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Die Zahl der Asylbewerber steigt

Zu den derzeit 1 115 Flüchtlingen im Landkreis sollen weitere rund tausend kommen.

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Von Jens Fritzsche und Jana Ulbrich

Der Zustrom von Flüchtlingen hält an. Gestern Abend teilte der Landkreis mit, dass er in diesem Jahr mit mindestens 1 000 neuen Asylbewerbern rechnet. Dafür, so heißt es in der Mitteilung, werden gut 600 neue Plätze zur Unterbringung benötigt. Eine neue Unterkunft ist schon gefunden: 35 Flüchtlinge werden ab 1. März in der alten Schule in Bischheim-Häslich kurz vor Kamenz eine Bleibe finden.

Landkreis will dezentrale Flüchtlings- Unterbringung weiter ausbauen

Aktuell leben im Landkreis 1 115 Asylbewerber. 878 sind in zentralen Heimen untergebracht, 237 dezentral in Wohnungen. Gerade der Anteil der dezentralen Unterbringung soll steigen; dieses Ziel hatte sich der Landkreis bereits im Herbst gesetzt. Von derzeit 21 Prozent auf dann 30 Prozent der Asylbewerber, so die Vorgabe. Radebergs OB Gerhard Lemm (SPD) hat sich dabei bereits seit Langem dafür starkgemacht, stärker als bisher auf die dezentrale Unterbringung zu setzen. Auch deshalb hatte er vor gut zwei Monaten beim städtischen Wohnungsunternehmen Wohnbau Radeberg insgesamt zehn Wohnungen für rund 50 Flüchtlinge „geordert“. Wohnungen, die leer standen – „wobei das in Radeberg nicht sehr leicht ist, weil bei uns nicht wirklich viel leer steht“, so Lemm. Dennoch ist er überzeugt, „dass es für die Betroffenen besser ist – wie auch für die Chancen auf Integration!“

Hilfe-Verein zur Unterstützung von Flüchtlingen in Radeberg auf dem Weg

Wobei es auch in Radeberg nicht dabei bleibt, einfach nur Wohnungen bereitzustellen. Derzeit wird an der Gründung eines Vereins gearbeitet, der sich um die Betreuung der Flüchtlinge kümmert. „In Patenschaften soll sich dann der Asylbewerber angenommen werden“, beschreibt der OB. Mit im Boot sitzen bereits die Radeberger Kirchgemeinden, die Stadt, „aber auch sehr viele einzelne Bürger“, so Lemm. Über die Patenschaften soll beim Deutsch lernen geholfen werden, es sollen familiäre Kontakte geknüpft werden – oder auch konkrete Hilfe bei Ämtergängen. Der OB kämpft zudem derzeit um die Lösung eines ganz praktischen Problems: Asylbewerber dürfen nämlich kein Konto eröffnen. „Aber das widerspricht aus meiner Sicht gültigem Recht, ich rede darüber derzeit mit der Sparkasse – was, wenn ein Flüchtling Arbeit hat, aber das Ganze daran scheitert, dass der Arbeitgeber keinen Lohn überweisen kann …“, wundert sich Lemm.

Demonstrationen rund um Flüchtlings-Unterkünfte

Das Thema Asylunterkünfte ist allerdings vor allem dort ein heftig umstrittenes, wo es um zentrale Heime geht. Das war zum Beispiel im Herbst in Ottendorf-Okrilla so, als der Landkreis erklärt hatte, die Fläche des alten Ferienlagers am Teichwiesenbad für ein mögliches Asylheim zu überprüfen. Anwohner fühlten sich überrumpelt, organisierten Demonstrationen – schnell aber mischten sich auch Rechte unter die Teilnehmer und zuletzt meldete die NPD gar selbst die Demonstrationen an. Mittlerweile ist klar, dass das Areal in Ottendorf nicht nutzbar ist.

Demonstriert wird aber auch in Großröhrsdorf. Hier hatte der Landkreis die alte Turnhalle Ende November zur Notunterkunft erklärt – allerdings schon wenige Tage später wieder geschlossen. Zunächst hatte ein offenbar unter Drogen stehender Asylbewerber aus Tunesien vor der Halle Textilien und Papier angezündet, anschließend hatte ein Großröhrsdorfer Jugendlicher einen Überfall auf sich vorgetäuscht, hatte sich mit einem Messer selbst verletzt und dann erklärt, er wäre von Ausländern überfallen worden. Als Motiv für diese dreiste Lüge hatte er Hass auf die Asylbewerber angegeben.

Doch die von Landrat Michael Harig (CDU) verfügte Schließung der Notunterkunft musste letztlich wieder zurückgenommen werden. Der Freistaat ließ keine Diskussion zu, der Kreis musste weitere Flüchtlinge aufnehmen. „Wir brauchen also auch diese Plätze“, bedauerte Harig, der persönlich Notunterkünfte in Turnhallen „für eine nicht wirklich annehmbare Lösung“ hält, wie er kurz vor Weihnachten in einer öffentlichen Diskussion im Radeberger Gymnasium erklärte.

Und auch demonstriert wird in Großröhrsdorf. Dienstagabend zum Beispiel. Etwa 150 Teilnehmer trafen sich am Rathaus, um sich gegen die Asylpolitik Luft zu machen. Etwa 200 Demonstranten trafen sich zeitgleich in einiger Entfernung, um für eine bunte Westlausitz zu demonstrieren, wie es hieß. Sie machten sich für die Unterstützung der Flüchtlinge stark.

Gewaltsame Anschläge auf Asylunterkünfte im Landkreis

Aber auch Gewalt gegen Asylunterkünfte gibt es im Landkreis. Insgesamt zwölf Angriffe waren es 2014 – das macht den Kreis Bautzen zum unrühmlichen Spitzenreiter in der Statistik. 44 Fälle wurden in Sachsen insgesamt gezählt, davon sechs in Dresden und beispielsweise in Chemnitz oder dem Erzgebirgskreis jeweils fünf. Zwölf Angriffe im Kreis Bautzen, das sind auch mehr als doppelt so viele als noch im Jahr 2013, als die Polizei hier fünf Vorfälle registrierte.

Wächst der Kreis etwa zur Hochburg der Rechtsextremen und Asylgegner heran? „Nein“, sagt Kriminaldirektor Michael Buchta, der das Polizeirevier in Bautzen leitet. Man müsse die Zahlen in Relationen sehen: Mit der Neueröffnung der Unterkünfte in Hoyerswerda und Bautzen hat sich im vorigen Jahr auch die Zahl der Asylbewerberheime im Kreis verdoppelt. „Mehr Heime – mehr Angriffsfläche“, sagt er. Wenn ein Heim neu ist oder neu eingerichtet werden soll, sind Parolen und Sachbeschädigungen häufiger, so die Erfahrung bei der Polizei. Hätten sich die Einwohner erst einmal an die fremden Nachbarn gewöhnt, werde es fast immer ruhiger.

Es sind dabei vor allem Schmierereien, fremdenfeindliche Parolen und Beschimpfungen, die hinter der Zahl in der Statistik stecken. „Rund 80 Prozent der Fälle, mit denen wir hier im letzten Jahr zu tun hatten, sind solche Propagandadelikte“, erklärt Michael Buchta: Ein Auto fährt vor das Bautzener Spreehotel, fünf Jugendliche darin schreien „Sieg Heil“. Die Polizei registriert das als Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Vor allem in Bautzen und Hoyerswerda gibt es laut Polizei eine stärkere rechtsextreme Szene, aus der heraus es immer wieder zu solchen Bedrohungen und ausländerfeindlicher Hetze kommt.

Keine Hinweise auf reelle Gefahr

Gefährlicher wird es dann schon, wenn Steine fliegen – wie beim einzigen registrierten Angriff auf das Heim in Kamenz, als mit einem Stein ein Fenster eingeschlagen wird. In Hoyerswerda ist es eine Flasche „Sternburger“, die gegen eine Fensterscheibe fliegt. Ebenfalls in Hoyerswerda versucht ein Betrunkener, mit einem Hammer ein Fenster einzuschlagen. Der Mann wird gleich am Tag darauf ermittelt.

Die Polizei hat jedenfalls keine Hinweise darauf, dass den Asylbewerbern im Kreis Bautzen eine reelle Gefahr droht. Auch sind bisher unter den Asylbewerbern im Landkreis laut Polizei nur wenige straffällig geworden. Michael Buchta spricht von acht bis zehn polizeibekannten Straftätern im Bautzener Spreehotel und von drei bis sechs Männern im Hoyerswerdaer Heim. Nur in einem polizeibekannten Fall haben Heimbewohner 2014 einen Einheimischen angegriffen: Der Vorfall ereignet sich am 27. Juli 2014 am Bautzener Stausee, als drei Tunesier nach einem Wortgefecht auf einen 26-Jährigen losgehen. Die Tat bleibt ein Einzelfall: „Wir stellen nicht die Kriminalität fest, die den Asylbewerbern hier nachgesagt wird“, sagt Michael Buchta. „Die Allermeisten sind anständige Leute.“