Merken

Dieses Buch bewegt Dresdens Polizeipräsidenten

Vier Dresdner Persönlichkeiten geben einen Einblick in ihren Bücherschrank. Und verraten dabei auch Privates.

Teilen
Folgen
© René Meinig

Von Nora Domschke

Dresden. Zeig mir, was du liest, und ich sage dir, wer du bist. Horst Kretzschmar hat sich für den Auftakt der Reihe „Lesen verbindet“ Peter Richters Wenderoman „89/90“ ausgesucht. Gemeinsam mit Sänger und Moderator Gunther Emmerlich, Schauspielerin Antje Trautmann und TU-Forschungsprofessor Karl-Siegbert Rehberg gewährt Dresdens Polizeipräsident den Gästen im Jazzklub Tonne am vergangenen Sonntagabend einen ganz privaten Einblick. Und zwar in den eigenen Bücherschrank.

Als DDR-Vizemeister im Ringen habe er es früher nicht so mit Büchern gehabt, sagt Kretzschmar über seine Beziehung zur Literatur. Für Peter Richters Buch, das 2015 erschien, hat sich der Chef von 2 500 Polizeibeamten dennoch die Zeit genommen. In vielen verschiedenen Episoden blendet Richter zurück in die wilden Jahre kurz vor der politischen Wende. „Ich habe mich einfach an meine Jugend erinnert gefühlt“, sagt Kretzschmar, der diese Zeit damals in Leipzig erlebt hat. „Besonders fasziniert haben mich die Begriffe und kleinen alltäglichen Dinge, die ich fast vergessen hatte.“ Das große A zum Beispiel, das im Autofenster darauf hinwies, dass ein Fahranfänger hinter dem Steuer sitzt. Oder Anekdoten über die sozialistische Wehrerziehung.

Für Kretzschmar ist Richters Buch jedoch nicht nur Erinnerung an selbst Erlebtes. „Es ist auch eine gute Empfehlung an diejenigen, die diese Zeit eben nicht miterlebt haben.“ Für ihn gibt es viele Parallelen zur heutigen Gesellschaft. Er spüre bei den Menschen Ängste und ein gestörtes Sicherheitsgefühl. Dabei ist für Kretzschmar die Meinungsfreiheit eine besonders wichtige Errungenschaft. Sein Wunsch: „Wir müssen vernünftig miteinander umgehen.“

Das ist auch das Fazit der Podiumsdiskussion, nachdem alle vier Dresdner ihre Bücher vorgestellt haben. Antje Trautmann ist Schauspielerin am Staatsschauspiel und hatte sich mit David Forster Wallace und „Das hier ist Wasser“ für einen Essay entschieden, der aus einer 2005 gehaltenen Rede für amerikanische Collegeabsolventen stammte. Karl-Siegbert Rehberg setzte mit Albert Camus‘ „Der Fremde“ auf einen Klassiker und Gunther Emmerlich blickte mit der Autobiografie „Spätlese“ auf sein eigenes Leben zurück.

Für den Dresdner Verein Atticus, der die Veranstaltung organisierte, war der Leseabend im ausverkauften Gewölbekeller der Tonne ein Erfolg. Im Sommer soll die Reihe fortgesetzt werden.