Merken

Doppelt so teuer

Die neuen Besitzer haben das denkmalgeschützte Kyau-Haus fast fertig saniert. Und dabei vieles geändert. Sogar Augusts Mätressen sind wieder da.

Teilen
Folgen
NEU!
© Norbert Millauer

Von Ines Scholze-Luft

Radebeul. Dass es so geschichtsträchtig ist, verrät das Kyau-Haus nicht gleich jedem. Still und schön steht es an der Ecke von Wald- und Wettinstraße. Nur wer genau hinschaut, entdeckt Bemerkenswertes. Die grünen Fensterläden, den Schlussstein mit der Jahreszahl 1648 über der Eingangstür, die Holzrahmen um die oberen Fenster.

Attraktive Rückseite. Hier schließt sich der Garten an.
Attraktive Rückseite. Hier schließt sich der Garten an. © Norbert Millauer
Offenes Treppenhaus. Die Zwischenwände sind verschwunden.
Offenes Treppenhaus. Die Zwischenwände sind verschwunden. © Norbert Millauer
Geschickte Lösung. Der Handlauf im Treppenhaus führt vorbei an der Öffnung zum Befeuern des Stubenofens.
Geschickte Lösung. Der Handlauf im Treppenhaus führt vorbei an der Öffnung zum Befeuern des Stubenofens. © Norbert Millauer

Als Jakob Reichstein 2014 auf das Grundstück aufmerksam wird, ist er wie verzaubert von der Stimmung dort. Ein zugewachsener, verwunschen wirkender Garten mit einem alten Haus. Viel Grün rundherum, die Lößnitzhänge zum Greifen nah. Das ist es, hat er damals gedacht.

Am Anfang steht der Wunsch nach etwas Eigenem bei Jakob Reichstein und seinem Partner, beide um die Fünfzig und beruflich in Dresden verankert. Sie haben so ihre Vorstellungen – etwas mit historischer Substanz sollte es sein, am besten mit Platz für ein kleines Café. Das treibt Jakob Reichstein um, seit ihn ein Sabbatjahr durch Europa führte, nach Italien, in die Schweiz, wo er auch in einem Weingut und einem Berghotel arbeitet.

Also wird rund um Dresden gesucht, im Schönfelder Hochland, in Meißen. Vergeblich. Das Kyau-Haus ist dann Liebe auf den ersten Blick. Zuvor fast 100 Jahre im Besitz der Familie Stephan, steht es seit Kurzem leer. Was sie da erworben haben, wird den neuen Eigentümern erst beim Rundgang mit den Denkmalschützern von Land und Kreis so richtig klar. Die Aussage der Experten: Sie haben ein sehr bedeutsames Haus gekauft. Wie bedeutsam, das erfahren und erarbeiten sich die beiden in den folgenden zwei Jahren. Am und im Haus. Und in Archiven in Radebeul und Dresden.

Glücksgöttin an der Decke

Ob das einstige Winzerhaus tatsächlich 1648 entstand, ist Jakob Reichstein zufolge nicht eindeutig nachweisbar. Einiges spricht dafür. Vor allem Holzuntersuchungen, die besagen, dass die meisten Holzbauteile aus dieser Zeit stammen. Besitznachweise gebe es allerdings erst ab 1711.

In Reichsteins Nachforschungen spielt auch der berühmte, weil sehr humorvolle Königsteiner Festungskommandant Friedrich Wilhelm von Kyau eine Rolle. Ihm wird die Erbauung des Hauses vom Volksmund zugeschrieben, doch erblickte er erst 1654 das Licht der Welt. Möglicherweise war Kyau mit dem damaligen Besitzer bekannt, Jacob von Loeben, ebenfalls auf Königstein tätig.

Nicht nur in den Archiven folgen die neuen Eigentümer der Spur des Hauses. Der Rückbau wird ebenfalls eine Entdeckungsreise. Wir haben innen und außen alles angefasst, sagt Reichstein, der als Suchttherapeut arbeitet. Das Fachwerk wird ausgewechselt, neuer Putz kommt drauf, Sumpfkalkputz. Naturmaterial. Er habe viel über Baumaterial gelernt. Und über Handwerker – meist gute –, sagt der Mann, dem das Gestalten und Reparieren nach eigenem Bekunden viel Spaß macht.

Auch wenn es manchmal schnell gehen muss. Weil die Wohnung in Dresden schon verkauft ist, wird anderthalb Jahre mächtig gerackert für den Einzug. Das kostet Kraft, das Doppelte der geplanten Summe fließt in das Denkmal. Zwischenwände fallen, Tapeten verschwinden, Deckenverkleidungen werden entfernt, die Kellertonne freigelegt – das ergibt 20 Container Bauschutt. Barocke Wandbemalungen kommen zum Vorschein. Schrecken und Schönheit, fasst Jakob Reichstein zusammen.

Wohl besonders gut nachzuvollziehen im Wohnzimmer des ersten Stockwerks, in der Wohnung der Besitzer. Hier scheint sich ihre Vorstellung vom Haus zu konzentrieren. Barocke Kunst, verbunden mit dem Heute. Ganz besondere Entdeckungen warten. Vor allem die lange Zeit übermalten, um 1760 entstandenen Deckengemälde. An denen haben die Restauratorinnen ganze Arbeit geleistet.

Nun sind sie wieder zu sehen – die Jahreszeiten in den medaillonförmigen Kunstwerken am Deckenrand. Offensichtlich mit den Mätressen Augusts des Starken. Die Türkin Fatima als Winter, die spätere Fürstin Lubomirska als Herbst, die Cosel als Sommer. Nur der Frühling, der ist nicht mehr da. War das vielleicht die Schwedin? Vom großen Mittelbild sind zumindest ein Engel und ein Pfau zu erkennen. Vermutet wird, dass hier Glücksgöttin Fortuna über allem wachte, vielleicht auch die Geburtsgöttin Juno, als deren Symbol der Pfau gilt. Jakob Reichstein ist begeistert von der Leistung der Restauratorinnen, von ihrem Blick auf die barocke Ästhetik. 80 Seiten Befunderhebung gibt es, barocke und junge Wandmalereien werden aufgespürt.

Die Wohnraumdecke ist unzweifelhaft der Blickpunkt. Beinahe etwas schade. Darunter gibt es ebenfalls viel zu schauen. Ein schöner alter Schrank, der dunkelgrüne Kachelofen samt Kamin. Die moderne beigefarbene Couch, die ebenfalls moderne Lampe unterm Deckengemälde. Der ungehinderte Blick in die Küche.

Verschlossene Tür im Keller

Die Wohnung im Dachgeschoss ist vermietet, die Gästewohnung im Erdgeschoss gerade fertig geworden. Auch hier überall Zeugnisse der Vergangenheit. Ein Teil der Steinmauer wurde nicht verputzt. Die angedeutete Haustür an der Innenwand des Schlafzimmers zeigt: Hier wurde früher mal angebaut. Und zwar in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Für eine Zahnarztpraxis. Später war der sportmedizinische Dienst dort untergebracht.

Auf der anderen Flurseite ein Rohbau-Raum mit historischer dunkler Holzbalkendecke. Hier könnte das Café entstehen, sagt Jakob Reichstein und schmunzelt. Das gehört zum letzten Viertel an Arbeit, das noch gemacht werden will. Zu dem zählt auch, was hinter einer noch immer zugemauerten Kellertür wartet. Darauf sind die Hausbesitzer besonders gespannt.