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Die Tür muss offen bleiben

Während Sachsens Politik am Dialog mit Russland festhält, suchen Unternehmen Wege, um die Sanktionen zu umgehen.

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© dpa

Von Nora Miethke

Der Druckmaschinenhersteller KBA Planeta aus Radebeul erhält keine Ausfuhrgenehmigung für eine Wertpapierdruckmaschine. Das KWD-Kupplungswerk Dresden kann keine Kupplungen liefern, weil nicht klar ist, ob sie in Panzer- oder Passagierzügen eingesetzt werden. Der zehnprozentige Umsatzanteil, den VEM Sachsenwerk mit Geschäften in Russland gemacht hatte, ist binnen zwei Jahren auf null geschrumpft. Die Bauern dürfen keine Milch mehr nach Russland exportieren, was auch ein Grund für den Preisabsturz ist. Das sind nur einige Beispiele dafür, wie die gegenseitigen Sanktionen Sachsens Wirtschaft treffen. Allein die Exporte von Maschinen und Anlagen „Made in Saxony“ haben sich 2015 gegenüber 2013 halbiert. Russland ist in der Liste der Handelspartner auf Rang 14 zurückgefallen.

Gemeinsam mit dem ehemaligen russischen Botschafter Wladimir Kotenew und Sachsens Staatskanzleichef Fritz Jaeckel diskutierten die Unternehmer auf Einladung des Internationalen Wirtschaftssenats und der Industrie- und Handelskammer Dresden am Freitagabend in Dresden die Sanktionspolitik und ihre Folgen.

Wladimir Kotenew, von 2004 bis 2010 Botschafter in Berlin, erklärte den rund 100 Teilnehmern Moskaus Sicht auf den Ukraine-Konflikt. Die Mehrheit seiner Landsleute meine, dass es im Kalten Krieg keine Gewinner gab, doch der Westen sich als Sieger betrachtet, der Russland die zugesagte Sicherheitsgarantie entlang seiner Grenzen verwehrt. Den Machtwechsel in der Ukraine 2014 werten die Russen als einen gewalttätigen von außen gesteuerten Umsturz. „Wir befinden uns in einem Hybridkrieg, einer Kombination aus Wirtschafts-, Informations- und Cyberfeindseligkeiten“, so Kotenew. Aus Sicht der Russen habe der Westen mit dem Informationskrieg begonnen. Die russische Wirtschaft „ist angeschlagen, aber nicht zerfetzt, wie US-Präsident Obama meint“, betont Kotenew. 2015 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um vier Prozent. Nach drei Minusjahren erwarte sein Heimatland 2016 keinen weiteren Rückgang und in den Folgejahren ein leichtes Plus, sagte der Diplomat. Die größten Leidtragenden der Sanktionen seien die europäischen Bauern und der deutsche Mittelstand. „Das Vertrauen in die Zuverlässigkeit deutscher Geschäftstätigkeit ist erschüttert“, so Kotenew. Er warnte Sachsens Unternehmer davor, dass sich Russland noch stärker Asien zuwenden werde. Nicht nur die Chinesen, auch die Japaner wollen ihr Geschäft stark ausbauen.

Staatskanzlei-Chef Jaeckel machte wenig Hoffnung, dass die Sanktionen in absehbarer Zeit fallen könnten, solange nicht das Minsker Abkommen umgesetzt ist. Er geht aber auch nicht von einer Verschärfung der Handelseinschränkungen seitens der EU aus, obwohl etwa Polen und die baltischen Staaten das fordern. Jaeckel mahnte eindringlich, den Dialog mit den russischen Partnern nicht abreißen zu lassen. „Die Tür muss geöffnet bleiben“, so der CDU-Politiker. Dafür sorgt auch die Wirtschaftsförderung Sachsen, die diese Woche mit zwölf Unternehmen zur Industriemesse „Metalloobrabotka“ nach Moskau fliegt.

„Uns rennt die Zeit davon“, warnt Ralf Hanauer, Vertriebsleiter bei VEM Sachsenwerk. „Wir haben keinen Zugang mehr zum Markt, weil es keine längerfristigen Projekte mehr gibt. Die Folgen werden wir in zwei bis fünf Jahren sehen“, betont der Manager. Die asiatische Konkurrenz wachse enorm. Die russische Wirtschaft versuche sich abzuschotten und eine Eigenversorgung aufzubauen. Und auch die Amerikaner würden gute Geschäfte machen trotz US-Sanktionen.

Der Grund dafür liegt in der unterschiedlichen Sanktionspraxis. Die US-Regierung hat die Sanktionen auf die Unternehmen heruntergebrochen. Die Schwarze Liste mit Firmen, die nicht nach Russland liefern dürfen, ist nach Angaben von Fritz Jaeckel 75 Seiten lang. Der Flugzeughersteller Boeing steht nicht darauf. Die EU hat ihre Sanktionen nach Branchen ausgerichtet, weshalb vor allem der sächsische Maschinen- und Anlagenbau Opfer ist. Auf die amerikanische Variante umzuschwenken, ist nicht möglich. „Die EU-Sanktionen sind der Kompromiss von 28 Ländern“, verneinte Jaeckel entsprechende Fragen.