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Doktor verschenkt 1 000 Euro

Ernst Wirth stiftet für den Kunstförderpreis Bischofswerda. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe.

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© Steffen Unger

Von Gabriele Nass

Bischofswerda. Die Sonne meint es gut. Sie scheint an diesem Herbstnachmittag noch einmal aus voller Kraft in den Wintergarten, den sich Wirths in den 1990er-Jahren an ihr Haus am Stadtrand von Bischofswerda mit Blick zum Garten bauen ließen. Natürlich gewachsen ist dort vieles. „Die Natur weiß, was wie zusammengehört, man muss sie nur lassen“, sagt der Chirurg im Ruhestand Ernst Wirth. Beim Gespräch genießen wir diesen unverstellten Blick nach draußen genauso wie das zufriedene Jauchzen vom kleinen Arthur Matthäus. Der Anderthalbjährige spielt, kommt zu Opa auf den Schoß. Seit seiner Geburt wohnt er mit seiner Mutti, Wirths Tochter Miranka, im Haus der Familie. Die junge Frau ist in der Medizinforschung tätig. Während sie mit ihrem Team in Berlin um Fortschritte für die Behandlung bei Demenz ringt, kümmern sich Dr. Ernst Wirth und seine Frau um den Enkel. Manches mit dem Kleinen fällt den beiden körperlich schwer. Aber sich in der Familie zu helfen, sei ganz selbstverständlich. Mit 76 genießt es der Opa, den Enkel aufwachsen zu sehen. Als er aufsteht, um dem Gast seine Kunstsammlung zu zeigen, will Arthur auch mit. Er versteht noch nichts von den Werken an der Wand. Doch es liegt nahe, dass er es bald verstehen lernt.

Im Sommer hat Dr. Ernst Wirth 1 000 Euro gestiftet. Er ist damit Initiator für den neuen Bischofswerdaer Jugend-Kunstförderpreis. „Sich mit Kunst zu beschäftigen dauert ein Leben lang. Je tiefer man eindringt, umso mehr Freude und Befriedigung hat man. Ich möchte es nicht missen. Junge Leute brauchen eine Chance, das so auch kennenzulernen.“

Gleiche Chancen für alle Kinder

Der Feingeist Wirth beschäftigt sich sein ganzes Leben lang mit Kunst und Kultur. Konzert- und Museumsbesuche oder Reisen zur Biennale nach Venedig waren ihm wichtiger als ein noch größerer Wintergarten und ein hochmodern ausgestattetes Haus. Schon als Kind bekam er mit, wie sein Großvater dem Maler Paul Wicke (1892-1948) in Bautzen Aufträge gab.

So funktioniert der Kunstförderpreis

Wer kann mitmachen? Angesprochen sind junge Künstlerinnen und Künstler aus dem Bereich Bildende Kunst im Alter zwischen 10 und 18 Jahren, wenn sie in Bischofswerda wohnen oder außerhalb zu Hause sind, aber eine Schule in Bischofswerda besuchen. Kunsterzieher/innen, deren künstlerisches Engagement in den eingereichten Arbeiten sichtbaren Ausdruck findet, werden geehrt.

Wie beteiligt man sich? Der Preis wird verliehen für Unterrichtsarbeiten und für Arbeiten, die in der Freizeit entstehen. Eingereicht werden sollen bis zum Ende des laufenden Schuljahres zwei bis drei Arbeiten (Ölmalerei, Zeichnung, Aquarell, Druckgrafik, Collagen, Assemblagen usw.). PC-Arbeiten sind ausgeschlossen. Für Besuche von Vernissagen und Ausstellungen in der Carl-Lohse-Galerie Bischofswerda gibt es Pluspunkte.

Wer entscheidet? Es gibt eine Jury. Sie setzt sich aus einem Vertreter der Stadt, einem berufenen Bischofswerdaer Künstler oder Kunstpädagogen/in sowie Dr. Ernst Wirth zusammen. Die Jury entscheidet bis zum Ende der Sommerferien 2018. Während der Sommerferien werden Arbeiten im Rathaussaal ausgestellt. Besucher dieser Ausstellung können die Arbeiten mitbewerten.

Was kann ein Künstler gewinnen? Die Höhe des Gesamtpreises, den Dr. Ernst Wirth stiftet, wird jährlich neu festgelegt. Die Höchstsumme sind 1000 Euro. Die Jury behält sich vor, je nach Qualität der eingereichten Arbeiten die Höhe des Preisgeldes und die Verteilung jährlich individuell festzulegen. Die Prämierung soll zum Herbstmarkt 2018 erfolgen.

Wer ist Ansprechpartner? Madlen Raupach, Mitarbeiterin für Marketing bei der Stadt Bischofswerda,Telefon: 03594 786217,E-mail: madlen.raupach@bischofswerda“

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Wirths Vater wiederum war Theologe und kritisch. Bei Diskussionen am Küchentisch lernte der junge Ernst als Kind, was ihm später unter anderem als Stadtrat (SPD) in Bischofswerda Achtung und Dank einbrachte: die Fähigkeit, Kompromisslinien zu ziehen. „Es geht nicht unbedingt darum, opportun zu sein, aber zu erkennen, was wichtig ist“, sagt Ernst Wirth. Mit den Eltern besuchte er Kirchen: „Man braucht solche Anregungen, um Kunst verstehen zu lernen und kreativ sein zu wollen.“

Die Zeiten ändern sich. „Unsere Gesellschaft geht in eine Zukunft, die materiell und finanziell orientiert scheint“, beklagt Dr. Wirth. Das gefalle ihm auch deswegen nicht, weil immer weniger Kinder von Hause aus, durch Schule oder Gesellschaft an Kunst herangeführt werden. Oder warum sind fast keine Jugendlichen dabei, wenn in der Carl-Lohse-Galerie in Bischofswerda Ausstellungen eröffnet werden? Warum gibt es keinen Mal- und Zeichenzirkel mehr so wie früher? Ernst Wirth fragt sich so etwas und bedauert, bleibt dabei aber nicht stehen. „Wir tun viel Gutes in unserer Stadt Bischofswerda, aber wir machen überhaupt keine Angebote mehr für die Entwicklung Bildender Kunst. Das muss sich wieder ändern“, sagt er und stiftet die 1 000 Euro. Ernst Wirth wünscht sich, dass alle Kinder die gleichen Chancen auf einen Zugang zur Kunst haben. „Ich möchte etwas zurückgeben von dem, was ich bekommen habe. Man sieht die Welt mit anderen Augen, wenn man kreativ ist“, sagt er.

Wirth ist im Kirchenmusik- sowie im Museums- und Geschichtsverein Bischofswerda tätig, und er arbeitet auch jetzt, da ihn die Betreuung des Enkels fordert, im hiesigen Zeitzeugen- und Fronfesteverein mit. Zudem engagiert er sich im sorbischen Künstlerverband und im sorbisch-evangelischen Kirchenverein. Und er sammelt Kunst. Zu den Werken in seinem Besitz gehört „Der barmherzige Samariter“. Das Gemälde war ein Auftragswerk für die frühere chirurgische Abteilung des Krankenhauses Bischofswerda an der Stolpener Straße. Es zeigt einen Chirurgen bei seiner Arbeit, umgeben von Gefahren und dem Ruf nach Hilfe. „Horst Bachmann hat es nach meinen Ideen gestaltet, und der damalige Leiter des Kulturamtes beim Rat des Kreises hat das Projekt unterstützt“, erzählt Dr. Wirth. Bis zur Eröffnung des neuen Krankenhauses an der Kamenzer Straße hing das Gemälde im Konferenzzimmer der Chirurgie. Später fand es Dr. Wirth im Heizungskeller der neuen Klinik. Von dort rettete er es vor der Vernichtung. „Ich habe es mit Kaufvertrag erworben. An diesem Gemälde hängt auch persönliche Geschichte“, sagt der Arzt. Das Bild fand seinen neuen Platz neben anderen Gemälden im Wohnzimmer von Familie Wirth.

Im Gedenken an den toten Sohn

Selbst malt Dr. Ernst Wirth nicht. Das hatte ihm sein Sohn Matthäus voraus, der 2010 mit nur 31 Jahren plötzlich und erwartet gestorben ist. Matthäus Wirth studierte an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin, wurde Architekt. In seiner Freizeit widmete er sich der Malerei. Der kleine Arthur Matthäus versteht noch nichts davon, aber er weiß, dass einige Bilder an der Wand im Wohnzimmer seiner Großeltern von Onkel Matthäus sind. Das haben ihm Oma und Opa, die den künstlerischen Nachlass ihres Sohnes bewahren, erzählt. Die Beschäftigung mit der Kunst habe das Leben seines Sohnes bereichert. „Und auch meins“, sagt Dr. Wirth. „Er hat mich den neuen deutschen Malern wie Joseph Beuys, Gerhard Richter, Anselm Kiefer, Robert Rauschenberg, Neo Rauch, Martin Kippenberger und Georg Baselitz oder den Amerikanern Andy Warhol und Jean-Michel Basquiat näher gebracht.“ Der Jugend-Kunstförderpreis Bischofswerda trägt in Memoriam an Matthäus Wirth den Namen MaWi.

Dass seine Idee, junge Künstler zu fördern, umgesetzt wurde, verdankt Dr. Wirth Partnern. Der Kunsterzieher Bernd Warnatzsch und Mitarbeiter der Stadt Bischofswerda haben mit ihm an der Satzung gearbeitet und einen Rahmenabgesteckt. MaWi, sagt Dr. Wirth, könnte auch für „malend wirken“ stehen. Bisher bleibt allerdings die Resonanz hinter den Erwartungen zurück, sagt Madlen Raupach vom Stadtmarketing Bischofswerda. Eine Schülerin der Zwölften des Goethe-Gymnasiums bewirbt sich bisher. Um für die Teilnahme am Kunstförderpreis zu werben, gingen im August Informationen und Plakate an Schulen. In Anschreiben wurden die Schulleiter/innen um Unterstützung gebeten. Wohl wissend, dass Schulleiter und Lehrer schon schwer gefordert sind, den normalen Unterricht abzusichern, soll es weitere Versuche geben, die Lehrer fürs Mitmachen zu begeistern, heißt es im Rathaus. „Es wäre so wichtig, dass uns das gelingt“, meint Dr. Wirth. Ihn ermuntert nun auch das Ergebnis der Bundestagswahl. Alle könnten sehen, wie wichtig es ist, jede Chance zu ergreifen, den inneren Zusammenhalt der Gesellschaft zu bewahren „Das Wahlergebnis ist die Chance zum Aufwachen“, sagt Dr. Ernst Wirth.