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Die Wirtin und ihre Sorge

Personalmangel macht nicht nur der Forellenschenke in Sebnitz zu schaffen. Auch in Freital gibt es Probleme.

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© Steffen Unger

Von Domokos Szabó und Tobias Winzer

Freital/Sebnitz. Den Gästen schmeckt es: „DIE Fischgaststätte in der Region, besser zubereitete Forelle gibt es nirgends sonst. Große Auswahl!“, schreibt ein Herr mittleren Alters im Internet. Ein anderer Besucher schwärmt: „Herrlich gelegene Ausflugsgaststätte mit hervorragend zubereiteten Speisen – auch jenseits von Fischgerichten.“ Doch das hilft Pächterin Ingrid Günter im Moment wenig. Ende Mai verließ unerwartet der langjährige Koch das Haus. „Es ist ganz schwer, die Lücke zu schließen“, sagt die Wirtin. Sie ließ sich zwar eine provisorische Lösung einfallen – fasste aber gleichzeitig einen Entschluss. Nach 15 Jahren wollte sie das Haus eigentlich noch bis Jahresende weiterführen. Nun plant sie ihren Ausstieg schon früher. Jetzt heißt es: Nachfolger suchen. Nicht nur für die Küche, sondern für das ganze Haus.

Mit ihrem Problem ist die idyllisch nahe der tschechischen Grenze gelegene Forellenschenke Sebnitz nicht allein. In der gesamten Sächsischen Schweiz, im Osterzgebirge, in der Freitaler Region und in anderen Gebieten Sachsens macht der Personalmangel der Branche zu schaffen. Ein weiteres Beispiel: Das Restaurant im Schlosshotel Pillnitz hat seit Kurzem einen weiteren Ruhetag: den Dienstag. Da öffnen sich die Türen nur noch für die Hotelgäste.

Solche Beispiele kennt auch Frank Gliemann, Inhaber des Gasthauses Zur Linde in Freital. „Das fängt bei der Änderung der Öffnungszeiten an, manche schließen an einigen Tagen, einige müssen komplett aufgeben“, sagt Gliemann, der sich auch im Gaststätten- und Hotellerieverband Dehoga engagiert. Seiner Einschätzung nach fehlt es vor allem an Köchen. Das hänge mit dem Geburtenknick zusammen. „Ich war früher selbst Prüfer. Das kann man sich mittlerweile sparen, weil es gar nicht so viele Lehrlinge gibt.“ Während man fehlende Servicekräfte noch vereinzelt durch Studenten ersetzen könne, sei das bei Köchen ungleich schwieriger.

Dass die Branche unter akutem Personalmangel leidet, liegt meist nicht an der Bezahlung. Viele Wirte zahlen deutlich mehr als den Mindestlohn, das Trinkgeld ist mitunter üppig. Beliebt ist die Gastrobranche bei Jugendlichen trotzdem nicht. Arbeiten am Abend, an Wochenenden oder gar an Feiertagen – das möchten viele nicht. Freunde und Freizeit sind wichtiger. „Es gibt derzeit viele andere Jobs auf dem Markt, wo es eben keine Wochenendarbeit gibt“, sagt Gliemann.

Im Landkreis gibt es nach Angaben der Arbeitsagentur 116 freie Stellen in der Gastronomie. Zugleich sind 202 Menschen mit Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufen arbeitslos gemeldet. Rechnerisch gibt es also fast zwei potenzielle Bewerber pro Stelle. 111 Tage dauert es trotzdem im Schnitt, eine Stelle zwischen Altenberg und Sebnitz neu zu besetzen. Sachsenweit sieht es ähnlich aus: Rein statistisch kommen zwar für jede Stelle mehr als drei Bewerber infrage. Jedoch passen sie oft nicht zusammen, zum Beispiel wegen der Arbeitszeiten, des Lohnes oder der Verkehrsverbindungen, heißt es bei der Landesarbeitsagentur. Auch 74 Lehrstellen für Restaurantfachleute, Köche und Hotelfachleute sind für diesen Herbst im Landkreis noch frei.

Die Dehoga hat in der Region schon einiges versucht, um Nachwuchs zu rekrutieren. Eine Idee war, Jugendliche aus Spanien für eine Ausbildung anzulocken. Dehoga-Chef Gunter Claus stellt ernüchtert fest: „Von 16, die gekommen waren, sind vielleicht zwei hiergeblieben.“ Claus schätzt ein, dass die Situation ernster wird: „In den nächsten fünf Jahren steht uns noch einiges bevor.“

So sieht es auch Linde-Chef Gliemann. Er ist derzeit auf der Suche nach einer Restaurantfachkraft – bislang erfolglos. „Wir haben jetzt Kontakt zu einer tschechischen Personalagentur aufgenommen und hoffen, dort jemanden zu finden.“ Neben dem Blick ins Ausland sieht Gliemann gute Sozialleistungen als wichtig an, um dem Personalmangel zu begegnen. Er biete seinen Mitarbeitern Tankgutscheine, kostenlose Fußmassagen und Saunanutzung an.

Und dann hat Gliemann ein Erfolgsrezept, das ihn den Personalmangel bislang wenig hat spüren lassen. „Wir sind ein Familienbetrieb“, sagt er. Seine Frau und zwei seiner Kinder arbeiten mit. Die 77-jährige Mutter hilft, wenn Not am Mann ist. „Familienbetriebe haben gute Chancen“, sagt er. „Denn die Familie ist immer da.“