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Die verschollene Leuchtreklame

Jahrzehntelang begrüßte ein Schriftzug Reisende am Bahnhof. Und jetzt? Die SZ war auf Spurensuche.

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© Stadtmuseum/Horst Siegert

Von Stefan Lehmann

Riesa. Wer zu DDR-Zeiten mit dem Zug in Riesa ankam, dem wurde schon beim Verlassen des Bahnhofs unübersehbar gezeigt, wo er sich gerade befand: Eine meterhohe Leuchtschrift prangte auf dem Dach eines Kiosks, etwa an der Stelle, an der heute noch die Busse des VVO halten. Der senkrechte Schriftzug „RIESA“ begrüßte die Reisenden.

Ein wenig großstädtischen Flair brachte das Leuchtschild damit nach Riesa – schließlich war derartige Lichttechnik zu DDR-Zeiten eher in Dresden und Leipzig zu finden. Das Riesaer Stadtbild prägte die Schrift in jedem Fall – bis sie vor mehr als zehn Jahren verschwand und in Vergessenheit geriet. Einer, der die Leuchtreklame nicht vergessen hat, ist Thomas Schurig. „Ich habe ein Faible für solche alten Sachen“, erklärt der Riesaer. Als Schurig liest, dass auch die Andy-Borg-Statue vor der Arena zugunsten eines neuen Kunstwerks weichen muss, erinnert er an das Schicksal der Leuchtreklame. „Sicher ist die Skulptur von Andy Borg erst einmal im Depot eingelagert, aber was dort einmal verschwunden ist, taucht oft nicht wieder auf.“ Die „Riesa“-Leuchtschrift sollte damals auch vorläufig eingelagert werden – und sei bis heute verschwunden geblieben.

Riesenhügel als neuer Standort

Was war passiert? „In dem Kiosk, an dem die Reklame angebracht war, brach ein Feuer aus“, erzählt Thomas Schurig. Ein SZ-Bericht vom Januar 2003 bestätigt das. Dort ist die Rede von einem Feuer in einem Döner-Imbiss, das in der Silvesternacht ausgebrochen sei. Das Gebäude werde nicht mehr wieder aufgebaut, sondern abgerissen, weil der Busbahnhof ohnehin modernisiert werden solle. Für die Leuchtreklame war damit zunächst kein Platz mehr am Bahnhof. „Die Schrift lag anschließend noch eine Zeit lang auf dem Bauhof in Canitz“, erinnert sich Thomas Schurig. Es sei geplant gewesen, einen neuen Standort zu suchen. In jüngerer Zeit aber habe er sie nicht mehr gesehen.

In der Stadtverwaltung ist über Verbleib und Geschichte der Reklame zunächst nicht viel bekannt. „Die Leuchtschrift ist niemandem in der Verwaltung und auch niemandem im Museum aus jüngerer Vergangenheit erinnerlich“, erklärt Stadtsprecher Uwe Päsler auf Anfrage. Allerdings kann das Museum ein Foto liefern, das wohl aus den 60er Jahren stamme und den alten Busbahnhof samt Leuchtschrift zeigt. Erst Roland Ledwa, Geschäftsführer der Allgemeinen Grundstücks- und Verwaltungs-Gesellschaft (AGV), bestätigt: „Die ehemalige Leuchtschrift der Bushaltestelle am Bahnhof hat die Stadt Riesa auf der Canitzer Straße 52 eingelagert.“ Warum die Schrift weiter auf dem Bauhof liegt, dazu kann auch die AGV keine Aussagen treffen.

Der Braumeister erzählt

Einer, der mehr über die Geschichte der leuchtenden Schrift weiß, ist Gunter Spies. Der Riesaer Braumeister erzählt, dass die Leuchtreklame nach ihrer Rettung um ein Haar auf dem Riesenhügel wiederaufgebaut worden wäre. Eigentlich wäre das auch ein ganz guter Standort gewesen, findet Spies. „Dann hätten Zugreisende die Schrift beim Überqueren der Elbe noch gesehen.“ Dass es letztlich anders kam, lag an den Kosten, die ein Wiederaufbau mit sich gebracht hätte. Das Metallgerüst, an dem die Neonröhren angebracht waren, sei stark verrostet gewesen, erklärt der Braumeister. „Die Restaurierung wäre enorm teuer gewesen.“ Wer die Leuchtreklame in farbigen Bewegtbildern sehen wolle, der könne sich übrigens den Film „Sumo Bruno“ aus dem Jahr 2000 ansehen. „Als der gedreht wurde, war die Schrift noch dran.“ Zeitgleich mit der Reklame seien übrigens auch die großen Schautafeln vor der Buswendestelle verschwunden, auf denen sich Besucher zum Beispiel über Sehenswürdigkeiten informieren konnten. „Heute hängt dort nur noch ein Stadtplan.“ Das sei ein wenig schade, bedauert Spies.

SZ-Leser Thomas Schurig freut sich derweil über die Nachricht, dass die Leuchtreklame zumindest noch nicht verschrottet wurde. Er hofft weiterhin darauf, dass sich das gute Stück restaurieren lässt. „Aber bei den Kosten müsste sich vermutlich jemand finden, der das nebenher als Hobby übernimmt“, vermutet Schurig. „Ich finde es jedenfalls schade, wenn solche Sachen einfach verschwinden.“