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Dopingmittel statt Schildkrötenblut

Chinas Weltrekordläuferin hat in einem Brief den Konsum von verbotenen Mitteln gestanden.

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© dpa

Peking. Die ehemalige Weltklasse-Langstreckenläuferin Wang Junxia hat offenbar erstmals jahrelanges systematisches Doping in Chinas Leichtathletik-Nationalteam eingestanden. Gemeinsam mit ihren Teamkolleginnen, die Anfang der Neunzigerjahre mit unwirklichen Fabelzeiten für Aufsehen gesorgt hatten, erhebt die Weltrekordhalterin über 3 000 und 10 000 Meter in einem erst jetzt vom chinesischen Sport-Magazin Tencent Sports veröffentlichten Schreiben aus dem Jahr 1995 schwere Vorwürfe gegen den berüchtigten Läuferinnen-Trainer Ma Junren.

Junxia war Teil der skandalumwitterten „Schildkrötenblut-Armee“ unter der Leitung Junrens, deren Mitglieder bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen aufgetrumpft hatten. Der Trainer habe die Athletinnen „viele Jahre gezwungen, eine große Menge illegaler Drogen“ zu nehmen, heißt es in dem Dokument. Zudem gestehen die Unterzeichnerinnen ihre Angst ein, „das Ansehen unseres Landes zu beschädigen und den Wert unserer hart erkämpften Medaillen zu schmälern“.

Junxias Bestmarke über 3 000 Meter von 8:06,11 Minuten stammt aus dem Jahr 1993, auf den Plätzen zwei bis vier in der Rangliste der besten jemals gelaufenen Zeiten liegen ihre damaligen Teamkolleginnen Qu Yunxia, Zhang Linli und Ma Liyan. Die Kenianerin Hellen Onsando Obiri benötigte 2014 als schnellste nicht-chinesische Läuferin 8:20,68.

Über 10 000 Meter lag Junxia ebenfalls 1993 in 29:31,78 Minuten sogar satte 22 Sekunden unter der 2009 von der Äthiopierin Meselech Melkamu gelaufenen zweitbesten Zeit der Geschichte (29:53,80). Junxia wurde bis 1994 von Ma betreut. Sie trennte sich von ihm mit dem Vorwurf, Athletenprämien unterschlagen zu haben. Bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta gewann die Chinesin Gold und Silber. Nach den Spielen beendete sie ihre Karriere, sie studierte in den USA und China. Die Diplom-Juristin heiratete einen bekannten chinesischen Fußballer. Sie ist Mutter und an einer Firma für Fitnessgeräte beteiligt.

Der Weltverband IAAF soll Untersuchungen eingeleitet haben, um die Echtheit des Schreibens zu klären. Ist es echt, wäre es der bisher stärkste Hinweis auf illegale Praktiken von Ma, der Doping stets abstritt. Das Erfolgsgeheimnis seiner Truppe sei hartes Training und Schildkrötenblut. Anfang der Woche war Ma in chinesischen Medien unter Druck geraten. Laut Recherchen des chinesischen Schriftstellers und Journalisten Zhao Yu soll er Sportlerinnen geschlagen und ihnen Dopingsubstanzen sogar selbst injiziert haben.

Zuletzt war die internationale Leichtathletik durch den Doping-Skandal in Russland erschüttert worden. Der nationale Verband wurde vorläufig suspendiert, russischen Athleten droht damit das Olympia-Aus für die Spiele in Rio de Janeiro. (sid/dpa)