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Die vermüllte Stadt Görlitz

Dreckecken stören viele Görlitzer. Stadträte erwarten viel von der neuen Chefin vom Ordnungsamt. Doch sie kommt später.

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Von Daniela Pfeiffer und Ingo Kramer

Na so was! Plötzlich ist der ganze Müll verschwunden. Vor allem Rentner Veit Stiller freut sich, dass es rund um das Trafohäuschen auf der Jauernicker Straße wieder ordentlich aussieht. Den Neu-Görlitzer hatte der Zustand aufgeregt wie auch das gesamte Erscheinungsbild der Stadt, das er, verglichen mit anderen Städten als sehr schlimm empfindet. Nun ist zumindest an der Jauernicker Straße alles aufgeräumt – dort, wo noch vor wenigen Tagen ein ausrangierter Sessel, alter Fußbodenbelag und jede Menge anderer Unrat herumlag.

Und so am Dienstag: Müll und Sessel sind weg. Nur die Graffiti blieben.
Und so am Dienstag: Müll und Sessel sind weg. Nur die Graffiti blieben. © Pawel Sosnowski/80studio.net
Ist das die Lösung? Andreas Ch. de Morales Roque steht vor einem neuartigen Plakat auf der Sattigstraße. Es ist aus massivem Kunststoff, der Wind macht ihm nichts aus.
Ist das die Lösung? Andreas Ch. de Morales Roque steht vor einem neuartigen Plakat auf der Sattigstraße. Es ist aus massivem Kunststoff, der Wind macht ihm nichts aus. © Pawel Sosnowski/80studio.net

Andere Dreckecken aber bleiben. Etwa in der Fleischerstraße. Hier wartet Anwohner Wolfgang Schubert schon seit Wochen darauf, dass mal gekehrt wird. „Nachdem Eis und Schnee weg sind, sieht man das ganze Ausmaß an Schmutz, der noch vom Christkindelmarkt, von Silvester und der Eisbahn am Obermarkt herrührt“, sagt er. Seine Hoffnung auf den Kehrtermin am 7. Februar zerschlug sich wetterbedingt. Ein neuer Termin ist auch im gestern erschienenen Amtsblatt nicht aufgeführt, wo die Reinigungstermine schon bis Mitte April gelistet sind. Für eine Straße, auf der sich auch Touristen bewegen, findet Schubert das sehr unschön.

Als „Niedergang der Stadt“ gar bezeichnet Hans-Jürgen Hoffmann aus der Südstadt das, was er seit Jahren beobachtet. Da seien immer schlechter erzogene Kinder, die Bonbonpapier einfach fallen lassen. Aber eben auch die Hundehalter, die die Haufen ihrer Vierbeiner nicht interessieren. Oder noch schlimmer: „Die, die Kotbeutel in unseren Hausflur werfen, das ist vor drei Tagen wirklich passiert“, schildert Hoffmann. Darüber ist er sehr verärgert, wie über alle Dreckecken in der Stadt. Schon mehrmals ist er mit einer Kamera losgezogen und hat die Vermüllung auf vielen Bildern dokumentiert. „Weil mich das so aufregt. Aber ich kann nichts dagegen machen. Ich hatte meine Bilder mal ans Ordnungsamt geschickt, aber von dort kam keine Reaktion.“ In der Pflicht sieht Hoffmann Stadt und Hauseigentümer.

Die Görlitzer Stadtratsfraktionen sehen das Müllthema ganz unterschiedlich. „Ich habe nicht das Gefühl, dass die Stadt sauberer geworden ist“, sagt CDU-Stadtrat Matthias Urban. Die Verwaltung messe dem zu wenig Bedeutung bei, findet er. „Sie tritt hier auf der Stelle, man merkt, dass es nicht das Lieblingsthema im Rathaus ist.“ Zwar wurde im jüngsten Verwaltungsausschuss darüber diskutiert, aber nichtöffentlich und auch noch nicht abschließend.

Günter Friedrich von den Bürgern für Görlitz (BfG) glaubt, dass andere Städte ähnliche Dreckecken haben. „Aber so viel Plakatmüll haben wir nur in Görlitz. Das habe ich woanders noch nicht gesehen.“ Da sollte unbedingt den Firmen der Vertrag gekündigt werden, deren Plakate nicht an den Wänden halten, fordert er.

Mirko Schultze von der Linkspartei sieht das ganz anders: „Ich halte Görlitz für eine der saubersten Städte Sachsens.“ Im Vergleich zur Dresdner Neustadt, Leipzigs Südvorstadt oder auch kleineren Städten wie Glauchau sehe es in Görlitz recht ordentlich aus: „Klar geht es immer besser, aber wir müssen das Verhältnis von Kosten und Nutzen betrachten.“ Joachim Paulick (Zur Sache) sieht vor allem im Hundekot ein großes Problem: „Es gibt Grundstücke, vor denen man kaum noch langlaufen kann.“

Eine Patentlösung hat er aber auch nicht: „Man kann nur immer wieder an die Hundehalter appellieren, dass sie darauf achten.“ Hundetoiletten seien sicher ein erster Schritt, aber diese werden nicht von allen genutzt: „Es ist schwer, an die Hundehalter heranzukommen.“ Renate Schwarze von der Fraktion SPD/FDP empfindet Sauberkeit als Dauerbrennerthema: „Vor allem kämpfen wir für mehr Papierkörbe.“ Wenn man die Leute zur Sauberkeit erziehen wolle, brauche es auch genug Möglichkeiten für die Entsorgung von Hundekotbeuteln und anderem Müll. Auch da, wo neue Bänke aufgestellt werden, seien Papierkörbe nötig. „Und man muss schauen, ob die Leerungen ausreichen“, sagt sie.

Am 1. April sollte die neue Ordnungsamtsleiterin Silvia Queck-Hänel im Görlitzer Rathaus anfangen. Nach Aussage von Rathaussprecher Wulf Stibenz bleibt es nicht bei dem Termin. Er rechnet derzeit eher mit Juni. Die Erwartungen an Silvia Queck-Hänel sind hoch. „Sie sollte dem Thema mehr Bedeutung beimessen und es zum Schwerpunkt machen“, findet Matthias Urban. Er hofft, dass dann mit den Kräften, die da sind, nachhaltig für mehr Sauberkeit gesorgt wird und dass sich das Ordnungsamt gerade bei den Hundehaltern mehr durchsetzt. Außerdem wünscht sich Urban, dass die Bürgerräte und damit letztlich auch die Bürger mit an den Tisch geholt werden und Aktionen geplant werden. „Wir haben ein Riesenbudget für Öffentlichkeitsarbeit, aber an dieser Stelle passiert bislang gar nichts.“

Durchgreifen soll Frau Queck-Hänel, so ist auch die Hoffnung von Günter Friedrich (BfG). Mirko Schultze sagt: „Sie muss frischen Wind ins Ordnungsamt bringen.“ Mehr Präsenz auf den städtischen Plätzen und mehr Bürgerfreundlichkeit stehen dabei für ihn ganz oben: „Wir wollen sie demnächst in unsere Fraktion einladen.“ Joachim Paulick erwartet von der Neuen eine „klare, transparente und konsequente Amtsführung“. Renate Schwarze hat bisher noch keine Erwartungen. „Aber auch wir werden sie mal einladen und sie fragen, wie sie sich die Arbeit vorstellt, auch beim Thema Sauberkeit.“

Über den Dauerbrenner abgefetzte Plakate diskutieren Verwaltung und Stadträte regelmäßig. Am Mittwoch will Amtsleiter Torsten Tschage im nichtöffentlichen Teil des Technischen Ausschusses erklären, wie die Stadt da weitermachen will. „Vorher kann ich dazu keine Auskunft geben“, sagt er. Andreas Ch. de Morales Roque von der Görlitzer Incaming Media GmbH hat derweil eine Lösung namens Quicktecsystems entwickelt. Die Plakate sind dabei nicht aus Papier, sondern aus einer Art Kunststoff oder Gummi.

Sie wirken eher wie Planen: „Wir sind gerade dabei, das patentieren zu lassen.“ Schon seit Sommer testet er sie an drei Görlitzer Litfaßsäulen, nun hängt erstmals auch ein Exemplar an einer großen Plakatwand in der Sattigstraße. An den Rändern gibt es etwa alle 40 Zentimeter eine Metallöse. „Die lassen sich mit einem Klicksystem ganz leicht öffnen“, sagt er

In zehn Minuten sei ein Plakat aufgezogen. Und dann kann es ewig hängen, denn es trotzt Wind, Regen und Sonneneinstrahlung. Über die konkreten Preise will er nicht sprechen, nur so viel: „Es ist ein Drittel teurer als Papier.“ Dafür könne es aber viel länger hängen. Das Exemplar an der Sattigstraße ist die Testwand, weitere Wände im Stadtgebiet sollen im April folgen.