Merken

Döner statt Schulessen in Görlitz

Das Görlitzer Gymnasium Augustum hoffte auf eine Mensa an der Ecke Klosterplatz. Nun öffnet dort ein türkisches Lokal.

Teilen
Folgen
© nikolaischmidt.de

Von Marvin Liebig

Tunc Riza ist guter Dinge. Am Dienstag eröffnet seine türkische Gaststätte „Imparator Kebap Haus“ am Klosterplatz im Gebäude des ehemaligen Matratzen-Outlets. Der 45-jährige Gastronom, der früher unter anderem im „Antalya 2“ auf dem Demianiplatz arbeitete, hofft auf viele hungrige Kunden. Auch vom gegenüberliegenden Augustum, in dem sich die Acht- bis Zwölftklässler des Gymnasiums auf das Abitur vorbereiten. Dort sorgt die Eröffnung aber nicht nur für erfreute Gesichter.

Laut Hubertus Kaiser, zugleich Pressekoordinator des Gymnasiums und Lehrer für Gemeinschaftskunde und Sport, versuchte der Förderverein der Schule bereits vor zwei Jahren den Raum anzumieten, der seit September 2013 leer stand. „Wir wollten gemeinsam mit der Stadt eine Schülerspeisung einrichten“ , sagt der 51-Jährige. Der Speiseraum in der sogenannten Anne, in der die Klassen fünf bis sieben lernen, sei deutlich zu klein für die hohe Zahl an Schülern.

Deshalb entschied man, sich um das Gebäude am Klosterplatz zu bemühen. Dafür war auch die Hilfe der Stadt nötig. Diese sendete positive Signale. Hubertus Kaiser glaubte den Willen zu erkennen, den Schülern in Görlitz etwas Gutes zu tun. Umso überraschender war es, dass das gemeinsame Vorhaben nach und nach einschlief und letztendlich scheiterte. Über die Gründe kann nur gemutmaßt werden. Vermutlich waren der Stadt die finanziellen Hürden zu hoch. Sebastian Ripprich, Vorsitzender des Fördervereins Augustum-Annen, erklärte, dass der Verein bereit gewesen sei, erhebliche Beträge zum Projekt beizusteuern, darunter auch solche, die nicht dem Pflichtbereich angehörten – zum Beispiel Getränkeautomaten. Die Stadt äußerte sich trotz Anfrage bislang nicht zu dem Thema.

Dass jetzt ausgerechnet ein Dönerladen anstelle einer Schülerkantine zum Essen einlädt, ist für beide eine beißend ironische Wendung. „Das ist ein Schlag ins Gesicht der Schule“, erklärt Hubertus Kaiser enttäuscht. Auch bei Sebastian Ripprich, der sieben Jahre lang Elternsprecher des Gymnasiums war, überwiegt der Frust. Der 54-jährige freischaffende Librettist und Autor spricht von einer „Görlitzer Realsatire“. Laut ihm bringe es aber nichts, sich über die aktuelle Entwicklung zu echauffieren.

Vielmehr müsse man untersuchen, warum es so gekommen sei. Auch Lokalbesitzer Tunc Riza mache er keinen Vorwurf. Er habe von der Vorgeschichte schließlich nichts wissen können. Aus marktwirtschaftlicher Sicht sei auch die Vergabe durch den Vermieter nachvollziehbar. Hubertus Kaiser sieht aber noch ein ganz anderes Problem: „Die Stadt sollte sich überlegen, ob und wie sie die Jugendlichen binden will“ , sagt er. „Unser gemeinsames Projekt war eine gute Gelegenheit. Diese wurde nicht genutzt.“ Nach den Ferien soll im Eltern- und Schülerrat des Augustum-Annen-Gymnasiums besprochen werden, wie zukünftige Ideen und Pläne umgesetzt werden sollen. Sicherlich wird das Thema Schulspeisung am Klosterplatz noch einmal aufgegriffen .

Großschönauer Verhältnisse drohen Görlitz aber trotzdem nicht. Vor etwa drei Jahren hatte Gastwirt Ibrahim-Halil Erdogan dort ein sogenanntes „Cashwin Casino“ nicht einmal 30 Meter neben der Mittelschule des Ortes eröffnet. Eltern, Lehrer und Gemeinde liefen Sturm bei der Landesdirektion in Dresden. Nach langem Hin und Her musste die Spielhalle Ende 2013 schließen. Laut dem sächsischen Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag von 2012 muss der Abstand zwischen einer Spielhalle und einer allgemeinbildenden Schule mindestens 250 Meter betragen.

Wie Stadtsprecherin Anett Böttger auf SZ-Anfrage mitteilte, handele es sich am Klosterplatz aber nicht um eine Spielhalle, sondern um eine Gaststätte. In deren Räumen sei das Aufstellen von maximal drei Gewinnspielgeräten möglich. Eine Abstandsregelung zu allgemeinbildenden Schulen müsse deshalb nicht berücksichtigt werden. Auch Hubertus Kaiser und Sebastian Ripprich machen sich wegen der Spielautomaten keine großen Sorgen. „Ich denke nicht, dass die Schüler deswegen zu Zockern werden“ , sagt Kaiser. Dafür will auch Tunc Riza Sorge tragen. Er habe sich, nach eigener Aussage, ausführlich über die in Deutschland geltenden Regelungen informiert und diese in seiner Gaststätte beachtet. Die Zulassung von der Stadt bekäme man schließlich nicht einfach so.

So gering der Ärger über das Görlitzer Lokal und seinen Besitzer ist, so groß ist er über den endgültigen Verlust der potenziellen Schülerspeisung. Trotzdem geben die Betroffenen die Hoffnung nicht auf. „Ich gehe davon aus, dass die Stadt noch ein besseres Gebäude für uns hat“ , sagt Sebastian Ripprich. „Wenn sie ein Objekt wie am Klosterplatz aufgeben kann, muss sie noch etwas in der Hinterhand haben.“ Das klingt ironisch – ist aber vollkommen ernst gemeint.