Merken

Dienstältester Nationalparkchef weggelobt

Das Umweltministerium schiebt Nationalparkchef Jürgen Stein auf einen unauffälligen Posten und verkauft es als Beförderung.

Teilen
Folgen

Von Hartmut Landgraf

Deutschlands dienstältester Nationalparkchef Jürgen Stein wird versetzt. Völlig überraschend teilte das sächsische Umweltministerium am Donnerstag mit, dass der langjährige Leiter des Nationalparks zum 1. Januar die Führung des „Amtes für Großschutzgebiete“ in der Sachsenforst-Geschäftsleitung in Graupa übernehmen soll. Steins Nachfolger in Bad Schandau wird der Chef des Nachbarforstbezirks Neustadt, Dietrich Butter.

Umweltminister Frank Kupfer (CDU) begründete diese Entscheidung gestern so, als sei Stein zu etwas Höherem berufen worden. Die Position, die der Nationalparkchef künftig bekleiden soll, stehe vor „bedeutenden Herausforderungen“. Das Amt für Großschutzgebiete ist als übergeordnete Verwaltungsstelle des Staatsbetriebs für das Naturschutzgebiet Königsbrücker Heide/Gohrischheide, das Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaften und den Nationalpark Sächsische Schweiz zuständig. Rein formal wird Stein also befördert. Aus der Pressestelle des Ministeriums hieß es gestern, der Nationalparkchef sei ein „großer Kenner“ der Materie und dank seiner Erfahrungen bestens für den neuen Posten geeignet.

Verlässt ein Vater sein „Kind“?

Schon dessen Zuschnitt muss aber Zweifel wecken. Das Amt für Großschutzgebiete ist ein Zwei-Mann-Büro in der Sachsenforstzentrale, das es erst seit drei Jahren gibt und das bislang vom Abteilungsleiter der oberen Forst- und Jagdbehörde in Personalunion mitgeleitet wurde. In dieser Funktion gab es vor allem koordinierende Aufgaben zu erledigen. Dabei sei nicht alles optimal gelaufen, hieß es.

Auf konkrete Entscheidungen im Nationalpark nahm das Amt hingegen wenig Einfluss, wie aus Sachsenforstkreisen verlautete. Dass sich am Aufgabenzuschnitt der Stelle künftig etwas ändern werde, war Insidern nicht bekannt. Der zuständige Abteilungsleiter im Ministerium bestätigte der SZ zudem Informationen, wonach der neue Leiter für die Großschutzgebiete der Forst- und Jagdbehörde untergeordnet wird. Stein soll die geforderten Standards der europäischen Richtlinie „Natura 2000“ umsetzen. Die aber werden in den Großschutzgebieten durch deren eigenes Regelwerk schon erfüllt. Neue Managementpläne müssten nicht erarbeitet werden, so die Pressestelle.

Jürgen Stein hatte erst kürzlich mit der SZ über seine Zukunftspläne für den Nationalpark gesprochen. Gestern war er telefonisch nicht mehr zu erreichen. In der Nationalparkverwaltung herrschte im wahrsten Sinne Kopflosigkeit.

Der Nationalparkchef gilt als ein enorm willensstarker und streitbarer Mann. Als früherer Leiter der Landschaftsschutzgebietsinspektion hatte er vor 20 Jahren maßgeblichen Einfluss auf die Gründung des Nationalparks – und scheute als dessen Chef später weder Kämpfe noch Anfeindungen, um seine Ziele durchzusetzen. „Der Nationalpark war sein Kind“, sagen enge Mitarbeiter. Warum also soll er auf so einen fernen,unauffälligen Posten wechseln? War er manchem zu unbequem und angriffslustig geworden?

In diesem Jahr hatte es wieder heftige Kritik am Nationalpark gegeben – besonders an dessen Chef. Nach den Treibholzschäden, die das Kirnitzschhochwasser im August angerichtet hatte, kochte der Frust über. Anwohner und Tourismusfirmen bauten politischen Druck für Änderungen im Management des Nationalparks auf. Bei einer Regionalvisite bekam auch Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) den Ärger zu spüren.

Haufenweise Reibereien

Dieser hatte sich schon im Sommer erneut an den Wanderverboten im Nationalpark entzündet. Tenor: Immer mehr Wege würden heimlich verschwinden. Zuvor war im Frühjahr ein lange schwelender Konflikt zwischen der Nationalparkverwaltung und dem Wanderkarten-Herausgeber Rolf Böhm zum öffentlichen Streit eskaliert. Persönliche Reibereien gab es auch zwischen dem Ehrenvorsitzenden des Sächsischen Bergsteigerbunds und Stein. Der Nationalpark habe sich durch zu viele solcher Animositäten selbst isoliert, glaubt Ivo Teichmann, Vorsitzender des Tourismusvereins Elbsandsteingebirge.

Dass der Freistaat nun die Notbremse zieht, wird vom Ministerium bestritten. Es sei nicht darum gegangen, Stein aus der Schusslinie zu nehmen. In diese muss nun Nachfolger Dietrich Butter hinein, der sich den Posten auch zutraut, wie er sagt. Lange überlegen konnte er sich die Sache freilich nicht. Butter: „Ich weiß davon erst seit einer Woche.“