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Die Wärme im Untergrund

Der Kreis Meißen liegt auf Platz 4 bei der Nutzung von Erdwärme in Sachsen. Aber lohnt sich die teure Umrüstung auch?

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© Norbert Millauer

Von Dominique Bielmeier

Landkreis. Würde die Karte mit den Farbflecken von Blau bis Rot etwas über die Temperatur des Bodens im Landkreis aussagen, müssten die Menschen im Westen von Riesa, in Meißen und bei Lommatzsch ganz schön warme Füße haben. Tatsächlich müssen sie sich bei den aktuellen Temperaturen warm anziehen. Denn der Ausschnitt aus dem Geothermie-Atlas des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie zeigt nicht, wie heiß oder kalt die Erde in einer bestimmten Region ist – sondern welche Wärme-Energie aus dem Boden tief darunter gewonnen werden kann.

Mit warmen Füßen kann das trotzdem zu tun haben, wenn nämlich die Hitze aus der Tiefe zum Heizen des Zuhauses genutzt wird. Im Kreis Meißen hat Erdwärme Konjunktur, das zeigen aktuelle Zahlen des Landesamtes: Bei der Nutzung von Geothermie, so der Fachbegriff für Erdwärme, liegt der Kreis sachsenweit auf Platz 4. Überholt wird er von den Kreisen Sächsische Schweiz/Osterzgebirge, Nordsachsen und Leipzig; Schlusslicht ist Görlitz.

56 Anlagen in Riesa

Vor allem die Besitzer von Neubauten setzen auf die grüne und theoretisch unerschöpfliche Energie aus der Tiefe. In Riesa gibt es laut Landesamt für Geologie 56 Erdwärmeanlagen, in Großenhain sind es 59, in Meißen 71 und in Coswig sogar 83. Spitzenreiter ist Radebeul, wo bereits 166 Erdwärmeanlagen verbaut sind.

Dass es dort besonders viele gibt, liegt laut Jens Krause auch daran, dass dort viele Menschen neue Häuser bauen. Der Geschäftsführer der Firma Solar-Wärmepumpen-Heizung aus Coswig muss es wissen, er installiert die nötige Technik seit Jahren. Tendenz: steil nach oben. In diesem Jahr waren es bereits rund 50 Stück.

Bei einer Wohnfläche zwischen 120 bis 130 Quadratmetern reiche meist eine einzige Bohrung bis 99 Meter Tiefe, sagt Krause. Die ungewöhnliche Zahl erklärt sich dadurch, dass das Bergbauamt ab 100 Metern Tiefe mitreden will. Die Bohrungen übernimmt dann zum Beispiel auch das Team von Rico Bertram aus Rödern bei Radeburg. Der Chef der Firma bestätigt den Eindruck von Krause: Seit fünf, sechs Jahren nehmen die Aufträge für Erdwärmeanlagen zu.

Zu 90 Prozent werden in Sachsen Erdwärmesonden versenkt, erläutert Karin Bernhardt, Sprecherin des Landesamts für Geologie. Danach folgen Erdkollektor- und Brunnenanlagen. In Bohrlöcher bis zu 200 Meter Tiefe werden die Sonden eingeführt. In diesen zirkuliert ein Gemisch aus Wasser und Frostschutzmittel, welches die Energie aus dem Erdreich zur Wärmepumpe im Gebäude transportiert. So kann das Haus nicht nur im Winter beheizt werden – inklusive Warmwasserbereitstellung –, sondern im Sommer auch gekühlt werden. Durch die heißen Sommer steige die Nachfrage nach Wärmepumpen zusätzlich, hat Krause beobachtet.

Bohrung kostet 8 000 bis 10 000 Euro

Der große Vorteil einer solchen Anlage: Man profitiert ein Leben lang davon. Die Energie, die in der Heizperiode entzogen wird, werde im Sommer durch Sonne und Regen wieder hinzugeführt, erklärt der Fachmann Krause. Nach rund 15 bis 20 Jahre verschleiße die Wärmepumpe aber.

Größter Nachteil: Für die alternative Energie muss erst einmal tief in die Tasche gegriffen werden. Zwischen 25 000 und 27 000 Euro kostet die gesamte Anlage mit Fußbodenheizung und inklusive Bohrung, Lieferung und Montage für ein Einfamilienhaus zwischen 120 und 130 Quadratmetern bei Jens Krause. Die Bohrung allein kommt bei Rico Bertram auf 8 000 bis 10 000 Euro netto für ein neu gebautes Einfamilienhaus mit Keller.

Bereits nach fünf bis zehn Jahren rechne sich der hohe Preis, behauptet Krause. Dagegen steht eine Aussage der Verbraucherzentrale Sachsen, die auf ihrer Internetseite schreibt: „Aktuelle Praxistests zeigen, dass positive wirtschaftliche Ergebnisse ... im realen Betrieb häufig nicht erreicht werden.“ Das sei oft nur bei Nutzung von Erdwärme oder Grundwasser in Verbindung mit einer Niedertemperaturheizung in einem gut gedämmten Haus erreichbar.

Streit um Umweltnutzen

Strittig ist sogar, wie „grün“ die moderne Technik wirklich ist. Ein Dokument des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland gibt zu bedenken, dass die Wärmepumpen natürlich mit Strom laufen, also oftmals mit Energie aus fossilen und atomaren Quellen. „Damit kaschiert und kompensiert die heutige Wärmepumpenanwendung vielfach nur die ineffiziente Stromproduktion in Großkraftwerken mit Kohle oder Atom.“ Richtig grün ist die Pumpe also nur, wenn auch der Strom für sie aus erneuerbaren Energien stammt.

Und wo lohnt sich das tiefe Graben für Neubaubesitzer überhaupt? Im Kreis Meißen existiere „ein weitgehend gutes bis sehr gutes geothermisches Potenzial“, heißt es aus dem Landesamt für Geologie. Das liege an Gesteinen mit hoher Wärmeleitfähigkeit wie dem Granodiorit um Meißen. Durch das Grundwasser im Bereich der Elbesedimente sind gute Wärmetransportmöglichkeiten außerdem in Flussnähe gegeben. Weil der Geothermie-Atlas mit seinen bunten Farbfeldern aber nur für eine erste Einordnung geeignet ist, empfiehlt das Landesamt vor dem Bau dringend eine sorgfältige Planung und Berechnung der Wirtschaftlichkeit.