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Doppel-Weltmeister mit dem Schlepper

Die Modellsportler vom MSV Sächsische Schweiz räumen bei der WM ab. Geschichte schreiben dabei ein Vater und seine Tochter.

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© Dirk Zschiedrich

Von Stephan Klingbeil

Pirna/Orneta. Nomen est omen: „Fairmount Summit“ heißt das 13 Kilogramm schwere, über mehrere Jahre hinweg angefertigte Schiff, mit dem Kai Hölzel vom Modellsportverein (MSV) Sächsische Schweiz vor Kurzem Geschichte schrieb. Der englische Name des Ankerziehschleppers des niederländischen Unternehmens Fairmount Marine bedeutet auf Deutsch „Gipfel“. Und den vorläufigen sportlichen Höhepunkt erreichte der 47-Jährige mit seiner Miniatur nun allemal. Bei den Weltmeisterschaften im polnischen Orneta war der Deutsche Meister im Schiffsmodellsport vor wenigen Tagen zweimal an den Start gegangen und siegte beide Male – die perfekte Ausbeute also. Es ist der größter Erfolg für seinen Pirnaer Verein und für ihn persönlich. 2009, bei der Heim-WM des MSV am Copitzer Natursee, errang der gelernte Radio- und Fernsehtechniker aus Dresden-Pillnitz Silber. Acht Jahre später gewinnt er Doppel-Gold.

In der Disziplin F 4 B überzeugte der Sachse mit seinem Schlepper-Modell die Jury. Er bekam 99,33 von 100 Punkten. Und auch auf dem Parcours im Jezioro Mieczowe ließ er die Konkurrenz hinter sich – trotzte Wellen und Regenwetter mit teils schlechter Sicht. Nach drei fast fehlerfreien Rennen auf dem See der Kleinstadt in Nordpolen dockte er mit seinem ferngesteuerten, ein Meter langen Schiff als Bester an.

„Als der Sieg feststand, war das für mich eine Mischung aus totaler Erleichterung und überschwänglicher Freude, es war unfassbar“, erinnert sich Hölzel. „Als ich auf dem Siegerpodest oben stand und die deutsche Hymne ertönte, war das ein großer emotionaler Moment.“ Der ganze Stress, die weit mehr als 1 000 Stunden Tüftelei in der Werkstatt daheim hatten sich gelohnt. „Und dann gleich Doppel-Weltmeister.“

Bald bei großen Schiffen am Steuer

In seiner anderen Disziplin F 4 A trat er mit dem deutlich kleineren Fischkutter-Modell „Rainbow“ an. Mit dem Boot hatte Hölzel schon viele Siege eingefahren. Hier ging es „nur“ darum, in einer auf sieben Minuten befristeten Rennzeit den dreieckigen Parcours zu passieren, ohne die zwölf Tore aus Bojen zu touchieren. In drei Rennen blieb Hölzel, der zudem Mannschaftsleiter des mit mehreren WM-Medaillen sehr erfolgreichen Deutschen Nationalteams ist, als Einziger ohne Fehler – und holte so Gold.

Doch der selbstständige Werbefachmann, der als sein zweites Standbein für Reedereien Modelle von echten Schiffen baut, hatte in Polen noch mehr Grund zur Freude. Denn alle vier WM-Starter des MSV mischten vorne mit. Die erst 14 Jahre junge Alexa Hoffmann wurde Fünfte, deren Vater André Hoffmann sicherte dem Pirnaer F-7-Team in dem Wettbewerb, bei dem es um seemännische Funktionen der recht wuchtigen Modelle geht, die Silbermedaille.

Und obendrein holte Tina Hölzel bei den Juniorinnen Silber. Dreimal WM-Edelmetall für Vater und Tochter: Das gab es beim MSV auch noch nie. Die 17-jährige Tina teilt das Hobby ihres Vaters, der schon seit vier Jahrzehnten Schiffsmodelle baut. „Ich interessiere mich für Technik, für Physik und bin natürlich immer bei Turnieren mit der Familie dabei gewesen, da wächst man mit rein“, sagt die mehrfache ostdeutsche und deutsche Nachwuchsmeisterin.

Von Vater Kai bekommt sie gute Tipps. Viele Monate lang tüftelte sie neben dem Abitur an ihrem Modell von der „Littorina“. Das ist ein Forschungskutter aus Kiel, wo sie einst ein Schülerpraktikum absolvierte. Der Vize-Titel bei ihrem ersten und altersbedingt letzten Start bei einer Juniorinnen-WM war für sie jetzt ein schöner, vorläufiger Wettkampfabschluss. „Ich beginne im August ein Nautik-Studium in Rostock“, erklärt Tina Hölzel. Bei dem Kreuzfahrtunternehmen Aida will sie sich zur Nautischen Offiziersassistentin ausbilden lassen. Sie wechselt damit quasi von den kleinen auf die großen Schiffe. Irgendwann möchte sie auch mal einen Ozeanriesen steuern.

Ihr Hobby hat bei der Auswahl – 200 Bewerber habe es auf die zehn Studiumplätze gegeben – sicher nicht geschadet – im Gegenteil. Wegen ihres Studiums wird Tina Hölzel nun aber die Ostdeutschen Meisterschaften im August verpassen. Für die deutschen Titelkämpfe im nächsten Jahr und die WM 2019 kann sie sich so nicht qualifizieren. Anders ihr Vater: Ihm bleibt diese Qualifikations-Ochsentour sogar erspart. Als weltbester Schiffsmodellsportler bekommt er einen Freifahrtschein, um seine Titel in zwei Jahren vielleicht verteidigen zu können. „Das wird schwer, schwieriger, als Weltmeister zu werden“, sagt der 47-Jährige. Die Konkurrenz schlafe ja nicht.