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Die Zug-Experten

Bei Cideon werden Schienenfahrzeuge der Zukunft geplant. Ihr Job führt die Bautzener Ingenieure immer öfter bis nach China.

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© Uwe Soeder

Marleen Hollenbach

Bautzen. Die Zeichnung liegt auf dem Tisch. Viele kleine Striche sind darauf zu sehen. Immer wieder zeigen die Mitarbeiter Paul Heldner, Steffen Fabich und Toralph Mai auf den Plan, immer wieder diskutieren sie über kleinste Details. Nicht besonders spannend könnte man meinen. Doch was hier auf dem Tisch liegt, das ist die Bauanleitung für ein Schienenfahrzeug. Von der Lokomotive bis zum Güterwagen, von der Straßenbahn bis zum Reisezugwagen - all das können die Mitarbeiter von Cideon Engineering konstruieren und berechnen. Und dafür brauchen sie nur einen Computer. An dem wird zunächst ein 3D-Modell erstellt. Anhand dessen sehen die Mitarbeiter, wie der Zug oder die Straßenbahn einmal aussehen soll. Und das ist noch nicht alles. Die Mitarbeiter können am Computer auch das Fahrzeug testen, ohne einen Prototyp bauen zu müssen. So werden zum Beispiel Festigkeitsberechnungen durchführt, mit denen ermittelt werden kann, wie stark das Schienenfahrzeug beansprucht wird. Die Pläne der Ingenieure erstellt das Unternehmen im Auftrag seiner Kunden, die die Fahrzeuge schließlich bauen oder betreiben. „Im Prinzip ist das Know-how das Kapital unseres Unternehmens“, sagt Roger Scholtes.

Englischkurs ist Pflicht

Noch vor zwei Jahren kamen die Kunden vor allem aus Deutschland und der Schweiz. Doch mittlerweile ist das Wissen der Bautzener Ingenieure weltweit gefragt. „Wir haben immer mehr Kunden aus Ost- und Südeuropa und aus Asien“, sagt der Geschäftsführer. Schon jetzt kommen 40 Prozent aller Aufträge aus dem Ausland. Die Globalisierung ist gut fürs Geschäft. Sie hat aber auch Auswirkungen auf die Arbeitsweise der Mitarbeiter. Wenn der Chef noch vor ein paar Jahren einen Ingenieur auf Reisen schickte, dann fuhr der zum Beispiel zu einem Kunden nach Berlin. Heutzutage reisen die Mitarbeiter auch schon mal nach China, um sich vor Ort anzusehen, wie die Pläne umgesetzt, die Schienenfahrzeuge dort gebaut werden. Nicht alle Mitarbeiter begeisterte diese neue Globalisierung sofort. „Manche waren zunächst zurückhaltend. Doch mittlerweile freuen sich die Meisten über diese Herausforderungen. Sie sind glücklich darüber, durch ihren Job andere Länder kennenzulernen“, so Roger Scholtes. Bei den Auslandsreisen muss nicht nur der lange Flug gemeistert werden. Auch die Verständigung in fernen Ländern ist eine schwierige Aufgabe. Damit die Mitarbeiter diese meistern können, hat der Geschäftsführer Englischkurse organisiert.

Cideon gibt es nicht nur in Bautzen. Das Unternehmen hat auch Niederlassungen in Chemnitz, Leipzig, Düsseldorf und Basel. 130 Mitarbeiter zählt die Firma. Davon arbeiten 55 in der Stadtvilla an der Tzschirnerstraße. In Bautzen wurde Cideon vor mehr als 20 Jahren gegründet. Damals wagte ein Ingenieur der Entwicklungsabteilung vom Bautzener Waggonbauwerk mit zwei weiteren Ingenieuren den Schritt in die Selbstständigkeit. Was einmal zu dritt begann, wurde schnell immer größer. Inzwischen gehören drei Firmen zur Cideon Unternehmensgruppe. Die Konstruktionsspezialisten von Cideon Engineering, die Softwareentwickler von Cideon Software und das Systemhaus Cideon Systems. Die Spezialisten für Züge und Straßenbahnen koordinieren ihr Geschäft von Bautzen aus. Und die Ingenieure bauen auf den Nachwuchs aus der Oberlausitz. Um auch in Zukunft bestehen zu können, hält das Unternehmen immer Ausschau nach jungen und talentierten Fachkräften. „Das ist gar nicht so einfach“, meint Chef Roger Scholtes. Zwar gibt es in Dresden einen Studiengang speziell für die Schienenfahrzeugtechnik. Doch nur wenige entscheiden sich dafür. Cideon beschäftigt deshalb auch Maschinenbauer, die dann allerdings in die Technik eingearbeitet werden müssen. Der Kontakt zu den Hochschulen, der Besuch von Messen, das alles ist inzwischen notwendig geworden.

Von der Idee bis zur Serienreife

Arbeit für die Ingenieure gibt es genug. Der Schienenfahrzeugmarkt ist zwischen 2011 und 2013 überproportional gewachsen. „Im vergangenen Jahr hat der Markt dann eine Verschnaufpause eingelegt“, sagt Roger Scholtes. Doch inzwischen habe sich das Geschäft wieder auf ein normales Niveau eingependelt. Und das Unternehmen hat nicht einfach nur auf bessere Zeiten gewartet, sondern sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt. Für den Dienstleister Cideon war es wichtig, neue Tätigkeitsfelder zu erschließen. Neben der Konstruktion bietet Cideon nun zum Beispiel auch die Zulassungsbetreuung der Fahrzeuge an, erstellt auf Wunsch auch ein Instandhaltungskonzept. Und noch etwas ist entscheidend: das Tempo. Normalerweise vergehen in Deutschland vier bis fünf Jahre von der Idee bis zur Zulassung des Fahrzeuges. Doch in China ticken die Uhren anders. „Was mehr als 24 Monate dauert, bekommt dort keinen Auftrag“, sagt Scholtes. Gleiche Qualität in immer kürzerer Zeit - das ist die Herausforderung für die Zukunft. Cideon stellt sich dieser Aufgabe.