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Die vier Musketiere

Nach dem Traumwurf von Thomas Röhler trifft das Speer-Quartett erstmals aufeinander. Zwei Dresdner mischen mit.

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© privat

Von Michaela Widder

Diese Männer sind gefährlich. Zumindest, wenn sie einen Speer in die Hand bekommen und damit beinahe über die gesamte Rasenfläche im Stadion werfen. „Das macht das Speerwerfen spektakulär“, sagt Thomas Röhler. „Andererseits möchte ich keinesfalls eines Tages einen Kameramann treffen. Deshalb sollten sie fünf Meter weiter nach hinten platziert werden. Dann sind alle Kameramänner erst einmal wieder sicher – eine Zeit lang.“

Der Olympiasieger hatte vor einer Woche beim Saisonauftakt in Doha bei seinem Wurf fast einen Kameramann getroffen. Es konnte ja keiner ahnen, dass Röhler gleich in seinem ersten Wettkampf den weltweit besten Wurf seit 21 Jahren abliefert. Mit seinen 93,90 Metern verbesserte er die alte Bestmarke von Raymond Hecht von 1995 um 1,30 Meter.

„Für den Tag in Doha und mein Gefühl vor Ort war es nah am perfekten Wurf. Aber der Kopf sagt im Nachhinein sofort: Da war schon jemand, der weiter geworfen hat. Also kann es nicht perfekt gewesen sein. In mir schwebt noch mehr“, sagt er.

Die Weitenjagd ist eröffnet, selbst die irrwitzige 100-Meter-Marke scheint nicht illusorisch zu sein. 1984 hatte DDR-Ikone Uwe Hohn in Berlin das alte Speer-Modell mit seinem legendären Wurf auf 104,80 Meter in Rente geschickt. Durchlöcherte Zuschauer in der Gegenkurve wollte der Weltverband dann doch nicht riskieren. Mit dem aktuellen Arbeitsgerät warf allein der tschechische Weltrekordler Jan Zelezny (98,48 Meter) 1996 in Röhlers Heimatstadt Jena weiter. „Ich werde den Wurf und die Weite nicht lange analysieren und vergöttern“, meint der Thüringer.

In dessen Schatten ging in Katar fast ein wenig unter, dass Johannes Vetter als Zweitplatzierter mit persönlicher Bestleistung von 89,68 Metern beinahe zum vierten deutschen 90-Meter-Werfer der Geschichte geworden wäre. In Dresden hat man natürlich die Weiten der Konkurrenten genau registriert. „Das ist der Hammer. Da brauchen wir nicht drumherum zu reden. Das sind sehr, sehr starke Leistungen. Das ist phänomenal“, sagt Lars Hamann. Ein Schock sei es aber nicht. Es habe sich zuletzt im Trainingslager in Südafrika schon abgezeichnet, dass die deutschen Speerwerfer gut drauf sind. Auch Hamanns Trainerin Katharina Wünsche spricht von „beeindruckenden Ergebnissen“. Röhler und der gebürtige Dresdner Vetter, der 2014 nach Offenburg gewechselt war, haben in der jungen Saison schon Maßstäbe gesetzt. „Sie müssen zunächst mal zusammen unter gleichen Bedingungen antreten, und dann werden wir sehen, wo wir stehen“, meint Wünsche. Beim Wettkampf in Offenburg am Samstag kommt es zum Aufeinandertreffen der Musketiere.

Hamann mit Doppelstart

Eigentlich hatte Hamann das DSC-Jugendmeeting in Dresden einen Tag später als Auftakt geplant, doch auf Nachdruck des Bundestrainers Henry Obergföll wird sich der Sportpolizist der nationalen Konkurrenz stellen und nicht einmal 24 Stunden später im Steyer-Stadion erneut werfen.

Nachdem der Olympiavierte Julian Weber mit einer Ellbogenverletzung diese Saison ausfällt, dürfte es zu einem Vierkampf um die drei Startplätze bei der WM im August in London kommen. Röhler, Vetter, Hamann und Andreas Hofmann gehören zu dem Quartett, und in dieser Saison will Hamann nicht derjenige sein, der beim Höhepunkt zuschaut. Der verpasste Rio-Start wurmt den 28-Jährigen noch immer. „2016 habe ich fünfmal Norm geworfen, trotzdem lief es für mich – auf Deutsch gesagt – beschissen und ich war nicht bei Olympia.“

Die Norm von 83 Metern wird auch in diesem Jahr nicht die Marke sein, an der sich Speerwerfer hierzulande orientieren. Wahrscheinlicher ist, dass Hamann Bestleistung (85,79) oder zumindest in die Nähe davon werfen muss. Die 90 Meter hält er für sich persönlich allerdings für eine „futuristische Weite“. Trotzdem spornt die Konkurrenz enorm an. „Man kann sich nie auf ein Ruhekissen legen“, meint er.

Dass so viel deutsche Weltklasse in einer Disziplin auch mal zu teaminternen Spannungen führen könnte, verneinen sie. „Wir haben einen Teamgeist und helfen uns gegenseitig, obwohl wir Individualsportler sind“, sagt Hamann. Röhler bestätigt das: „Wir verstehen uns super und haben gemeinsam kreative Ideen.“

Eine wurde kürzlich im Trainingslager umgesetzt. In Eigenregie haben die Speerwerfer ein Video gedreht, in dem sie nur in Jeans bekleidet ihre durchtrainierten Körper zeigen, dabei Traktorreifen rollen und Fässer stemmen. „Der kleine Werbetrailer soll den Fokus auf unseren Sport und die Leichtathletik lenken und vielleicht auch ein anderes Publikum anlocken“, erklärt Hamann, und Röhler meint: „Johannes und ich haben der Sache jetzt den sportlichen Stempel aufgedrückt.“ (mit sid)