Merken

Drei auf einen Streich

In Hilbersdorf gibt es Drillinge bei den Kamerunschafen. Das ist eine kleine Sensation.

Teilen
Folgen
© Constanze Junghanß

Von Constanze Junghanß

Ein Lämmchen steckte fest im Geburtskanal. Wie ein Pfropf. Die Geburt stockte, nichts ging voran. Sieghard Schulze holte vor wenigen Tagen den Tierarzt zu Hilfe, sonst hätte das Lamm vermutlich nicht überlebt – Aufregung in Hilbersdorf. „Statt wie üblich zuerst mit den Vorderbeinen geboren zu werden, guckte der Kopf heraus“, erzählt der Hilbersdorfer. Der Körper klemmte im Mutterleib. Schweißtreibende Augenblicke, bis das Kleine endlich geboren war.

Sieghard Schulze hat es geschafft, ein Lämmchen zu fangen. Sie sind scheu, wenn sie in der Herde aufwachsen.
Sieghard Schulze hat es geschafft, ein Lämmchen zu fangen. Sie sind scheu, wenn sie in der Herde aufwachsen. © Constanze Junghanß

Doch die Überraschung ging weiter. Schäfchen Nummer zwei wurde geboren. Und dann – das ist auch bei Kamerunschafen eine Sensation – ein drittes Lamm. Damit hatte Sieghard Schulze nicht gerechnet. Drillinge in seinem Schafstall: Das gab es noch nie in den über 20 Jahren, in denen sein Herz an der Zucht der Kamerunschafe hängt. Der Start für Mutter und Nachwuchs gestaltete sich insgesamt nicht ganz so einfach. „Wir mussten ihr die Lämmer zum Ablecken direkt vor die Nase legen und sie dabei festhalten“, erzählt der Rentner. Nach einer Weile nahm das Schaf die Jungen an. Doch ein nächstes Problem bahnte sich an.

Schafe und eben auch die Rasse der Kameruner haben nur zwei Zitzen. Wird die Milch für die Drillinge reichen? Zum Glück habe sich ein Rhythmus entwickelt, bei dem alle Lämmer genug Milch abbekommen. Mittlerweile springen die Kleinen schon mal draußen auf der Wiese herum, versuchen sich im zittrig klingenden Blöken und folgen der Mutter auf Schritt und Tritt. Am noch spärlich wachsenden Gras wird geknuspert, am getrockneten Brot geleckt. Ansonsten hätten Schulzes wieder mal zur Flasche greifen müssen. Damit hat die Familie schon ihre Erfahrung.

Drei Lämmer zogen sie im Laufe der Zeit mit der Hand groß. Eins davon wuchs Gisela Schulze besonders ans Herz, wie Fotos im Treppenhaus der Familie zeigen. Da steht sie mit Lamm Lilli im Arm vor der Arnsdorfer Kirche. Das einzige Schäfchen, was bisher einen Namen bekam. „Lilli haben wir überallhin mitgenommen, selbst im Auto“, erzählt die 73-Jährige. Einen eigenen Sessel gab es für das Lämmchen, das gern mit dem Kater kuschelte. Auch davon gibt es noch Fotos, die das Ehepaar zeigt. Lilli trug damals im Haus Windeln und durfte sogar im Bett der Tochter schlafen. Trotz dieser innigen Bindung ging Kamerunschaf Lilli den gleichen Weg wie seine Artgenossen. Nach einigen Jahren wurde das Tier nach einem artgerechten Leben geschlachtet „Die Kamerunschafe haben wir uns schließlich zur Selbstversorgung angeschafft“, sagt das Ehepaar. Um die 40 Kilogramm bringt ein Kamerunschaf auf die Waage. In der Hilbersdorfer Küche wird daraus Schinken, Bratwurst und Gulasch gemacht. Nur mit dem Fell sei heutzutage nichts mehr anzufangen.

Zu DDR-Zeiten konnte man die Felle zur Gerberei bringen oder vom Fellhändler aufkaufen lassen. „Der zog durch die Dörfer und sammelte die Felle der Nutztiere ein.“ Die Zeiten sind längst vorbei. Würden heutzutage Fell und Leder in so geringen Mengen zur Verarbeitung geschafft werden, zahle man noch Geld drauf. „Es lohnt sich also nicht“, hebt Sieghard Schulze bedauernd die Schultern. Letztendlich landen dann die Felle im Abfall. In der Großindustrie dagegen werden Tierfelle und Leder aus anderen Ländern importiert. Das sorgt bei Schulzes für Kopfschütteln.

Ihre kleine Kamerunschafherde haben sie aber hauptsächlich zu Nutztierzwecken. Und als „biologische Rasenmäher“, wie Gisela Schulze erzählt. Ihnen steht jede Menge Wiese zur Verfügung. Eingezäunt, versteht sich, wegen des Wolfs. Der sei manchmal oberhalb des Waldes zu sehen, in gehöriger Entfernung allerdings. Einen Wolfsangriff gab es bisher nicht. Dafür jedoch scheuchte ein Wolf vor einer Weile ein Wildschwein auf, das panisch in Richtung Schafherde flüchtete. „Das hat den Zaun durchbrochen und stand dann mit auf der Weide“, zeigt Sieghard Schulze das geflickte Loch.

Die Lamm-Drillinge befinden sich jedenfalls auf sicherem Terrain. Ebenso, wie die sieben anderen Lämmer, die in den letzten Tagen das Licht der Welt erblickten. Schulzes freuen sich jetzt auf den Frühling. Denn dann werden wie jedes Jahr die Mädchen und Jungen vom Arnsdorfer Kindergarten an der Schafswiese entlang spazieren gehen und den Nachwuchs bestaunen.