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Drachen-Schreck am Weinberg

Sie kommen, sehen, fressen: Stare sind der Feind des Winzers. Nun soll ein Kinderspielzeug in Pesterwitzer gegen die Vögel helfen.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Annett Heyse

Freital. Als der Chef von Gut Pesterwitz vor einigen Monaten auf einer Weihnachtsbaum-Messe war, sah er dort die Rettung fliegen. Vorgestellt wurden Drachen – das Kinderspielzeug an einer Schnur, der Herbstklassiker sozusagen. Sie flatterten und kreisten lustig im Luftstrom, die Vorführung diente aber einem ernsten Zweck. Die Drachen in Form von Greifvögeln sollen auf Plantagen unliebsame Gäste vertreiben. „Mich überzeugte das sofort und ich bestellte mir fünf Stück“, berichtet Lars Folde.

Nun sind die Drachen, entworfen und gefertigt in Dänemark, da. Seit zwei Wochen fliegen sie über dem Weinberg zwischen Wurgwitz und Pesterwitz. Die dänischen Gastarbeiter haben den konkreten Auftrag, Stare fernzuhalten. Und das täten sie mit vollem Erfolg, so Folde: „Ich bin sehr zufrieden. In diesem Jahr hatten wir mit den Staren noch keine Probleme.“

Die Vögel stehen seit Jahren in Verruf, besonders Kirschbäume in Windeseile leerzufuttern. Aber Staren schmeckt noch viel mehr als Steinobst aus Gärten und von Plantagen. Sie lieben Wildbeeren und Weintrauben. Die Beeren finden sie nahe der Autobahn A 17, wo im Zuge des Autobahnbaus viele Sträucher und Hecken angepflanzt wurden. Jetzt im Herbst schlagen sich die Vögel dort die Mägen voll. Holunder steht bei Staren hoch im Kurs. Ist der kahl, gehen sie auf die nächste Sorte. Aber kaum sind die letzten reifen Wildbeeren verputzt, schicken die Stare ihre Spione Richtung Weinberg. Folde: „Die wissen genau, wo sie etwas finden, und gehen immer nur auf reife Früchte. Den Riesling würden sie jetzt noch nicht anschauen.“

Tonnenweise Weinbeeren gefressen

Vor zehn Jahren haben es die Pesterwitzer Weinbauern erlebt, dass ein ganzer Schwarm über reife Trauben der Sorte Scheurebe herfiel. „Da waren innerhalb kurzer Zeit 2,5 Tonnen einfach weggefressen.“ Auch andere Vögel würden kommen, so Lars Folde. Amseln und Drosseln sind ebenfalls auf leckere Weintrauben scharf. Aber nicht in solchen Größenordnungen wie die schwarzen Vögel mit dem weiß gepunkteten Gefieder. „Die klammern sich an den Reben fest, zerdrücken dabei die Früchte. Was von den Staren nicht weggefressen ist, ist anschließend völlig kaputt“, berichtet Lars Folde.

Lange haben sich die Pesterwitzer nur mit elektronischen Vogelscheuchen wehren können. Die kleinen Kästen hängen je nach Jahreszeit in den Weinbergen und Obstplantagen rund um Pesterwitz und sind mit Lautsprechern gekoppelt. Im Abstand von fünf Minuten senden sie den Schrei eines Greifvogels aus. Das hilft bedingt – und nervt die Anwohner.

Die Greifvogel-Drachen dagegen fliegen in aller Ruhe über den Rebstöcken – und dass auch bei leichtem Wind. Dafür sorgt die Bauweise. Die Stare erkennen in den Attrappen echte Feinde und drehen ab. Beim Gut Pesterwitz sieht man darin echtes Potenzial und will die Drachen bald auch an anderen Futterplätzen testen. So denken die Foldes etwa an die Süßkirschen-Plantagen oder die Erdbeerfelder. Dort würden Tauben und Amseln alljährlich für Verluste sorgen, heißt es bei den Obstbauern. Ob die Greifvogeldrachen dauerhaft wirken, ist noch unklar. Für den Moment sei man aber sehr zufrieden, sagt der Guts-Chef. Lediglich, wenn Sturm angesagt ist, muss man die Leine einziehen.