang. Doch aufhören, sind sich Lisa Schwalbe, Martin Jähnert, Mark Teucher und Florian Eidner einig, soll sie noch lange nicht.

www.dreiklangkleidung.de