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Drama hinter Gittern

Ein Gefängnisinsasse soll sich das Leben genommen haben. Mitgefangene erheben schwere Vorwürfe gegen die Anstalt.

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© Alexander Schröter

Von Eric Weser

Zeithain. Der handgeschriebene Brief ist drei Seiten lang und enthält schwere Vorwürfe gegen Verantwortliche der Justizvollzugsanstalt (JVA) Zeithain. Von mangelnder Fachkompetenz ist in dem Schreiben die Rede, ebenso von verletzter Aufsichtspflicht. Er gebe der JVA Zeithain eine „klare Mitschuld“ am Tod des Gefangenen Uwe S.*, schreibt ein Mitinsasse, der aus Furcht vor Repressalien anonym bleiben will, an die SZ-Redaktion. Uwe S. soll sich am Abend des 28. August, also vorigen Freitag, in seiner Gefängniszelle das Leben genommen haben.

Auf SZ-Anfrage bestätigte die JVA, dass am Freitag ein Gefangener verstorben ist. „Nach derzeitigem Kenntnisstand ist von einem Suizid des Gefangenen auszugehen“, so Vollzugsleiter Mathias Weilandt weiter. Zu Fragen über die Umstände des Todes wollte sich die JVA unter Verweis auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in dem Fall nicht äußern.

Aus Sicht des anonymen Mitgefangenen soll es so gewesen sein: Uwe S. habe „psychische und familiäre Probleme gehabt, welche der Anstalt bestens bekannt waren.“ Bereits Anfang August habe S. versucht, sich das Leben zu nehmen. „Daraufhin wurde Herr S. für eine Nacht in einen besonders gesicherten Haftraum verlegt.“ Nach dieser Nacht habe es ein Gespräch mit dem psychologischen Dienst gegeben und S. sei wieder in eine Einzelzelle verlegt worden. Das sei ein „verhängnisvoller Fehler“ gewesen, so der Mitinsasse, der deshalb die Kompetenz der Anstaltspsychologen infrage stellt. „Nach dem Suizidversuch hätte man Herrn S. niemals zurück in eine Einzelzelle verlegen dürfen.“

Besonders gravierend ist nach Meinung des Mitinsassen weiterhin zweierlei: Zum einen, dass der Stationsdienst Hinweise des mit Uwe S. befreundeten Gefangenen Nico H.* missachtet haben soll – H. habe dem Stationsdienst mehrfach mitgeteilt, dass er sich „erhebliche Sorgen“ um den Gesundheitszustand seines Bekannten mache. Zum anderen sei die mutmaßliche Selbsttötung zu einem Zeitpunkt passiert, als die Zellen aufgeschlossen waren.

Stärker gefährdet

In einer Veröffentlichung zu „Suiziden und Suizidversuchen im Justizvollzug“ des Nationalen Suizidpräventionsprogramms (Naspro), einem Zusammenschluss von Politik, Experten und verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, heißt es, dass Isolation und Rückzug von suizidgefährdeten Gefangenen unterbrochen werden sollten. Zum Beispiel durch gemeinschaftliche Unterbringung. Dem Naspro zufolge sind die Suizidraten unter Gefangenen höher als in der Allgemeinbevölkerung, was auf die sozialen und psychischen Eigenarten der Haft zurückzuführen sei: fehlende persönliche Unterstützung durch Familie und Freunde, diverse Ängste, Scham- und Schuldgefühle. Besonders hoch sei die Gefahr der Selbsttötung zu Beginn der Inhaftierung.

Eine SZ-Anfrage, wie hoch die Anzahl der Suizide in sächsischen Gefängnissen während der letzten Jahre war, ließ das Dresdner Justizministerium gestern unbeantwortet. Selbsttötungen vorzubeugen habe im Justizvollzug des Freistaates einen hohen Stellenwert, heißt es.

Die Dresdner Staatsanwaltschaft, die in dem Fall die Ermittlungen aufgenommen hat, bestätigte gestern auf SZ-Anfrage, dass es in der JVA Zeithain einen Todesfall gab. „Derzeit liegen keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden vor“, so Sprecher Jan Hille.