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Die Verbündete

Nicole Stephan ist Mutter und leidet unter den Folgen des Erzieherstreiks. Trotzdem ist sie am Mittwoch mit den Demonstranten auf die Straße gegangen.

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© Sven Ellger

Von Sandro Rahrisch

Am liebsten würde Nicole Stephan selbst streiken. Um Zeit zu haben für ihren Sohn, der gerade mit Papa im Hörsaal sitzt, anstatt im Kindergarten zu spielen. Der sie letzte Woche ins Umwelt-Seminar begleitet hat, als die Erzieher demonstrierten. Und der bei Opa untergekommen ist, als die unbefristeten Streiks begannen. Am Mittwochvormittag steht die 27-jährige Studentin vor der Altmarktgalerie, auf ihrem Rücken ein Schild: „Auf unserer aller Schultern.“ Nur 20 Meter neben ihr finden sich gerade diejenigen zur Kundgebung ein, die das Organisationstalent der jungen Dresdnerin in den letzten Wochen so stark herausgefordert haben. Sie stellt sich dazu.

Rund 8 900 Kinder sind gestern vom Streik betroffen gewesen, 20 Prozent der Kitas blieben geschlossen. Trotzdem stellt sich Nicole Stephan bewusst auf die Seite der Streikenden. „Da startet eine Erzieherin in ihren Beruf und soll auf Teilzeitbasis ihre Bafög-Schulden zurückzahlen, das ist doch nicht verständlich“, sagt sie. Dass die städtischen Angestellten eine höhere Lohngruppe fordern, dafür habe sie Verständnis. Enttäuscht sei sie dagegen von der Stadtverwaltung. Dass die Elternbeiträge an Streiktagen nicht erstattet werden, empfinde sie als Druck auf die Erzieher, wieder arbeiten zu gehen oder gar nicht erst aufzuhören. Laut Rathaus ist es allerdings rechtlich unmöglich, die Beiträge zurückzuzahlen, das verbiete zumindest eine Satzung. Nicole Stephan wollte viele Eltern dazu bewegen, den Erziehern am Mittwoch beizustehen. Sie hatte dafür sogar eine eigene Kundgebung angemeldet, bei Facebook eingeladen und E-Mails verschickt. Geblieben ist sie gestern aber allein. Ob aus Desinteresse oder Zeitmangel, weiß sie nicht. Schließlich müssten die meisten Eltern arbeiten.

Ob und wann wieder gestreikt wird, stand gestern nicht fest. Die Gewerkschaften erhoffen sich vom heutigen Treffen der kommunalen Arbeitgeberverbände ein neues Signal. „Es wird Zeit, dass die Verhandlungspartner verbindliche Termine vereinbaren und endlich Kompromisse aushandeln“, sagte Kita-Eigenbetriebsleiterin Sabine Bibas. Eine weitere Belastung von Eltern und Kindern erscheine kaum noch akzeptabel. Nicole Stephan steht derweil vor den Prüfungen. Zu pausieren, um ihre Kinder zu betreuen, wird schwer.