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Die vergessene Erfindung

Vor Jahren entwickelten Dresdner Wissenschaftler einen besonderen Dünger. Ein Gründer will jetzt damit durchstarten.

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© Novihum

Von Marleen Hollenbach

Ein Produkt wird als Sensation gefeiert, doch marktfähig wird es nie. Wissenschaftliche Tests zeigen, dass Braunkohle für die Landwirtschaft nützlich sein kann, doch die Bauern profitieren nicht davon. So paradox beginnt die Geschichte eines besonderen Düngers. Vor 16 Jahren erfanden Wissenschaftler der TU Dresden ein Granulat, das schlechten Boden wieder fruchtbar machen kann. Sie gaben ihrem Produkt den Namen Novihum und meldeten es zum Patent an. Fachleute sprachen bereits vom „Viagra für Pflanzen“. Doch der große Erfolg blieb aus, das Wissen um die Herstellung in der Schublade.

Und dort wäre es wahrscheinlich auch geblieben, hätte nicht ein Gründer das Granulat für sich entdeckt. Peter Langer kommt eigentlich aus dem Maschinen- und Anlagenbau. Er hat unter anderem als Geschäftszweigleiter bei Siemens gearbeitet. Doch für den besonderen Dünger wechselte der Biophysiker und Gartenliebhaber das Metier. Gemeinsam mit einem Partner erwarb er das Patent und gründete im Jahr 2012 in Dresden die Novihum Technologies GmbH. Dass es beim ersten Anlauf nicht lief, schreckt den Gründer nicht ab. „Vor zehn Jahren haben sich die Menschen noch nicht so sehr mit dem Klimawandel und der Bodenproblematik beschäftigt“, sagt er. Jetzt aber sei der Zeitpunkt viel günstiger.

Novihum ist kein Dünger im klassischen Sinne, sondern Humus aus Braunkohlestaub. Unter Zusatz von Stickstoff entsteht ein Granulat, das vor allem bei der Rekultivierung helfen soll. Getestet wurde das Produkt in der Niederlausitz. Eine Tagebauhalde diente als Versuchsfläche. „Der Boden dort kann eigentlich erst in sieben oder acht Jahren wieder landwirtschaftlich genutzt werden. Wir konnten mit Novihum bereits im zweiten Jahr eine normale Weizenernte erzielen“, sagt Langer. Und sogar in der Wüste probierten die Wissenschaftler den Dünger aus. Im Oman gelang es, einen de facto toten Boden wieder zu begrünen, berichtet der Unternehmer.

Die ersten Hürden in Richtung Erfolg hat das Dresdner Start-up-Unternehmen genommen. „Zunächst haben wir den Herstellungsprozess verbessert. Wir benötigen jetzt weniger Energie“, erklärt der Geschäftsführer. Auch erste Investoren konnten rasch gefunden werden. Mithilfe von Risikokapital gelang es den Gründern, eine Pilotproduktion aufzubauen. Seit August sind hier 25 Mitarbeiter beschäftigt, die in fünf Schichten rund um die Uhr das Granulat herstellen. Allerdings nicht in Dresden, sondern in Dortmund. „Wir hatten zunächst in Sachsen nach einem Standort gesucht, aber nichts Passendes gefunden“, so Langer. Weil für die Herstellung Strom, Dampf und Kühlwasser benötigt werden, bietet es sich an, die Halle neben einem Kraftwerk zu errichten. In Dortmund war genau das möglich.

Fünf Millionen hat das Unternehmen in die große Halle investiert. Im nächsten Jahr plant der Chef mit einem Umsatz von immerhin 800 000 Euro. Doch von schwarzen Zahlen ist man noch weit entfernt. Bislang können auch nur 1 000 Tonnen pro Jahr produziert werden. Einige Kunden aus Deutschland kann man damit zufriedenstellen. Die nutzen es vor allem bei der Dachbegrünung und zur Ertragssteigerung beim Obst- und Gemüsebau. Für den Weltmarkt reicht die Produktionsmenge aber noch nicht. Doch genau da möchte die Firma Novihum hin. Und deshalb plant Geschäftsführer Peter Langer den nächsten großen Schritt. Der Gründer träumt von einer Produktionsstätte mit mehr als 50 Mitarbeitern. Dann könnte er pro Jahr 30 000 Tonnen Granulat produzieren und so neben heimischen Kunden auch jene in Spanien, in den USA oder in Afrika beliefern.

Noch ist unklar, wo dieses Werk einmal stehen wird. Nur in der Nähe eines Tagebaus sollte es schon sein. „Die Lausitzer Braunkohle lässt sich gut für unsere Zwecke verwenden, deshalb hoffe ich, dass es diesmal in Sachsen klappt“, so Langer.

Doch zunächst fiebert er einer Preisverleihung entgegen. Novihum wurde für den Network Award nominiert. Damit werden kleinere und mittelgroße Firmen ausgezeichnet, die auf internationalen Märkten wachsen wollen. Die Verleihung findet Mitte November statt. Die Chancen stehen gut. „Der Preis würde uns vor allem bekannter machen. Das ist momentan das Wichtigste“, erklärt Langer. Nur wenn sich weitere Investoren finden, kann der Traum von der Produktionsanlage in Sachsen in Erfüllung gehen. Immerhin rechnet der Gründer mit Kosten in Höhe von 20 Millionen Euro.