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Die Träumende wirft ihre Schatten voraus

Sachsens „Unternehmer des Jahres 2014“ steht fest. Die unabhängige Jury wählte ihn unter 64 Bewerbern aus.

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© Wolfgang Wittchen

Von Michael Rothe

Wenn sich alle Jahre im März mit Aktenordnern bepackte wichtige Menschen mit noch gewichtigerer Miene und schwerwiegenden Argumenten im Dresdner Haus der Presse versammeln, dann naht sie: die Stunde der Entscheidung. In feinem Zwirn rückt die Jury an, um „Sachsens Unternehmer des Jahres“ zu wählen.

Bei der nunmehr neunten Auflage von Ostdeutschlands wichtigstem Unternehmerpreis stellt neben Sächsischer Zeitung und Freier Presse – den größten Tageszeitungen im Freistaat –, Volkswagen Sachsen, der Sachsen Bank und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC auch die Sparkassenversicherung Sachsen als Mitinitiator einen Juror. Unterm Strich acht Entscheider, was es nicht einfacher macht, ist doch bei der Abstimmung ein Patt möglich.

Das Prozedere ähnelt sich – und ist doch immer wieder anders: Bewerten. Vergleichen. Diskutieren. Abstimmen. Und wieder vergleichen und bewerten. Ist der Umsatzprimus höher einzuschätzen als der Musterschüler im Zahlungsverhalten? Und was wiegt mehr: langfristiges Wachstum oder eine herausragende Jahresleistung? Die neue Werkhalle des einen oder der Betriebskindergarten der anderen? Der ergatterte Millionenauftrag oder die nur wenige Nullen kleinere Spende für einen guten Zweck? Die gute Tat für den gesponserten Sportverein oder das eigene Blockheizkraftwerk als Dienst an der Umwelt? Das ehrenamtliche Engagement oder die ausgefallene Geschäftsidee? Unternehmenssicherung durch gelungene Geschäftsübergabe oder durch verstärkte Ausbildung? Der 115. Firmengeburtstag oder eine Gründung in Zeiten der jüngsten Wirtschaftskrise? Das nach Iso 140001 zertifizierte Umweltmanagement oder die nach Iso 9001 bescheinigte Qualitätskontrolle? Fragen über Fragen, und oft wird aus dem Oder ein Und, lässt sich das eine nicht gegen das andere abwägen.

„Kein Acht-Mann-Betrieb mehr“

Bei den blanken Zahlen ist die Einordnung leichter: 113 Unternehmerinnen und Unternehmer hatten sich zwischen Mitte November und Anfang Februar selbst beworben oder waren von anderen vorgeschlagen worden. 64, darunter zehn Frauen, haben es in den Wettbewerb geschafft und die Mindestkriterien erfüllt: mindestens zehn Beschäftigte, fünf Jahre am Markt, 500.000 Euro Jahresumsatz, eigene Anteile am Unternehmen, das mehrheitlich in Privatbesitz sein muss. Der Firmensitz in Sachsen ist nicht Bedingung, wohl aber die gute Tat für den Freistaat.

„Sachsen ist nicht mehr der Acht-Mann-Betrieb von nach der Wende“, stellt Ulrich Lingnau, Geschäftsführer der Freien Presse in Chemnitz, in der Diskussion zufrieden fest. „Unsere Unternehmen wachsen in eine Größenordnung, die langsam ernst zu nehmen ist.“ Dafür stehen auch bisherige Sieger wie Wolfgang Groß vom Spülmittelhersteller Fit in Hirschfelde oder Silvia Roth vom Solarzulieferer Roth & Rau in Hohenstein-Ernstthal, die mit Hunderten Mitarbeitern dreistellige Millionenumsätze erwirtschaften. Und dennoch ist der Wettbewerb auch ein Podium für viele kleinere Betriebe, die allzu oft und zu Unrecht im Schatten der Leuchttürme stehen.

„Diese Unternehmer hegen nicht unbedingt die Erwartung, den ersten Platz zu belegen“, sagt Carsten Dietmann, Verlagschef des DD+V, der auch die SZ herausgibt. „Aber sie nehmen dennoch teil, weil sie erkannt haben, dass Klappern zum Geschäft gehört.“ Außerdem winke ihnen ja die Teilnahme an der Preisgala mit all ihren Möglichkeiten zu neuen Kontakten und Erfahrungsaustausch. Und die Chance auf ein Firmenporträt in der Zeitung. Denn Sächsische Zeitung und Freie Presse werden die besten sechs in der Woche der Preisverleihung in Wort und Bild vorstellen.

Gerade in Zeiten, da Existenzgründung und Selbstständigkeit aus der Mode zu kommen scheinen, ist es den Organisatoren wichtig, mit dem Preis ein Zeichen für den Unternehmergeist zu setzen. Rund 99 Prozent aller Betriebe in Sachsen sind kleine und mittelständische Unternehmen. Sie erwirtschaften 66 Prozent des Gesamtumsatzes und beschäftigen 78 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer in Sachsen. Zu Recht gelten kleine und mittlere Unternehmen als Rückgrat der Wirtschaft – deutschlandweit und in Sachsen ganz besonders. Sie sind die Adressaten des 2005 geborenen Wettbewerbs.

Auf der Suche nach dem Besonderen

In diesem Jahr kommt knapp die Hälfte der Teilnehmer aus dem Regierungsbezirk Dresden, 20 sind aus dem Chemnitzer und 15 aus dem Leipziger Raum. Jüngste Teilnehmerin ist die 34-jährige Katja von der Burg, Chefin der Projecter GmbH, einer Agentur für Onlinemarketing in Leipzig. Die Alterskrone trägt mit 70 Jahren Hans Ulrich Richter, Inhaber und Chef des Chemnitzer Industrieverpackungsherstellers Richter & Heß. Die Zahl der Beschäftigten in den Unternehmen reicht von der Mindestgröße zehn beim Moritzburger Ingenieurbüro IRS bis 477 beim Chemnitzer Auto- und Luftfahrtzulieferer Cotesa. Insgesamt stehen bei den Teilnehmern 5 300 Menschen in Lohn und Brot.

Bilanzen, Jahres- und Branchenvergleiche helfen bei der Entscheidung. Doch die Suche nach dem herausragenden Unternehmer ist keine Hatz nach hohen Summen. Die Jury sucht das Besondere. Und sie wird fündig. Nach drei Wahlgängen und etlichen Kannen Kaffee.

Der Nachfolger von Vorjahressieger Karl Schwald, Geschäftsführender Gesellschafter des Dresdner Schmierstoffherstellers Elaskon, steht fest. Übrigens hat sich der noch amtierende Champion nicht etwa auf den Lorbeeren ausgeruht, sondern am Tag vor dem jüngsten Jurytreff eine Rekordbilanz präsentiert. Kein Wunder, schaut ihm doch die „Die Träumende“ in seinem Büro tagtäglich auf die Finger. Rank und schlank, 1,20 Meter hoch, 40 Kilo schwer, davon zehn Gramm Blattgold – das ist die repräsentative Siegertrophäe für „Sachsens Unternehmer des Jahres“.

Die Bronze-Statue von Malgorzata Chodakowska ist kein Wanderpokal, sondern Partnerin fürs Leben. Am 11. April wird sie in Dresdens Gläserner VW-Manufaktur an die oder den Beste(n) verliehen.