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Die Wut der Therapeuten

Sie sollen in Notlagen helfen und sind dabei selbst in Not. Die Therapeutenausbildung bringt Psychologen an ihre Grenzen.

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© René Meinig

Von Jana Mundus

Sie sind da, wenn es Menschen schlecht geht. Ob Depression, Burn-out oder Essstörung. Junge Psychotherapeuten begleiten ihre Patienten durch schwierige Zeiten. Dabei haben viele der studierten Psychologen selbst große Probleme. Das, was sie haben, klingt erst einmal harmlos: PiA. Psychotherapeut in Ausbildung. Doch in Deutschland sind deren Rechte gesetzlich nicht klar geregelt. Wenig bis gar kein Lohn ist keine Ausnahme. Ein Berufseinstieg am Existenzminimum. Mit einer deutschlandweiten Aktion machen die Betroffenen nun auf sich aufmerksam.

Es klingt fast unglaublich. Psychologie-Fachschaftsräte verschiedener deutscher Hochschulen sammelten in den vergangenen Monaten Beispiele für die schlechten Ausbildungsbedingungen von Psychologischen Psychotherapeuten. Eines davon: Ein angehender Kinder- und Jugendpsychologe in Berlin arbeitet derzeit 30 Stunden pro Woche und absolviert am Wochenende noch Seminare. Er bekommt 350 Euro Gehalt. Die Ausbildungskosten betragen 300 Euro pro Monat. Da bleibt nicht mehr viel zum Leben.

„Viele müssen deshalb neben der Ausbildung noch jobben gehen, damit sie es schaffen“, sagt Özlem Kayali vom Fachschaftsrat Psychologie der TU Dresden. Sie organisierte jetzt gemeinsam mit anderen Mitstreitern eine Protestaktion auf der Prager Straße. Ähnliches fand zeitgleich auch in anderen Großstädten in Deutschland statt. Das Ziel: aufmerksam machen auf die prekäre Situation der Nachwuchstherapeuten. In einem Land, in dem die psychischen Probleme der Bürger eher zu- als abnehmen. Drei bis fünf Jahre dauert die Ausbildung. „Es gibt keine einheitlichen Regeln dafür“, erklärt sie. Viele bekommen lediglich Praktikantenverträge, haben kein Recht auf Urlaub oder Vertretung durch den Betriebsrat. Manche bekommen wenig Lohn, andere gar nichts. „Dabei arbeiten die PiAs von Anfang an mit Patienten.“

Lea Fouckhardt studiert derzeit im ersten Semester Psychologie an der TU Dresden. Ihre Mutter arbeitet als Therapeutin. Die junge Frau kennt also die Hürden in dem Beruf. „Ich will das aber unbedingt machen“, sagt sie. Sie lebt mit dem Wissen, dass sie dafür die finanziell schwierige Zeit der Ausbildung überstehen muss. Doch auch danach bleibt es spannend. Denn wer als Therapeut Kassenpatienten behandeln will, braucht dafür einen sogenannten Kassensitz. Die sind allerdings rar gesät.

Das Bundesgesundheitsministerium hat nun eine Änderung der Ausbildung der Psychotherapeuten vorgeschlagen. Diskutiert wird ein Direktstudium. Heute steht zuerst ein Studium der Psychologie an, bevor die Therapeutenausbildung angeschlossen wird. In Zukunft soll es ein fünfjähriges Studium der Psychotherapie geben. „Für uns ist das keine Lösung“, erklärt Özlem Kayali. „Das hilft den jetzigen Studenten und PiAs nicht.“ Zudem wäre nicht klar, wie solch ein Studium aussehen soll.

Das Uniklinikum Dresden geht seit einigen Jahren einen neuen Weg. Als eines der ersten Krankenhäuser in Deutschland wurden dort tarifvertragliche Vereinbarungen für die PiAs eingeführt. Den Rahmen bildet der Haustarifvertrag für Praktikanten. Als Lohn gibt es 1 320 Euro pro Monat. Auch Urlaub wird gewährt. Für Özlem Kayali ist der Status Praktikant allerdings indiskutabel. „Das entspricht nicht den Qualifikationen.“ Schließlich behandeln die PiAs auch Patienten. Wie Therapeuten.