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Die Wiedergeburt der Jesuslatschen

Ein Glauchauer sorgt bei der Kultware für Nachschub. Andere Ost-Schuhe werden knapp.

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Sie haben den Weg ins Museum schon längst gefunden: sie Jesuslatschen aus der DDR. Doch nicht überall liegen sie ausgetreten in Vitrinen. In einer Werkstatt hinter einem kleinen Laden im westsächsischen Glauchau fertigt Schuhmacher Eike Röhner an betagten Maschinen wohl als einer der Letzten jene Römer-Sandalen, die in der DDR einst Kultstatus genossen. „Ich mache seit Monaten Römer – von sechs Uhr früh bis abends um sieben“, sagt der 26-Jährige. Nur wenige, dunkelbraune Lederriemen halten sie am Fuß. In der DDR waren sie Teil einer Gegenkultur.

15,45 Euro kostet ein Paar.
15,45 Euro kostet ein Paar. © dpa

1.800 Paare habe er im vergangenen Jahr verkauft, sagt Röhner. In diesem Jahr seien es auf alle Fälle mehr, auch wenn die vielen Regentage das Geschäft beeinträchtigt hätten. 1988 hatte sein Großvater die Produktion der Römer von einer anderen Firma übernommen und seit diesem Jahr liegt diese nun ganz in Röhners Händen. Mit Eisenformen werden die acht Teile ausgestanzt. Die Sohle ist aus Porokrepp, einem gummiartigen Material für Schuhsohlen. Die Teile werden unter Druck zusammengeklebt, teilweise auch vernietet. „Das ist alles Handarbeit“, sagt der junge Schuhmacher. Etwa 24 Paar schaffe er am Tag. Wenig Verständnis habe er da, wenn Kunden am Preis von 15,45 Euro „mäkeln“.

Professor Bernd Lindner vom Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig trägt seine Sandalen im Sommer noch immer fast täglich. „Da kenne ich gar nichts Anderes“, sagt er. Sie seien „schön luftig“. Er hat schon viele Paare getragen. Eines seiner ersten Römer-Paare aus DDR-Zeiten wird zusammen mit seinem alten Rucksack von damals sogar in der Dauerausstellung des Museums gezeigt. „Damit bin ich als junger Mann im Urlaub durch Rumänien getrampt“, sagt der 61-Jährige.

Bei Trampern nur noch Restbestände

Er gehörte Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre zur „Beat-Generation“ der DDR – junge Leuten mit langen Haaren, Schlaghosen oder West-Jeans, Bart und Parka, denen die Ablehnung des DDR-Staates entgegenschlug. Dieser vermutete hinter deren nonkonformem Outfit nicht zu Unrecht Aufsässigkeit. Gleiches treffe auch auf die spätere Blues- und Folkszene zu, sagt Lindner. „Es war eine Jugendkultur, die es nicht leicht hatte in der DDR.“ Und jene Jesuslatschen gehörten immer dazu, waren in der Szene Teil des Dresscodes. „Die Römer im Sommer, die Tramperstiefel im Winter“, sagt Lindner.

Liebhaber der Tramper genannten knöchelhohen Schuhe aus weichem Rauleder müssen sich beeilen. Der letzte Hersteller sei insolvent gegangen, heißt es im „Ossi-Laden“ in Leipzig. Derzeit gebe es nur noch Restbestände. Begehrt waren unter DDR-Jugendlichen auch die „Klettis“. Sie waren mit ihren dünnen Sohlen eigentlich für die Kletterer in der Sächsischen Schweiz gedacht, aber auch in der Szene sehr beliebt.

„Die Römer, das ist wie barfuß laufen ohne barfuß zu sein“, sagt Eike Röhner. Vor allem bei Truckern seien sie gefragt, bei Hippie-Typen oder Alternativen mit langen Haaren, meist bei Männern. Unlängst sei sogar jemand im schicken Anzug im Laden gewesen – mit Römer-Sandalen an den Füßen.

Die Sandalen würden auch in Läden in Dresden, Freiberg, Freital und Berlin angeboten. Ab 2015 wolle er auch welche in hellen Tönen fertigen, sagt Röhner, und in blau und rosé – „mehr für Frauen“. (dpa)