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Digitale Denker

Alle reden vom Fachkräftemangel. Das Schülerrechenzentrum der TU Dresden tut etwas dagegen.

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© Sven Ellger

Von Rafael Barth

Vielleicht arbeitet Edwin Weinholtz aus Freital eines Tages bei Facebook in Kalifornien. Denn wie man ein Netzwerk programmiert, weiß der 14-Jährige schon. Er schuf einen digitalen Treffpunkt für sich und seine Tennisfreunde, richtig mit
Log-in, Profilbild und aktuellen Nachrichten aus der Welt der gelben Bälle. Für manche Funktionen musste Edwin hartnäckig probieren, bis er eine Lösung fand. „Wenn man fünf Stunden an einem Problem sitzt und verkrampft, ist das lästig. Aber wenn es funktioniert, ist das richtig schön“, sagt der Schüler und lächelt.

Damit Edwin mehr lernt über Programmiersprachen und Webdesign, fahren ihn seine Eltern jeden Dienstag nach Dresden zum Schülerrechenzentrum, kurz SRZ. Etwa 120 Jugendliche der Klassenstufen sieben bis zwölf werden dort in Informatik und Elektronik unterrichtet. Jetzt zieht die Einrichtung in neue Räume im Obergeschoss des Gymnasiums Bürgerwiese, das am Freitag übergeben wurde. Und sie feiert ihren Geburtstag: Seit 30 Jahren läuft der Unterricht. Zum Jubiläum gibt es in einem Monat neben weiteren Veranstaltungen ein Kolloquium zur Begabtenförderung im naturwissenschaftlich-technischen Bereich. Ein Thema, bei dem Steffen Friedrich unruhig wird.

Praxis für die Besten

Friedrich ist Professor für Didaktik der Informatik an der TU Dresden und Chef des Schülerrechenzentrums. Er fragt sich, weshalb sächsische Gymnasiasten in der Oberstufe zwar Physik, Geschichte oder Kunst als Leistungskurs wählen können, aber keinesfalls Informatik. Dass Smartphones und Internet mehr und mehr die Lebenswelt bestimmen, merkt jeder. „Aber die Gesellschaft hat noch nicht erkannt, dass deren Hintergrund die Informatik als Fachwissenschaft ist.“

Doch das allein ist es nicht, was den Professor stört. Friedrich hat durchaus Verständnis, dass Lehrer sich oft mit den Schülern beschäftigen, die Lernprobleme haben. „Aber wir kümmern uns zu wenig um die Spitzenleute.“ Deshalb bietet das SRZ weder Allgemeinbildung noch Ersatz für ausgefallene Informatikstunden. Die Kurse sind für Jugendliche gemacht, die jene Konzepte verstehen wollen, die hinter Datenbanken und Schaltkreisen stecken. „Wir wollen die Besten haben“, sagt Friedrich. Eben jene Spitzenleute, deren Talente sonst ungenutzt blieben.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Schüler das Gymnasium besucht oder die Oberschule. Wichtig sind Neugier und Geduld. Entsprechend deutlich grenzt sich das Schülerrechenzentrum ab von Hackerclubs, Medienkursen und Lernlaboren, wo der Nachwuchs sporadisch oder kurzzeitig mitmacht. Die Kurse am SRZ dauern so lange wie das Schuljahr, Theorie und Praxis wechseln sich ab, es gibt Noten und eine Projektarbeit, die verteidigt werden muss. Je nach Kursumfang zahlen die Eltern für ein Jahr 105 oder 145 Euro. Eine gute Investition in die Zukunft, für die sich die Schüler in Ruhe einem anspruchsvollen Stoff widmen. Oder wie der Didaktik-Professor sagt: „Bildung braucht Zeit.“

Für den laufenden Betrieb ist die Informatik-Fakultät der TU zuständig. Ohne weitere Partner ginge das aber nicht. Dazu zählen das Kultusministerium und die Stadt; Letztere stellt kostenlos Räume in einer ihrer Schulen bereit. Und dann sind da noch große und kleine IT-Unternehmen, die Technik sponsern oder die Schüler bei Praxisprojekten betreuen. Es kostet sie Geld und Zeit, trotzdem wollen sie dabei gewinnen. Nämlich langfristig.

Headhunter in der Schule

Mancher Jugendliche vom Schülerrechenzentrum zählt zu den Informatikern von morgen. „Wir sind immer auf der Suche nach Mitarbeitern, und das fängt in dem Alter an“, sagt René Krasselt, Manager bei der Dresdner Software-Firma Communardo. Der Branchenverband Bitkom stellte bei einer Erhebung im vorigen Oktober fest, dass es deutschlandweit 39 000 offene Stellen für IT-Experten gibt, und schlug abermals Alarm: Fachkräftemangel! Auch bei Communardo ist Personalgewinnung ein Dauerthema, bestätigt Krasselt. „Die Anstrengungen haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen.“ Sie wollen natürlich die Besten. Zum Beispiel jene, die in ihrer Jugend im Schülerrechenzentrum waren.

Dieses führt keine Statistik, welcher Schüler später in die Branche einstieg und welcher nicht. Der Informatik-Professor kennt ein paar, die sehr erfolgreich waren. Ob indes Edwin Weinholtz überhaupt Informatik studiert, das weiß er noch nicht. Die Theorie mag er nicht so sehr, gibt er zu. Na und, wenn seine eigene Website läuft, findet er das schon so richtig schön.

Das Schülerrechenzentrum hat noch freie Plätze in folgenden drei Kursen: Vorbereitungskurs Informatik (freitags, 15 bis 17 Uhr), Robotersteuerung sowie Programmieren mit C++ (Termine nach Absprache)

Mehr Informationen im Netz unter www.srz.tu-dresden.de; Anmeldung unter 0351 - 4941322