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Drei Jahre Haft für Willy K.

Der 26-jährige Türsteher ist Dresdens bekanntester Fußball-Hooligan. Am Montag droht ihm der nächste Schuldspruch.

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Von Alexander Schneider

Auf den ersten Blick macht Willy K. einen sympathischen Eindruck. Er lächelt, versprüht gute Laune, ist höflich, begrüßt alle Bekannten mit Handschlag. Das Problem: Die Orte, an dem Willy so auftritt, sind vor allem Anklagebänke in Dresdner Gerichtssälen. Gestern wurde er am Amtsgericht unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung und Drogenhandels zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt – und schon am Montag droht ihm die nächste Verurteilung zu einer Haftstrafe, wenn der aufwendige Hooligan-Prozess, der schon seit August 2011 läuft, am Landgericht Dresden zu Ende geht. Dort wird dem hochgewachsenen Mann vorgeworfen, zusammen mit vier weiteren Mitangeklagten eine kriminelle Vereinigung, die „Hooligans Elbflorenz“, gebildet zu haben.

Willy K. ist 26 Jahre alt, Türsteher und bekennender Fußball-Hooligan. Er ist ein fast zwei Meter großer Hüne, Kampfsportler, athletisch, tätowiert, die Haare stets akkurat geschnitten und gescheitelt. Willy K. achtet auf sein Äußeres. Und das, obwohl er seit Mitte Dezember in Untersuchungshaft sitzt, weil er wiederholt geprügelt hatte – als Türsteher in der Disko Musikpark, beim Dresdner Stadtfest und im Riesaer Fußballstadion. Das ist die zweite, dunkle Seite des Sonnyboys, der offensichtlich nicht nur bei Frauen „einen Schlag hat“.

Freunde halten Willy die Treue

Etwa ein Dutzend Freunde sind nun bei Willy K.s Verurteilung dabei, Typen aus der rechten Szene, polizei- und justizbekannte Gesichter, darunter wohl auch der eine oder andere, gegen den zurzeit ebenfalls wegen Straftaten im gewaltbereiten Umfelds der Dresdner Fußballfanszene ermittelt wird. Auch das ist bemerkenswert. Sie halten Willy die Treue. Im Dynamo-Stadion hängt immer wieder ein Transparent, auf dem „Free Willy“ steht – „Befreit Willy“. Dass Leute wie Willy K. die Hauptverantwortlichen für den schlechten Ruf der Dresdner Fußballfans ist, das scheint diese Menschen nicht zu interessieren.

Das Gericht hat keine Zweifel, dass Willy K. in allen Anklagepunkten schuldig ist. Die schwerste Tat fand erst am 1. Dezember in der Riesaer Nudelarena statt, sagt Richter Markus Maier, der Vorsitzende des Schöffengerichts. Dort hat K. während eines Fußballspiels zwischen Stahl Riesa und dem FC Pirna einen 43-Jährigen so schwer verletzt, dass er wohl sein Leben lang an den Fußballnachmittag erinnert wird. Willy K. war mit bis zu acht Schlägern aus Dresden und Pirna im Stadion. Bei einem kurzen Wortwechsel haben zwei von ihnen einen Mann so geschlagen, dass dieser umfiel. Als Torsten L., ein 43-jähriger Brandschutztechniker, die Gruppe fragte, was das solle und ob man nicht mal in Ruhe ein Spiel ansehen könne, kam Willy K. auf ihn zu. Sekunden später schlug ihm Willy K. ins Gesicht und verpasste ihm einen Tritt gegen die Brust. Der Mann stolperte einige Meter die Tribüne hinunter und prallte gegen einen Zaunpfahl. Dabei wurde sein zwölfter Brustwirbel zerquetscht: „Notoperation, eine Woche Klinik, drei Monate arbeitsunfähig und lebenslange Schmerzen“, sagt Richter Maier mehrfach. Danach habe K. einem Ordner gedroht, ihn samt Weste zu zerreißen.

An der Gewalttat gab es nicht den leisesten Zweifel. Filmaufnahmen zeigten jede Einzelheit. Diese Beweislast war wohl der Grund, warum K. diese Tat einräumte. Sein Mandant habe die Verletzungen nicht beabsichtigt, sagte Verteidiger Rolf Franek. Von Reue jedoch war bei Willy K. nichts zu erkennen. Er hat sich nicht einmal bei seinem Opfer entschuldigt.

Massives Gewaltproblem

Für zweifelsfrei erwiesen hält das Gericht drei weitere körperliche Übergriffe. Zweimal habe K. als Türsteher betrunkene Gäste zusammengeschlagen. Während des Stadtfests im August 2011 hat K. laut Maier nachts einen Mann niedergeschlagen, der an ihm vorbeirannte, weil er einen anderen Schläger verfolgt hatte. Im September 2009 habe der Angeklagte zehn Gramm Crystal für 250 Euro von einem Freund auf Kommission verkaufen lassen. Strafverschärfend wertete das Gericht, dass K. zuletzt unter Führungsaufsicht stand, sich also monatlich bei seinem Bewährungshelfer melden musste, und gegen ihn schon ein Haftbefehl vorgelegen hatte.

Es wird K.s Geheimnis bleiben, wieso er in dieser Lage und während seines laufenden Hooligan-Prozesses ohne erkennbaren Anlass einen Fußballfan niederprügelte. Es belegt aber sein massives Gewaltproblem.

Staatsanwalt Marc Lehr hatte eine Strafe von drei Jahren und drei Monaten gefordert. Verteidiger Franek plädierte auf gerade 15 Monate Haft. Er hält nur die Körperverletzungen im Stadion und beim Stadtfest für erwiesen. Für die anderen Vorwürfe sei sein Mandant freizusprechen. Zeugen hätten sich zum Teil erheblich widersprochen. Franek will nun prüfen, das Urteil anzufechten. Das Gericht habe Zeugenaussagen durcheinandergeworfen, sagte er.

Willy K. ist vorbestraft. Er hat eine zweieinhalbjährige Haft wegen schweren Landfriedensbruchs abgesessen. 2009 hatte er gestanden, zu den Überfällen auf türkische Lokale in der Neustadt aufgerufen zu haben. Diese Überfälle nach dem Halbfinale im Juni 2008 spielen bis heute in K.s Hooligan-Prozess eine entscheidende Rolle. Sie sind bis heute nicht aufgeklärt.