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Die Zigaretten-Hochburg

Dresden war einst das deutsche Zentrum in der Tabakverarbeitung. Alles begann mit einem späteren Konsul.

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© klinger, marco

Von Lars Kühl

Dresden. Es ist kein Pokal, den Richard Hofmann in die Luft reckt. Zwischen den Fingern des einstigen Fußballstars im Trikot der deutschen Nationalmannschaft klemmt eine Zigarette. Dabei war „König Richard“, wie der Außenstürmer des Dresdner SC ehrfurchtsvoll genannt wurde, überzeugter Nichtraucher. Aber 1933 war das Qualmen en vogue. So kam es, dass der Sportler von zahlreichen Plakaten der Firma Bulgaria mit Zischte über dem Kopf lächelte.

Bereut hat er die Entscheidung sicher nicht. In dem Gebäude war eine moderne Industrieanlage untergebracht, in der in Schichten produziert wurde.
Bereut hat er die Entscheidung sicher nicht. In dem Gebäude war eine moderne Industrieanlage untergebracht, in der in Schichten produziert wurde. © Sammlung Holger Naumann
Hätte Richard Hofmann gewusst, dass ihm die Zigarettenwerbung eine Sperre einbrockt, hätte der frühere DSC-Fußballstar bestimmt darauf verzichtet (o. r.).
Hätte Richard Hofmann gewusst, dass ihm die Zigarettenwerbung eine Sperre einbrockt, hätte der frühere DSC-Fußballstar bestimmt darauf verzichtet (o. r.). © Archiv Genschmar

Doch die Rechnung hatte Hofmann ohne die damals nationalsozialistisch geprägten Oberen des Deutschen Fußball-Bundes gemacht. Die fanden die Werbung des Amateurs überhaupt nicht lustig und sperrten den Kicker für die Auswahl. Nicht wenige behaupteten damals, mit Hofmann hätten die Deutschen 1934 das Halbfinale gegen die Tschechoslowakei nicht verloren und wären in das Endspiel gegen den Gastgeber und späteren Weltmeister Italien eingezogen. Die Anekdote zeigt, welchen Stellenwert Zigaretten einst hatten.

Inzwischen wird mit dem Philip-Morris-Produkt Iqos die Zukunft eingeläutet. Weg vom stinkenden Qualm, hin zu weniger Risiken für die Gesundheit. Ob die Sticks, die nicht mehr verbrannt, sondern nur erhitzt werden, halten, was sie versprechen, wird sich erst in den nächsten Jahren herausstellen. Für Dresden bringt Iqos schon jetzt etwas Gutes. Denn in Flughafennähe wird ein neues Werk für 500 Arbeiter gebaut.

Damit setzt sich eine lange Tradition in der Stadt fort. Nach wie vor produziert die Philip-Morris-Tochter f6 Cigarettenfabrik Dresden herkömmliche Glimmstängel in Striesen an der Glashütter Straße. Das denkmalgeschützte Gebäude, das später einen Verbindungsgang zu einem Anbau bekam, wurde 1900 für die Firma des Griechen Georg Anton Jasmatzi, der im Übrigen später Konsul seines Landes in Sachsen wurde, errichtet. Genau in der Zeit, als Dresden zum Hauptumschlagplatz für Tabak und zum deutschen Zentrum für die Zigarettenherstellung aufgestiegen war. Fast ein Viertel der Bevölkerung fand in der Branche Beschäftigung. „Jasmatzi und Söhne“ war das bedeutendste Unternehmen in Striesen, wo neben der Johannstadt die meisten Werke existierten. Vor Philip Morris wurden zu DDR-Zeiten in der „Vezifa“ – dem volkseigenen Betrieb der Vereinigten Zigarettenfabriken Dresden, zu dem ein weiterer Produktionsbereich an der Junghansstraße sowie ein Importlager an der Zwickauer Straße gehörten und der neben „Jasmatzi“ auch aus den anderen enteigneten Firmen „Macedonia“, „Greiling“ und „Kosmos“ hervorgegangen war – die beliebten Marken f6, Karo und Juwel gedreht.

Über 40 Zigarettenbuden gab es in Dresden an der Schwelle zum 20. Jahrhundert, die Zahl wuchs kurz darauf sogar auf über 60 an. Die Technologie hatten rund 40 Jahre vorher vor allem jüdische Fabrikanten mitgebracht. Viele von ihnen waren Pogromopfer, die aus Russland nach Sachsen geflohen waren. Joseph von Huppmann kam aus St. Petersburg. Der Baron gründete vor 155 Jahren an der Ostra-Allee die „Compagnie Laferme“ und damit die erste deutsche Zigarettenfabrik. Über Triest und Wien gelangte der Rohtabak mit der Eisenbahn nach Dresden, auf der Elbe aus Hamburg. Hier wurde er dann verarbeitet. Das Geschäft boomte, die Menschen rauchten immer mehr. Niederlassungen griechischer und türkischer Händler siedelten sich an. Ehemalige Angestellte von Huppmann gründeten eigene Unternehmen – Jasmatzi war einer von ihnen.

Wichtig war, die Produkte richtig zu vermarkten. Auf eine ganz besondere Idee kam dabei Hugo Zeitz. Er ließ eine Fabrik hochziehen, die einen kompletten Gegensatz zum architektonischen Stil in Dresden suchte – die Yenidze in der Friedrichstadt. Als der moscheeähnliche Stahlbeton-Skelettbau 1909 stand, galt er als einer der ersten seiner Art in Deutschland. Damals war die Yenidze sehr umstritten, heute zählt sie zu den Höhepunkten einer Stadttour.

Der Name geht dabei wohl auf eine Region in Griechenland zurück, in der besonders milder und aromatischer Tabak gepflückt wurde. Was von außen als Werbung für sich selbst sprach und ein ziemlich ausgefuchster Trick war, das Verbot zu umgehen, ein Gebäude im Fabriklook im Zentrum zu errichten, war im Innern eine moderne Industrieanlage. Hier konnten die Arbeiter nicht nur im großen Stil und in Schichten Zigaretten drehen – in der Yenidze, heute ein Bürokomplex mit Restaurant, wurde der Tabak auch gleich gelagert.