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Diebe im Umkleideraum

Kriminelle suchen in Görlitz stärker als bisher öffentliche Einrichtungen heim. Wenn es passiert, ist das berühmte Schild im Bild juristisch übrigens nutzlos.

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© Ralph Schermann

Von Ralph Schermann

Görlitz. Der Mann aus Ebersbach soll morgen entlassen werden. Aus dem Krankenhaus. Es ist wieder alles in Ordnung, hat der Chefarzt dem 73-Jährigen gesagt, und er könne heute gern in der Cafeteria vespern gehen. Der Senior lässt sich das nicht zweimal sagen, zieht den Schub neben dem Krankenbett auf – und blickt entsetzt: Seine Geldbörse ist nicht mehr da.

Dirk Linczmajer hört solche Fälle in letzter Zeit öfter. „Wir verzeichnen eine Zunahme von Diebstählen aus öffentlichen Einrichtungen“, berichtet der Leiter des Görlitzer Polizeireviers. Häufig handelt es sich dabei um einfachen Diebstahl, also die Wegnahme von mehr oder weniger zugänglicher Beute wie beim Portemonnaie des Ebersbachers. In solchen Fällen zahlt auch keine Versicherung. „Deshalb ist es unbedingt zu raten, niemals Wertsachen oder sehr hohe Geldbeträge einfach so zu deponieren, dass auch andere an sie mühelos herankommen“, betont Linczmajer.

Längst bemühen sich viele öffentlich nutzbare Einrichtungen um Sicherheit für die Dinge ihrer Besucher. Kliniken nehmen auf Nachfrage Wertsachen in Verwahrung, es gibt in vielen Patientenspinden bereits fest eingebaute spezielle Safes, ohne die auch längst kein Hotel mehr auskommt.

Einbrüche in der Umkleide

Dennoch ist längst auch nicht alles sicher, was unter Verschluss genommen werden kann. In öffentlichen Gebäuden steigt nämlich nicht nur die einfache Wegnahme, sondern auch der BSD, wie Polizisten und Juristen knapp zu besonders schweren Diebstählen sagen. Dazu zählt alles, was nicht einfach wegzunehmen, sondern nur mit Gewalt zu erreichen ist. Das ist schon dann der Fall, wenn – wie jüngst im Klinikum Görlitz – nach dem Knacken fester Schlösser teure Fahrräder verschwinden. Oder wenn, wie aus dem Neißebad angezeigt wurde, feste Umkleidespinde aufgebrochen werden. Gerade in solchen Spinden suchen Diebe etwas, was in ihren Kreisen längst zu einer Art Ersatzwährung geworden ist: höherwertige Handys.

Ermittlungen sind in diesen Fällen schwierig. Umkleideräume dürfen logischerweise nicht überwacht werden, Besucher im Neißebad werden ebenso wenig registriert wie in Krankenhäusern. „Am Anfang geht es da immer in alle Richtungen, das ist extrem aufwendig, und das ist für viele unangenehm“, verrät der Revierleiter. Kein Wunder, könnten doch Besucher und Patienten ebenso Täter gewesen sein wie Mitarbeiter der jeweiligen Einrichtung.

Diebstähle gemeldet werden auch aus Sporthallen, meist jenen, in denen über den reinen Schulsport hinaus mehrere andere Nutzer Zugang haben. „Vor allem im Vereinssport kann so etwas unter den Mitgliedern Verunsicherung schüren“, ist Dirk Linczmajer überzeugt. Zumal aus Sporthallen nicht nur Diebstähle angezeigt werden, sondern manch einer einfach nur mitnimmt, was andere vor ihm haben liegenlassen. „Das ist dann als Unterschlagung aber auch strafbar“, ergänzt der Polizeioberrat. Er weiß freilich zudem, dass es viele öffentliche Bereiche gibt, in denen eine besondere Mühe beim Achten auf seine Sachen besteht. Wer beim Arztbesuch ins Sprechzimmer gerufen wird, sollte zuvor im Wartezimmer zumindest alles aus der dort deponierten Jacke nehmen, was auch in Hosen- oder Handtasche passt: An der Garderobe kann zwar der Mantel bleiben, doch möglichst ohne Schlüssel, Ausweise, Handy oder ähnlich wichtigem Inhalt. Gleiches sollte man in Gaststätten beherzigen.

Allerdings wird es an dieser Stelle juristisch interessant. Denn gerade beim Friseur, in der Praxis oder im Restaurant finden sich oft warnende Schilder: „Für Garderobe keine Haftung“. Das ist allerdings meist schlicht falsch. Denn wenn das Personal die Garderobe abnimmt oder der Besucher für seine Jacke nur an einer solchen Stelle Garderobenhaken findet, die er von seinem Platz aus nicht (oder beim Gang ins Sprechzimmer nicht mehr) einsehen kann, dann haftet bei Diebstahl sehr wohl der Wirt, der Friseur, der Praxisbetreiber. Nur wenn der Besucher seine Sachen auch im Blick haben kann, haftet er selbst – dann aber egal, ob mit oder ohne Hinweisschild.

Das pauschale Schild wäre schon deshalb unsinnig, weil es automatisch auch eine Haftung ausschließen würde, wenn der Inhaber oder seine Angestellten die Kleidungsstücke beschädigen sollten. Dieses „Für Garderobe keine Haftung“ kann also nur eins: Es weist lediglich darauf hin, seine Garderobe besser im Blick zu behalten. Anders ist das, wenn Jacken und Mäntel an einer zentralen Garderobe abgegeben werden und möglicherweise sogar dafür bezahlt wird. Im Theater ist das in der Regel der Fall, aber auch in gehobenen Restaurants kann diese Variante vorkommen. Dann entsteht ein Verwahrungsvertrag, und dann wäre ein Schild „Für Garderobe keine Haftung“ sogar rechtswidrig. Neben den Kleidern selbst sind hierbei übrigens auch darin befindliche Dinge wie etwa Schlüssel von der Garderobenhaftung eingeschlossen. Und auch wenn die Garderobe nicht durchgängig bewacht, aber auch nicht vom Gast einsehbar ist, muss der Betreiber bei einem Verlust zahlen.

Verwechslung in der Altstadt

„Vorsicht ist generell angebracht“, sagt Dirk Linczmajer. Auch in öffentlich zugänglichen Gebäuden und Einrichtungen, ja selbst bei Behörden und amtlichen Dienststellen ist Leichtsinn fehl am Platz. Auf seine Bekleidung und sein Gepäck zu achten und bei Wertsachen Möglichkeiten einer gesicherten Verwahrung zu nutzen, sollte ebenso Alltagsverhalten sein wie der Hinweis an die Polizei, wenn einem etwas seltsam erscheint. „Das gilt auch dann, wenn sich hinterher ein Hinweis als überflüssig herausstellen sollte – wir kommen lieber einmal umsonst als im Ernstfall zu spät“, betont der Revierleiter.

So war es zum Beispiel am 14. Januar völlig in Ordnung, dass früh gegen 7 Uhr die Polizei ein Notruf aus einer Pension in der Görlitzer Altstadt erreichte. Zwei Unbekannte machten sich an Türen der Einrichtung zu schaffen. Dass sich das dennoch als harmlos herausstellte, war vorab schließlich nicht zu erkennen. Im Beisein eingetroffener Polizeistreifen stellte sich nämlich heraus, dass die beiden Unbekannten Angestellte einer Firma waren, die sich tatsächlich in einer Görlitzer Pension eingemietet hatten – mit gleicher Hausnummer, allerdings zwei Straßen weiter. Den Verirrten wurde durch die Polizei der richtige Weg gewiesen, dem Pensionspersonal gedankt. Genau hinzuschauen, ist bei leider steigenden Diebstählen aus öffentlichen Stätten immer die richtige Entscheidung.