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Die Waschbären erobern das Gebirge

Niemand weiß, wie viele der Tiere im Osterzgebirge leben. Doch die Abschusszahlen sprechen eine klare Sprache.

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© dpa

Von Maik Brückner

Osterzgebirge. Wolfgang Schindler traute seinen Augen nicht. Als er dieser Tage zur Ruine des Geisinghofes blickte, spazierte dort ein Waschbär auf dem Dach herum. Zum Glück sei er noch nicht bis zu ihm gekommen, sagt der Geisinger, dessen Haus nicht weit vom Geisinghof steht. Denn die auf den ersten Blick possierlichen Tiere können lästig werden. Auf ihrer Suche nach Futter reißen sie gelbe Säcke auf, verwüsten Komposthaufen. Und was sie zurücklassen, stinkt mörderisch. Und auch im Wald sind die aus Amerika eingewanderten Tiere nicht sonderlich beliebt. „Sie machen sich über die Brut von Vögeln her“, sagt Sven Irrgang, Leiter des Forstbezirkes Bärenfels. Da sie keine natürlichen Feinde haben, breiteten sie sich immer weiter aus. Bis vor ein paar paar Jahren trieben die Waschbären nur im Tiefland ihr Unwesen. „Jetzt erobern sie sich neue Lebensräume, sie besiedeln auch das Vorgebirge“, sagt Irrgang. Das bestätigten auch SZ-Leser. Vor drei Jahren gab es in und um Lauenstein eine Waschbärenplage. Auch Wolfgang Schindler hatte damals den ersten ungewollten Kontakt zu einem dieser Tiere. Immer wieder machte sich der Waschbär über die gelben Säcke her, die Schindler in seinem Hof aufstapelte. Letztlich ging die Geschichte für Schindler, der zusammen mit seiner Familie die Baude auf der Kohlhaukuppe und das Wirtshaus „Anno 1497“ in Geising bewirtschaftet, glimpflich aus. „Plötzlich war der Waschbär nicht mehr da“, erinnert er sich. Offenbar hat er an anderer Stelle bessere Bedingungen gefunden, mutmaßt er. Der Lauensteiner Jäger Tilo Günther hält das für möglich. Denn er hat in jüngster Zeit Waschbären auf der Karl-Siebert-Straße in Geising gesehen. Als Jäger kennt er sich mit diesen Tieren bestens aus. Denn um die Ausbreitung des Waschbären zu verhindern, darf dieser das ganze Jahr über bejagt werden, auch in Städten und Gemeinden. Hier werden die Waschbären in der Regel mit Fallen zunächst lebend gefangen und dann unter Beachtung des Tierschutzes durch Jäger oder Tierärzte getötet, erläutert Frank Meyer vom Umweltministerium.

Auch in Geising wurden sie schon gesichtet.
Auch in Geising wurden sie schon gesichtet. © privat
© Tabelle: SZ

Für die Waschbärenjagd gibt es nur eine Ausnahme: „Geschont werden müssen die Elterntiere, wenn sie ihre noch unselbstständigen Jungen aufziehen“, sagt Klaus Kühling, Sprecher des Staatsbetriebes Sachsenforst. Dieser führt genau Statistik, wie oft die Jäger Waschbären erlegt haben. Nachdem 1982 der erste Waschbär in Sachsen erlegt wurde, ist die Zahl der Abschüsse rasant gestiegen. Das gilt auch für den Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Im Umkehrschluss heißt das: Der Waschbär breitet sich nicht nur territorial, sondern auch zahlenmäßig aus. Und das hauptsächlich in Siedlungen, sagt Forstbezirkschef Irrgang. Das belegen seine Zahlen. In den Landeswäldern zwischen Zinnwald und Wilsdruff wird seit mehreren Jahren nur sehr selten ein Waschbär erlegt. Die Zahlen schwanken auf einem sehr niedrigen Niveau.

Im Freistaat mehren sich indes die Zweifel, ob eine verstärkte Bejagung das richtige Mittel ist, um die Zahl der Waschbären zu minimieren. Denn diese Tiere reagierten auf die verstärkte Jagd, indem sie mehr Junge in die Welt setzen, sagt Ministeriumssprecher Meyer. Deshalb prüft sein Ministerium, ob ein Forschungsprojekt gestartet werden soll. In dem könnten Methoden untersucht werden, die Reproduktionsrate der Waschbären künstlich zu beeinflussen. Das könnte beispielsweise durch eine Art Antibabypillen geschehen. „Vom Landtag gibt es dazu einen entsprechenden Auftrag. Hier ist aber zunächst zu klären, ob der Einsatz solcher Mittel überhaupt zulässig ist“, erläutert Meyer.

Wer sich die Waschbären vom Leib halten will, sollte seine Essensreste so entsorgen, dass kein Waschbär herankommt, rät indes Jäger Günther. Zudem sollte man es unterlassen, den Katzen auf der Terrasse oder im Hof Futter zu geben. „Auch das lockt die Waschbären an.“ Wer einen Waschbären auf seinem Grundstück entdeckt, sollte den nicht füttern, sondern das Ordnungsamt informieren, rät Klaus Kühling vom Sachsenforst. Das Ordnungsamt benachrichtigt einen Jäger, der sich um das Tier kümmern wird.