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Die Turmgut-Scheune ist zum Abriss freigegeben

Ein letzter Versuch, das Gebäude zu retten, scheitert. Bewahrer werfen der Stadt vor, sie habe in der Sache unsauber recherchiert.

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© Archiv: Norbert Millauer

Von Thomas Möckel

Pirna. Es war wie ein Aufbäumen eines längst leckgeschlagenen Schiffes in tosender See. So, als würde man hoffen, mit Erster Hilfe einen Todkranken zu heilen. In buchstäblich letzter Minute hatten Stadträte der Fraktionen „Wir für Pirna – Freie Wähler“, der Pirnaer Bürgerinitiativen sowie der fraktionslose Abgeordnete Tim Lochner versucht, die Turmgut-Scheune in Copitz, die bald Parkplätzen weichen soll, doch noch zu retten. Schon in der August-Sitzung des Stadtrates hatten die Räte beantragt, den von der Städtischen Wohnungsgesellschaft Pirna (WGP) geplanten Abriss aufzuschieben, bis zwei Bedingungen erfüllt sind: Einerseits sollte ein Denkmalexperte der TU Dresden das Haus umfangreich dokumentieren, anderseits sollte das Landesamt für Denkmalpflege den Denkmalwert der Scheune beurteilen.

In dieser Form stand der Antrag nun auf der Stadtrats-Tagesordnung in dieser Woche. Wer aber auf eine Diskussion zu diesem Thema gehofft hatte, wurde enttäuscht. Es gab keine Debatte, nicht einmal die Antragsteller selbst äußerten sich, von einem Beschluss ganz zu schweigen. Laut Stadtverwaltung bedurfte es auch keiner Worte mehr zur Scheune, das Rathaus hatte den Antrag der Räte inzwischen als gegenstandslos eingestuft. Warum?

Man habe recherchiert, schreibt Pirnas Fachgruppenleiter Stadtentwicklung, Steffen Möhrs, in einer Stellungnahme für den Stadtrat. Ergebnis: Entgegen anderen Annahmen handle es sich bei der Scheune an der Dammstraße nicht um einen Teil des ehemaligen Turmguts. Nach Aktenlage im Bauarchiv und anhand historischen Kartenmaterials sei festzustellen, dass das ehemalige Turmgut eine Dreiseithof-Anlage war, die vermutlich zwischen 1850 und 1869 errichtet worden sei. Den Nordflügel zierte einst ein Turm. Der Nordflügel wurde laut Möhrs im Jahr 1936 bis auf einen kleinen Rest abgerissen, um dem Neubau des Hauses Hauptstraße 18 Platz zu machen.

Ursprünglich ohne Turm

Die heutige Scheune hingegen sei erst 1883 geplant und genehmigt worden und habe ursprünglich keinen Turm gehabt. Vermutlich sei der Turm des historischen Nordflügels mit dem Teilabriss 1936 in die heutige Scheune integriert worden. Somit kommt die Stadt zu dem Fazit: Von dem historischen Turmgut ist seit 1936 kein vollständiges Ursprungsgebäude mehr erhalten.

Diese Erkenntnisse hätten sich aus Bauantragsunterlagen zum Scheunen-Neubau 1883 und der Hauptstraße 18 sowie aus der Recherche alter Karten und Stadtpläne ergeben. Überdies handle es sich bei der neuen Scheune um einen Vertreter ländlicher Architektur. Es sei davon auszugehen, dass solch ein Gebäude nicht einzigartig in Sachsen sei. Auch fehle der Bezug zum ehemaligen Turmgut. Daher habe das Gebäude Dammstraße 8 keine besondere ortsgeschichtliche Bedeutung. Lediglich bei dem Türmchen handle es sich vermutlich um das letzte Relikt des Turmgutes. Darüber hinaus habe das Landesamt für Denkmalpflege mitgeteilt, dass es das Gebäude nicht in die Landesdenkmalliste aufnimmt.

Denkmalbewahrer sind entsetzt angesichts derlei Aussagen. Sie halten das Haus weiterhin für besonders schützenswert und werfen der Stadt vor, sie habe unsauber recherchiert. „Um die Historie eine solchen Gebäudes zu erforschen, reicht ein Blick ins Bauarchiv nicht aus“, sagt Albrecht Sturm vom Kuratorium Altstadt Pirna. Dazu bedürfe es vieler weiterer Schritte, die jetzt publik gewordene Recherche der Stadt beruhe auf methodischer Unkenntnis. Allein im Stadtarchiv, so Sturm, gebe es ein Konvolut zum Turmgut. Viele Einzelheiten dazu sowie zur Historie des alten Copitzer Zentrums an der Hauptstraße gelte es noch zu erforschen. Werde das Türmchenbauwerk nun beseitigt, werde diese Möglichkeit beschnitten.

Das Kuratorium hält das Haus für sehr erhaltenswert. Seine Recherchen hätten ergeben, dass die Scheune das einzige noch erhaltene Zeugnis des Turmgutes ist, sagt Sturm. Baudetails deuteten auf eine Bauzeit vor 1840 hin. Ein Abriss, so Sturm, würde ein Loch reißen und den Blick in einen wichtigen Aspekt der Copitzer Geschichte auslöschen. Das Bauwerk mit dem Türmchen sei überdies wie kein anderes dafür geeignet, eine vielfältig nutzbare Begegnungsstätte mit historischem Flair zu werden.

Daraus wird nun aller Voraussicht nach nichts mehr: Die WGP will in der zweiten Novemberhälfte damit beginnen, die Scheune abreißen zu lassen. Von der Stadt gibt es dafür 137 000 Euro Fördermittel. Der Abriss, so WGP-Chef Jürgen Scheible, werde sich bis ins nächste Jahr hinziehen. Auf der Brachfläche sollen dann Pkw-Stellplätze, eine Grünfläche, eine Sitzecke sowie ein Mülltonnen-Standplatz entstehen. Benötigt würden die Flächen als Außengelände für das Haus Hauptstraße 17, das die WGP sanieren lassen will. Einen Termin für den Baustart gibt es noch nicht.