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Die zwei aus der ersten Reihe

Mit 15 schon im Chor, mit 91 noch? Mike Strohbach und Waltraud Oertel schreiben Geschichte im Heidenauer Singekreis.

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© Andreas Weihs

Von Heike Sabel

Heidenau. Das ist eine Traumkarriere. Als Kind sang Mike im Kinderchor, dann probierte er sich bei der Feuerwehr aus und kam schließlich in den Erwachsenen-Chor zurück. Da ist er mit seinen 15 Jahren der Jüngste – und hat kein Problem damit. „Die Lieder machen Spaß, die Leute sind freundlich, es ist richtig schön.“ Dabei könnten die meisten seine Eltern, viele sogar seine Großeltern sein. Seine Mutter singt wirklich mit und Waltraud Oertel könnte mit ihren 91 sogar Mikes Uroma sein.

Waltraud Oertel, die alle nur Walle nennen, ist damit nicht nur die Älteste im Singekreis, sondern auch eine Sängerin der ersten Stunde. Vor 70 Jahren wurde im Elbtalwerk Heidenau ein Chor gegründet, aus dem vor 26 Jahren der Singekreis hervorging. Und weil das 25. Jubiläum im vorigen Jahr nicht feiert wurde, gibt es nun doppelt Grund für ein Konzert in der Dohnaer Kirche und für ein gemütliches Beisammensein. Da gibt es zu den Trinkliedern dann auch was zu trinken.

Langsam steigen die Aufregung und das Kribbeln bei den Sängern. Das Konzert am Sonnabend ist schon etwas Besonderes, für Waltraud Oertel, die Erfahrene, genauso wie für Mike Strohbach. „70 Jahre, das ist schon ganz schön lange.“ Das zeige, dass der Chor lebt, sagt Mike. Walle hört es gern. Der Chor begleitete sie immerhin fast ihr ganzes Leben. Die Seniorin will noch immer wie früher jedes Lied auswendig können. Sie lernt, indem sie die Texte abschreibt. Manche verfolgen sie nachts. Vor allem fremdsprachige. Die wieder fallen Mike zwar leichter, trotzdem mag er nicht alle englischen Lieder. Zu Hause üben er und seine Mutter schon mal gemeinsam.

Mein erstes Lied

Waltraud Oertel

ist 91, Gründungsmitglied und die älteste Sängerin im Chor.

Zum Chor gekommen bin ich durch einen Aufruf damals im Elbtalwerk.

Mein erstes Lied war das russische Lied vom Glöckchen.

Mein Lieblingslied im Chor ist „Die Rose“.

Überhaupt nicht mag ich fremdsprachige Lieder.

Ich würde gern mal im Chor singen die Singschule aus Zar und Zimmermann.

Lampenfieber habe ich ganz gewaltig, mir zittern dann vor Aufregung die Knie.

Im Chor bleibe ich so lange wie Stimme und Geist es erlauben.

Mike Strohbach

ist mit 15 der Jüngste und war schon im Kinderchor.

Zum Chor gekommen bin ich durch meine Mutti.

Mein erstes Lied war „Des Morgens früh“.

Mein Lieblingslied im Chor ist „Der Schweinehirt“.

Überhaupt nicht mag ich „Swanee River“.

Ich würde gern mal im Chor das Lied singen „Mad World“.

Lampenfieber hatte ich bei meinem ersten großen Konzert, da habe ich geschwitzt.

Im Chor bleibe ich, solange ich kann.

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Die meisten Sängerinnen und Sänger sind da, die Probe kann beginnen. Walle führt die Anwesenheitsliste. Sie selbst fehlt „höchst selten“, nur bei Urlaub, an Krankheit kann sie sich nicht erinnern.

Axel Langmann ist der siebente Chorleiter in der Geschichte des Singekreises und leitet den Chor schon zum zweiten Mal. Kapellmeister Herbert Burckhardt war der Erste. Er brachte Chor, Akkordeon- und Tanzgruppe zu vielen Erfolgen.

Langmann lässt zum Einsingen seufzen, dann gibt’s Tonleitern in Momomom und Jahahahaha. Statt „Ihr singt falsch“ sagt Langmann: „Es gibt noch zu viele Irrtümer“ oder: „Der Sopran rechnet nicht damit, dass da noch Töne sind.“ Langmann lässt die Heidenauer neue, anspruchsvolle Arrangements singen. „Es ist alles nur geklaut“ von den Prinzen zum Beispiel.

Maffay-Lied im Repertoire

In Mikes Klasse haben manche trotzdem verwundert reagiert. Im Chor? Mit den Alten? Mike sagt immer: Kommt doch mal mit oder zu einem Konzert. Bisher kam niemand. Dafür singt jetzt eine Mitschülerin mit. „Da bin ich nicht mehr so allein.“ Er macht sich gut, sagt Waltraud Oertel. Ja, zu wenig junge Leute, das ist das Problem vieler Chöre. Deshalb ist Chorchefin Manuela Schuster ja so froh. Sie wünscht sich, dass mehr Kinder aus dem Kinderchor danach weitersingen. Deshalb gründete sie ihn.

Mike geht in die zehnte Klasse, wird Kindergarten-Erzieher in Dresden lernen. Den Ausbildungsvertrag hat er schon. Er hofft, dass er es zeitlich weiterhin schafft, im Chor zu singen. Bei der Ausbildung wird er wieder Keyboard spielen. Davon profitiert dann vielleicht der Singekreis, so wie die Kinder von seinem Singen.

Als Nächstes probt Langmann „Ich wollte nie erwachsen sein“. Das Peter-Maffay-Lied ist auch kein klassisches Chorlied, aber eines, das für „Musik im Wandel der Zeit“, das Motto des Jubiläumskonzertes am Sonnabend, steht. Dann wird es mit großer Begleitung durch das Kammerorchester Heidenau erklingen.

Nächstes Wochenende geht es zum zweiten Mal dieses Jahr zum Proben nach Tschechien. Dann wird das Weihnachtsprogramm einstudiert. Am 25. Oktober hat Mike Geburtstag. Dann darf er sich, wie alle Geburtstagskinder, ein Lied wünschen. „Ich überlege mir noch was.“

Konzert, 14. Oktober, 15.30 Uhr, Kirche Dohna, Parkplätze: Schulhof und unterhalb der Burg, Eintritt: 10/3 Euro; Proben: mittwochs 17.30 bis 19 Uhr im Stadthaus Heidenau, Bahnhofstraße; Kinder 16 bis 16.45 Uhr.