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„Doping ist ein perverser Kreislauf“

Der vierfache Friedensfahrtsieger Uwe Ampler findet das Armstrong-Geständnis wenig überzeugend. Illusionen hegen er und weitere frühere Radstars sowieso nicht.

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Von Manfred Hönel und Berthold Neumann

Dem einen waren Lance Armstrongs Erfolge schon immer unheimlich vorgekommen, den anderen reicht die Glaubwürdigkeit des US-Amerikaners bei seinem Doping-Geständnis bei Talk-Ikone Oprah Winfrey nicht. Ehemalige sächsische Radsportler und Trainer sowie weitere einstige Radstars aus der DDR und Polen eint aber die Skepsis, dass die TV-Beichte bei Weitem noch keinen Meilenstein in der Bekämpfung von Sportbetrug darstellt.

Ampler kennt die Situation

Es war im Juli 1999. Ein ungewöhnlicher heißer Sommer. Armstrong fuhr in Frankreich seinem ersten Tour-Erfolg entgegen, Ex-Weltmeister Uwe Ampler zeitgleich in Kamenz dem Gesamtsieg bei der Sachsen-Tour. Beide hatten dabei betrogen. Während sich der Doper-König aus den USA aber noch viele Jahre in Glanz und Geld sonnen konnte, flüchtete Ampler seinerzeit in einem Auto seines damaligen Teams Agro Adler wie ein Gehetzter aus der Etappenstadt Kamenz. Er war mit dem verbotenen Mittel Testosteron erwischt worden. Der Leipziger weiß also, wovon er spricht. „Doping ist ein perverser Kreislauf“, sagt der heute 48-Jährige. „Von den Pharmakonzernen werden ständig neue Produkte auf den Markt geworfen, die besonders auf den Sport zielen. Und der ist ein großer Absatzmarkt“, erklärte der viermalige Friedensfahrtsieger. Und was Armstrong betrifft, da macht sich Ampler überhaupt keine Illusionen. „Armstrong hat sich immer noch voll unter Kontrolle. Er hat sich ein großes Imperium aufgebaut, von dem er keinen Millimeter preisgegeben hat“, sagte Ampler, dem Sportfans in den neuen Bundesländern noch heute mit viel Sympathien begegnen. 1996 beschuldigte er das ehemalige Team Telekom, ihn gegen seinen eigenen Willen gedopt zu haben. Ampler verlor jedoch vor Gericht und in der Folge seine sportliche Reputation. Die Geschichte gab ihm erst ein Jahrzehnt später recht. „Im Spitzensport geht es um viel zu viel Geld. Da ist ein Griff in die Apotheke immer eine Verlockung“, sagt er.

Schiffner ärgern Pauschalurteile

Michael Schiffner weist auf den Gesundheitsaspekt hin, der Armstrong offenbar Verschleierungsmöglichkeiten bot. „Er hat durch seine Krebserkrankung Medikamente genommen. Aber dass er alles geschluckt und nichts ausgelassen hat, überraschte mich schon“, sagte der DDR-Friedensfahrtkapitän von 1972 bis 1976. Den Leipziger, der als Trainer unter anderen das Wiesenhof-Team in die nationale Spitzengruppe führte, ärgern aber Pauschalverurteilungen. „Doping können sich nur reiche Athleten leisten. Wenn die Leute annehmen, jeder Fahrer dopt, haben sie keine Ahnung“, meinte der 61-Jährige. „Sie wissen gar nicht, was eine sogenannte Epo-Kur kostet. Eine solche Kur für einen einzigen Profi würde den gesamten Jahresetat meiner Markranstädter Mannschaft schlucken, fügte er hinzu.

Winkler fordert Kontrollen

Mit welcher Leichtigkeit Armstrong früher Jan Ullrich und andere Rivalen am Berg stehen ließ, hat bei Volker Winkler immer für Kopfschütteln gesorgt. „Er war mir unheimlich. Wie er über die Berge marschierte und im Ziel oft noch frisch aussah, machte mir richtig Angst“, sagte der vierfache Weltmeister mit dem Bahnvierer. Der Cottbuser glaubt jedoch nicht an die reine Unschuld anderer Sportarten. „Auch in anderen Sportarten könnte es derartige Systeme geben. Wenn die Tennisspieler ein Match über fünf Stunden bestreiten und am anderen Tag die Bälle über das Netz jagen, als wären die Dinger von einer Kanone abgeschossen, bekomme ich auch Fragen“, meinte der 55-Jährige. Auch die Pharmaindustrie sollte strenger kontrolliert werden, fordert der Olympiazweite von 1980. „Ich weiß aber, dass ich mit diesem Vorschlag in unserer geldorientierten Welt ein Fantast bin.“

Greipel sieht nur eine Show

Dass ausgerechnet die junge Generation von Rennfahrern, die sich dem sauberen Radsport verschrieben hat, jetzt für Armstrong und Co. büßen muss, finden der WM-Dritte Andre Greipel aus Rostock und Piotr Wadecki, Friedensfahrt-Sieger von 2000, empörend. „Wieso muss die heutige Generation die Zeche für die Sünden der Doping- Generation zahlen?“, fragte Wadecki in einem Interview. Und den heutigen Manager des einzigen polnischen Spitzen-Rennstalls CCC Polsat interessiert: „Ich würde gerne mal wissen, warum man mit den Beweisen gegen Armstrong zwölf, dreizehn Jahre gewartet hat?“ Greipel hat „sich keine Minute“ der TV-Beichte angesehen. „Das war doch sowieso nur alles Show“, sagte der fünfmalige Etappensieger der Sachsen-Tour.

Auch die Mehrheit der Deutschen hat das Dopinggeständnis nicht überzeugt, ergab gestern eine Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Und mit 88 Prozent der Deutschen sind sich die Stars einig: Statt die notwendige Aufarbeitung einzuleiten, hat Armstrong mit seinem Auftritt einen weiteren dunklen Schatten über dem Radsport gelassen.