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Die volle Dröhnung

Von wegen Männerdomäne. Nicole Dammaß macht ihren neuen Liebling für die US Car Convention fit.

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© Sven Ellger

Von Henry Berndt

Beim Schrottwichteln zu Weihnachten muss man so ziemlich mit allem rechnen. Mit alten Büchern, Duschhauben, rostigen Töpfen – und sogar mit Schrott. Für Nicole gab es eine alte Schraube. Ein Geschenk mit Folgen.

Rund 15000 Besucher zog die US Car Convention vergangenes Jahr an.
Rund 15000 Besucher zog die US Car Convention vergangenes Jahr an. © Sven Ellger

Die Schraube gehörte zu einem amerikanischen Auto, das offenbarte das Zollgewinde. „Für mich war dieses Witzgeschenk wie eine Initialzündung“, sagt Nicole Dammaß. Schon lange träumte die 34-Jährige aus Weinböhla von einem amerikanischen Oldtimer. Die Zeit des Rock’n’Roll und der Petticoats hatte es ihr angetan. Nicht zufällig landete sie irgendwann an diesem Ami-Stammtisch namens „Sunday Cruiser“, der jeden ersten Freitag in Langebrück stattfindet. Ihr Freund Karsten, den sie beim Tanzkurs kennengelernt hatte, nahm sie mit zu jener denkwürdigen Ami-Weihnachtsfeier im Jahr 2015.

Die Schraube und der Gedanke an ein eigenes amerikanisches Auto vor der Haustür ließen Nicole von da an nicht mehr los. Ein kleines Problem gab es da allerdings noch: Sie hatte keinen blassen Schimmer von Autos und freute sich jeden Morgen, wenn ihr Citroen C1 brav ansprang. Sogar tanken ließen sie lieber andere. Viel lieber spielte sie in ihrer Freizeit Volleyball – oder tanzte eben. Ihre Brötchen verdient Nicole als Verkaufstrainerin im Bäckereigewerbe. Entsprechend belustigt reagierten ihre Freunde auf ihr neuestes Vorhaben. Doch all dieser Spott ist inzwischen größtem Respekt gewichen.

In einer angemieteten Garage in Coswig streichelt Nicole ihre neue große Liebe: einen Buick Special, Baujahr 1958, Länge: 5,38 Meter, 250 PS, knapp sechs Liter Hubraum, ein breites verchromtes Haifischmaul und gewaltige Heckflossen. Vor allem auf die Doppelscheinwerfer legte Nicole großen Wert. Von dieser Variante des Buicks Special mit Handschaltung wurden nur 3 600 Exemplare gebaut, hat sie gelesen. „Da kannst du dir vorstellen, wie viele es heute noch gibt“, sagt sie. Das hier ist jetzt ihr Auto, gekauft für 14 000 Euro von einem Händler aus Chicago. Nicole hat es spontan „Abbygale“ getauft. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich mal vier oder fünf Stunden lang ein Auto putzen würde“, sagt sie. Kein Wunder, dass nun jeder, der ihren Liebling ungefragt anfasst, mindestens einen bösen Blick riskiert.

Der erste Höhepunkt für Abbygale und Nicole steht bereits unmittelbar bevor. Zur US Car Convention vom 7. bis 9. Juli im Dresdner Ostragehege will sie ihr Traumauto erstmals der Öffentlichkeit präsentieren. Zu dem Treffen der Freunde des amerikanischen Lifestyles werden bis zu 15 000 Besucher und mehr als 1 400 US-Schlitten erwartet. Da will man schon ein bisschen repräsentieren.

Hauptsache, der Motor läuft

Bis dahin gibt es allerdings noch weit mehr zu tun, als Nicole sich das gewünscht hatte. „Das Auto wurde uns als fahrbereit versprochen“, sagt sie. „Als wir uns dann bei der feierlichen Übergabe reinsetzten, fuhr es aber keinen Meter.“ Die Kupplung war komplett im Eimer. Und nicht nur das: Die Scheibenwischer waren ebenfalls hin, die Bremsschläuche offenbar noch original, und die hintere Stoßstange war schief montiert. „Ich war trotzdem froh, dass es überhaupt da war und der Motor lief.“ Dieses Blubbern und Dröhnen, das die zwei Auspuffe zum Vibrieren bringt, darauf hatte sie hingefiebert „Da braucht man kein Radio.“ Zur Entschädigung für die rotzfrechen Lügen hatte der Verkäufer immerhin einige Pokale in den Kofferraum gelegt, die Abbygale offenbar über die Jahre bei diversen Oldtimer-Wettbewerben einheimste.

Es war kurz vor Weihnachten im vergangenen Jahr, als der Wagen eintraf. Bis Pfingsten brauchten Nicole und ihr Freund, um Abbygale wieder Leben einzuhauchen. „Sie ist eine alte Dame und hatte eine Auffrischung nötig. Eine vollständige Restaurierung will ich nicht. Sie wird immerhin nächstes Jahr 60, und das darf man ihr auch ansehen.“ Bei den Reparaturarbeiten war Nicole zunächst einmal nur interessierte Zuschauerin. „Ich will aber viel lernen und nicht dastehen, wie ein kleines Dummchen“, betont sie.

Letzte Hürde TÜV

Erste Runden mit ihrer Neuanschaffung drehte Nicole auf einem Baumarktparkplatz und machte dabei gleich Bekanntschaft mit einigen rustikalen Eigenheiten des Oldtimers: keine Servolenkung, kein Bremskraftverstärker. Da sei die Mauer auch schon mal bedrohlich nahe gekommen, erinnert sie sich.

Um offiziell auf deutschen Straßen fahren zu dürfen, fehlt Abbygale nun noch der TÜV. Die Scheinwerfer mussten nach EU-Norm gewechselt und eine Warnblinkanlage installiert werden. TÜV-Termin ist Ende dieser Woche, kurz vor dem Start der US Car Convention.

Sollte also klappen mit der bislang eher selten gesehenen Frauenpower beim Ami-Treffen. „Vielleicht kann ich ja auch die eine oder andere Frau anstecken, sich selbstbewusster für ihre Träume einzusetzen“, sagt Nicole. Die staunenden Blicke der bärtigen Hummer-Fahrer werden ihr auf jeden Fall sicher sein.